Kolumne
Dr. Sebastian Klein (Fürstlich Castell'sche Bank): Das Jahr des Postfaktischen
In seiner Kolumne analysiert Dr. Sebastian Klein die Wirkung des „Postfaktischen", die auch vor den Kapitalmärkten nicht halt macht: Anleger kaufen oder verkaufen Positionen aufgrund nicht valider Informationen.
Das Jahr 2016 neigt sich seinem Ende. Schreckliche kriegerische Auseinandersetzungen und furchtbare terroristische Anschläge ließen es für viele Menschen zu einem annus horribilis werden. Als annus specialis kann es mit Blick auf die Veränderungen des politischen und gesellschaftlichen Diskurses erscheinen. Nicht umsonst ist das Wort »postfaktisch« (»post-truth«) von den Oxford Dictionaries zum Wort des Jahres gewählt worden.
Politischer und gesellschaftlicher Diskurs werden von Parolen, verkürzten oder sogar bewusst falschen Schlagzeilen anstelle von einer faktengeleiteten Argumentation bestimmt. Der Brexit und die
US-Wahl sind die wohl klarsten Beispiele dieser Kulturveränderung in der westlichen Welt. Aber auch vor Deutschland hat dieses Phänomen nicht halt gemacht. Dass Menschen, die sich als Verlierer der
Globalisierung sehen, den Verkündern einfacher Parolen nachlaufen und diese wählen, ist ein Alarmsignal. Oft geht damit eine Polarisierung zwischen Stadt- und Landbevölkerung, aber auch zwischen
jungen und alten Menschen, einher. Der gesamtgesellschaftliche Zusammenhalt, der gerade für Deutschland mit seiner auf eine gewisse Ausgewogenheit zielenden sozialen Marktwirtschaft so prägend war
und den Wohlstand gefördert hat, bröckelt.
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In der langen Linie stellt dies auch für die Kapitalmärkte ein strukturelles Risiko dar. Eine zusätzliche Anfälligkeit ergibt sich durch ein verstärkt »postfaktisches« Handeln der Akteure
am Kapitalmarkt. Was ist damit gemeint?
Schon seit einigen Jahren ist zu beobachten, dass es in nahezu allen liquiden Anlageklassen, aber auch bei Einzeltiteln, immer wieder zu Phasen kommt, in denen die Schwankungsbreite
der Notierungen an einem Tag stärker ausfällt als die monatliche Volatilität. Die Marktteilnehmer verkaufen oder kaufen Positionen zum Teil auf Basis von Informationen, deren Wahrheitsgehalt und
Tragweite sie erst im Nachhinein vollständig analysieren. Kurz gesagt: First trade, then analyze. Während früher galt: First analyze, then trade. Dieses Verhalten ist letztlich der Reflex auf die
zunehmende Informationsflut und Veränderungsgeschwindigkeit unserer (Wirtschafts-)Welt.
Wertpapieranlagen in einem Transaktionsdepot sind unter diesen Bedingungen nur in den wenigsten Fällen ratsam für Privatanleger. Stattdessen sollten jene sich Profis bedienen, die diese
Entwicklungen zeitnah verfolgen und – wenn angezeigt – handeln.
Unsere Vermögensverwaltung und unsere Vermögensverwaltenden Fonds bieten dies. In Kombination mit dem Konzept von Risikobudget und Sicherungslinie können Anleger mit Gelassenheit die
Aufgeregtheiten der Kapitalmärkte an sich vorbeiziehen lassen. So können sie sich zumindest im Hinblick auf ihre Wertpapieranlage dem Postfaktischen entziehen.