Ökonomen-Stimmen zum Aus der Jamaika-Sondierung
FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Sondierungsgespräche zwischen Union, FDP und Grünen sind gescheitert. Am späten Sonntagabend zog sich die FDP aus den wochenlangen Verhandlungen zurück. Was bedeutet das für die deutsche Wirtschaft? Erst einmal nicht viel, meinen Ökonomen. Der deutsche Wachstumsmotor brumme. Und Europa stehe so solide da, dass sich die deutsche Politik zunächst mit sich selbst beschäftigen kann, lautet das Credo. Stimmen zum Jamaika-Aus:
CARSTEN BRZESKI, CHEFVOLKSWIRT ING-DIBA
"Für die deutsche Wirtschaft dürfte der Gesprächsabbruch kurzfristig keine Auswirkungen haben. Die Beispiele Belgiens oder der Niederlande, wo Übergangsregierung der Wirtschaft lange Zeit keinen Schaden zugefügt haben, scheinen sogar darauf hinzudeuten, dass Übergangsregierungen eher helfen als schaden. (...) Im Allgemeinen haben die letzten Wochen gezeigt, dass Europa um eine Illusion ärmer ist: Deutschland ist nicht länger das Vorbild politischer Stabilität."
JÖRG KRÄMER, CHEFVOLKSWIRT COMMERZBANK
"Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen heute Nacht ist die politische Unsicherheit in Deutschland so groß wie selten zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Trotzdem dürfte die deutsche Wirtschaft weiter kräftig wachsen. Denn angefacht durch die lockere EZB-Geldpolitik besitzt sie so viel Schwung, dass sich die zahlreichen, politisch zu lösenden Probleme Deutschlands vorerst nicht bemerkbar machen werden."
HOLGER SCHMIEDING, CHEFVOLKSWIRT BERENBERG
"Für Deutschland ist das ein erheblicher politischer Aufruhr. Die Folgen sollten jedoch sehr begrenzt sein. (...) Die Wirtschaft ist mit 2,5 Prozent Wachstum, starkem Unternehmensvertrauen, Vollbeschäftigung und einem Haushaltsüberschuss in so guter Verfassung, dass vorerst nur wenige wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen. (...) Mit Blick auf Europa wird Deutschland zu sehr mit seinen inneren Angelegenheiten beschäftigt sein, um eine ehrgeizige Reformagenda mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu vereinbaren und voranzutreiben. Das ist schade. Aber ohne eine akute Krise ist das nicht dramatisch."
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"Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen heute Nacht ist die politische Unsicherheit in Deutschland sprunghaft angestiegen. (...) Wir erwarten allerdings nicht, dass es zu einer veritablen politischen Krise beziehungsweise zu einem nachhaltigen Kurswechsel in der deutschen Politik kommt. Für die Märkte maßgeblich ist derweil das gute internationale Umfeld, die der deutschen Wirtschaft auch weiterhin ein kräftiges Wachstum bescheren wird."
RESEARCH BAYERNLB
"Wir rechnen vorerst nicht mit einer umfangreicheren Abwertung des Euro. So ist ein erneuter Verhandlungsversuch diese Woche nicht auszuschließen. Im Falle eines endgültigen Endes der Jamaika-Koalitionsverhandlungen wird die Wechselkursentwicklung davon abhängen, ob eine andere Form der Regierung (Minderheitenregierung oder Große Koalition) gefunden wird oder ob es Neuwahlen gibt. Lediglich im Neuwahlen-Szenario würde der Euro wohl unter der für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich langen politischen Ungewissheit unter Druck kommen."/bgf/jkr/oca