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    ROUNDUP  449  0 Kommentare Spannung im Schloss: Merkel und Macron feilen an EU-Reform

    MESEBERG (dpa-AFX) - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Präsident Emmanuel Macron wollen in stürmischer Zeit mit umfangreichen Reformvorschlägen die EU krisenfester machen. Sie begrüßten sich am Dienstagmittag zu Beginn der auf rund sieben Stunden angesetzten Verhandlungen mit Küsschen im Gästehaus der Bundesregierung, Schloss Meseberg bei Berlin.

    Es geht um vier Kernprojekte: Reform der Wirtschafts- und Währungsunion, Stärkung der Außen- und Verteidigungspolitik, gemeinsame Asylpolitik und eine stärkere Forschungskooperation, etwa beim Thema Künstliche Intelligenz.

    Macron hatte im September 2017 Vorschläge zur "Neugründung eines souveränen, vereinten und demokratischen Europas" vorgelegt - und wegen der schwierigen Regierungsbildung lange auf Merkels Antwort gewartet. Union und SPD unterstützten einen Aufbruch für Europa, wollen aber keine Transferunion mit einer massiven Ausweitung der deutschen Beiträge.

    Um den Euro krisenfester zu machen, soll der Rettungsfonds ESM zu einem Europäischen Währungsfonds ausgebaut werden. Uneinigkeit gibt es bei dem von Paris geforderten eigenen Haushalt für die Eurozone, um mehr Investitionen zu ermöglichen - Merkel hatte als Kompromiss einen neuen Investitionstopf mit einem Volumen im niedrigen zweistelligen Milliardenbereich angeboten.

    Das EU-Asylsystem soll viel stärker vereinheitlicht werden und in der Verteidigungspolitik soll es zum Beispiel weniger unterschiedliche Waffensysteme geben. Macron will zudem eine Interventionsinitiative mit einer engeren Zusammenarbeit zwischen Generalstäben einiger EU-Länder.

    Die Vorschläge sollen dem EU-Gipfel am 28./29. Juni vorgelegt werden, die Beratungen, an denen unter anderem auch die Finanzminister Olaf Scholz und Bruno le Maire teilnehmen, sollten bis zum Abend dauern.

    Durch das De-facto-Ultimatum der CSU von Bundesinnenminister Horst Seehofer für Vereinbarungen mit anderen EU-Staaten, damit dort schon registrierte Asylbewerber nach einer Abweisung an der deutschen Grenze zurückgenommen werden, steht Merkel massiv unter Druck. Um ihre Kanzlerschaft zu retten, ist sie auch auf Macron angewiesen, um gemeinsam Lösungen zu finden. Seit Jahren funktioniert das sogenannte Dublin-System nicht mehr. Demnach ist jenes Land für ein Asylverfahren zuständig, in dem ein Geflüchteter zuerst den Boden der EU betritt - oft ziehen sie aber weiter, etwa nach Deutschland.

    Trotz aller aktueller Kontroversen: Die Zahl der Asylbewerber in Deutschland ist im ersten Quartal 2018 insgesamt deutlich zurückgegangen. Zwischen Januar und März beantragten 34 400 Menschen internationalen Schutz in der Bundesrepublik, teilte die EU-Statistikbehörde Eurostat mit. Das waren 25 Prozent weniger als im letzten Quartal des Vorjahres - europaweit aber die meisten.

    Wegen der Regierungskrise braucht Merkel die Unterstützung des Franzosen, um auch in diesem Feld Reformen anzustoßen und um andere EU-Staaten zu mehr Kooperation zu verpflichten. Beide wollen eine Reform des europäischen Asylsystems. Die sogenannten Dublin-Vereinbarungen funktionieren nicht mehr, Länder wie Italien mit der neuen nationalistischen Regierung machen die Schotten dicht. Aber der Graben ist tief in Europa: So sperren sich auch Länder wie Ungarn gegen eine Verteilung von Schutzsuchenden innerhalb Europas.

    Merkel und Macron wollen die Grenzschutzbehörde Frontex zu einer "europäischen Grenzpolizei" ausbauen und setzen sich für eine europäische Flüchtlingsbehörde ein, um den Datenaustausch und die Registrierung zu verbessern. Zugleich wollen sie eine engere Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern, etwa in Afrika.

    Die Grünen forderten einen großen Wurf. "Wenn Angela Merkel das solidarische Europa stärken und nicht den Nationalkonservativen das Feld überlassen will, sollte sie Präsident Macron in Sachen EU-Reformen jetzt mehr anbieten als nur Scheinlösungen", sagte Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter der Deutschen Presse-Agentur.

    Man müsse die "akuten Risse im gemeinsamen europäischen Projekt flicken". Hofreiter mahnte eine Investitionsoffensive in Europa an, um Ungleichheiten zu mildern - dies gilt auch als ein Grund für den Aufstieg europakritischer Populisten. "Wenn die Bundesregierung bei Investitionen knausert, dann handelt sie nicht nur zukunftsvergessen, sondern knickt vor den anti-europäischen Populisten ein."

    Seit 2007 nutzt die Bundesregierung das Barockschloss in Meseberg als Gästehaus und Konferenzzentrum. Erster internationaler Gast war auch ein französischer Präsident: Jacques Chirac./ir/bk/rm/DP/tos





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