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     901  0 Kommentare Zwischen kurz- und langfristigen politischen Lösungen

    Verkehrte Zeiten – die Intensität der aktuellen politischen Diskussionen zwischen den Regierungsparteien in Deutschland übersteigt um ein Vielfaches die des letzten Bundestagwahlkampfes. Diskutiert wird über ein politisches Problem wie die Flüchtlingskrise, deren Hochpunkt bereits hinter uns liegt.

    Im Kern geht es bei dem aktuellen Disput nun um die Frage, ob für die noch ungelösten Probleme eine kurz- oder langfristige Lösung, eine nationale oder multilaterale Lösung gefunden wird. Die von Kanzlerin Merkel verhandelte europäische Lösung würde lange brauchen, bis sie effektiv umgesetzt werden kann. Der Ansatz von CSU-Chef Seehofer, Flüchtlinge an der Grenze zurückweisen zu können, würde die Probleme der südeuropäischen Staaten vergrössern, könnte aber kurzfristige und sichtbare Erfolge in Bayern zeigen. Dass es dabei um eine bessere Ausgangsposition für den anstehenden Wahlkampf in Bayern geht, ist nur eine Erklärung. Eine andere ist, dass das allgemeine Vertrauen in langfristige und multilaterale Lösungen schwindet.

    Die vergangenen Jahrzehnte kannten vor allem eine Richtung: Eine vertiefte europäische und weltwirtschaftliche Integration, bei der nationale Grenzen eine immer geringere Rolle spielten. Über globale Wertschöpfungsketten und eine Intensivierung des Welthandels konnten Effizienzgewinne realisiert werden, die die Armut in vielen Ländern massiv gesenkt haben. Internationale Organisationen und multilaterale Kooperationen haben dieser Globalisierung den entsprechenden Ordnungsrahmen beschert. Dieser ist aktuell von vielen Seiten in Gefahr. Sowohl die Wahl für Brexit als auch für US-Präsident Trump wurde von vielen als Geschichtsunfälle interpretiert, die es auszusitzen gilt und die reversibel sind. Es zeigt sich immer mehr, dass sie es nicht sind, sondern Schule machen und Nachahmer finden. In Italien, Mexiko, Polen, Ungarn. Dass der Populismus und Nationalismus just zu der Zeit aufstrebte, in der die Weltwirtschaft sich wieder von der grossen Finanzkrise erholt hat und die Arbeitslosenquoten stark gefallen sind, zeigt, dass sie nicht nur wirtschaftliche Gründe haben. Aber sie werden wirtschaftliche Konsequenzen haben, an die sich auch die Finanzmärkte gewöhnen müssen. Die Handelskonflikte mögen dafür ein Beispiel sein.


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    Dr. Karsten Junius
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    Dr. Karsten Junius ist seit dem 1. April 2014 Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin AG und hat die Leitung des Economic Research inne. Bevor er zur Bank J. Safra Sarasin stiess, war Dr. Junius beim Internationalen Währungsfonds als „Principal Economist“ tätig. In vorgängigen Positionen arbeitete er als Leiter Kapitalmarkt- und Immobilien Research bei Deka Bank und als Ökonom bei Metzler Asset Management GmbH. Davor war er Ökonom am Institut für Weltwirtschaft der Universität Kiel. Dr. Karsten Junius ist CFA Charterholder und doktorierte in Volkswirtschaft an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel.
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    Verfasst von Dr. Karsten Junius
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