Inflation
Türkei am Abgrund: Ist das der Anfang der Insolvenz?
Das Leben in der Türkei wird immer teurer. Die Landeswährung verfällt und die Inflationsrate notiert jenseits von Gut und Böse. Steht die Insolenz des Erdogan-Staates vor der Tür oder ist sie bereits in vollem Gange?
Die Insolvenz der Türkei finde gerade statt, sagte der schottische Makroökonom und Wirtschaftshistoriker, Russell Napier, bereits im Mai im Interview mit der "Neue Züricher Zeitung" (NZZ). Er nannte namentlich mehrere türkische Unternehmen, die ihren Schuldendienst nicht mehr ableisten könnten. Darunter waren die Telekom-Holding Otas und die Dogus Holding.
"Letztlich wird der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in meinen Augen nicht darum herumkommen, Kapitalverkehrskontrollen einzuführen, um Wirtschaftswachstum bei gleichzeitig tiefen Zinsen zu erzielen. Das wäre die De-facto-Insolvenz, weil viele Firmen ihre Auslandsverbindlichkeiten aus juristischen Gründen nicht mehr bedienen könnten", erklärte Napier.
Türkische Zentralbank weit von ihren Zielen entfernt
Das Untergangsgemälde, das der schottische Ökonom schon vor den Präsidentschaftswahlen skizzierte, nimmt durch neue Daten des türkischen Statistikinstituts (TÜİK) weiter Konturen an: Demnach stieg die türkische Inflationsrate im Juni 2018 gegenüber dem gleichen Monat im Jahr 2017 auf 15,4 Prozent an. Das ist die höchste Inflationsrate seit 15 Jahren (Oktober 2003). Im Vormonat Mai betrug der Anstieg des Verbraucherpreisindex auf Jahresbasis noch 12,2 Prozent. Die neuen Zahlen liegen laut "Hurriyet Daily News" über den offiziellen Schätzungen. Die türkischen Zentralbanker streben eine Inflation von 5 Prozent an. Davon sind sie weit entfernt.
"Schreckliche Daten - so schlimm, wie es nur geht", sagte Timothy Ash, Stratege für Schwellenländer-Anleihen bei BlueBay Asset Management im Gespräch mit Journalisten der "Financial Times" (FT). Er fügte hinzu, dass die türkische Zentralbank den Preis dafür bezahle, "zu lange hinter der Kurve zu sein".
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Türkische Lira verliert immer mehr an Wert
Die ausufernde Inflation wirkt sich direkt auf den Wert der türkischen Währung Lira (TL) aus. Nach Veröffentlichung der Inflationsdaten sackte die Lira gegenüber dem Dollar um 1,3 Prozent auf 4,6742 TL ab. Die Lira erreichte in diesem Jahr einen Tiefstand nach dem anderen. Seit Jahresbeginn hat die Währung gegenüber dem US-Dollar über 20 Prozent an Wert verloren.
Die steigende Inflation und der Wertverfall der Lira befeuern die Angst der Anleger. Laut "FT"-Daten lag der Spread für die im Oktober 2028 fälligen US-Dollar-Anleihen der Türkei am Dienstag bei 4,16 Prozentpunkten, nach 3,37 Punkten bei ihrer Emission im April.
Marktbeobachter sehen die eigenwillige Finanzpolitik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip als einen der Hauptgründe für die Finanzschwäche des Landes an. So glaubt Erdogan nicht, dass höhere Zinsen die Inflationsrate herunterdrücken können, was aber der gängigen Lehrmeinung der Ökonomen entspricht. Außerdem verfolgt er eine Steuerpolitik, die zu einseitig auf ein starkes Wirtschaftswachstum ausgerichtet ist – eine Strategie, die unter Ökonomen als inflationär gilt. Ende Mai rief Erdogan im Wahlkampf seine Landsleute dazu auf, "Euro und Dollar, die noch unterm Kopfkissen liegen, in die türkische Lira zu investieren".
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