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    Neuwagenkäufe  4000  4 Kommentare Die Europäer kehren dem Diesel den Rücken

    In allen europäischen Ländern haben Neuwagenkäufer im ersten Halbjahr 2018 Diesel-Pkw den Rücken gekehrt. Das zeigt die Analyse der Pkw-Neuwagenzulassungen. In Europa, definiert als die EU plus Norwegen und Schweiz, ist der Dieselanteil unter den Pkw-Neuwagenverkäufen um 8,4 Prozentpunkte auf 36,8% in den ersten sechs Monaten des Jahres eingebrochen (siehe Abb. 1).

    Gastbeitrag von Ferdinand Dudenhöffer*

    Dabei war der Einbruch keineswegs in Deutschland am größten. Regelrecht eingestürzt ist der Dieselmarktanteil in Slovenien. Dort hat der Diesel 15,0% Marktanteil verloren, gefolgt von Spanien (-12,9%), Rumänien (-12,2%), England (11,2%), Schweden und Litauen (-10,7%), Irland (-10,6%). In Deutschland hat der Diesel 9,2 Prozentpunkte verloren, im Europa 8,4 Prozentpunkte. (Die Daten der Abb. 1 sind weiter unten im Text im Anhang als Tabelle). Die Enttäuschung über Dieselgate, manipulierte Abgaswerte, deutlich zu hohe Stickoxide-Ausstoß im Alltagsfahrbetrieb zieht sich wie ein roter Faden durch ganz Europa.  

    Deutschland wird zum Land der Dieselfahrverbote

    Dabei war in keinem Land in Europa die Enttäuschung über den Diesel bei den Verbrauchern so groß wie in Deutschland. Hohe öffentliche Empörung und hoher Schaden entstehen in Deutschland mit den Dieselfahrverboten in den Städten. Nach unseren Daten können wir in Deutschland in mehr als 20 Städten mit Dieselfahrverboten rechnen, darunter, Hamburg, Stuttgart, Kiel, Aachen, Frankfurt, Köln, Berlin, Freiburg, Dortmund, Hagen, Mainz, Heilbronn, Reutlingen, Düren, Oldenburg. Und auch die juristischen Scharmützel in Düsseldorf und München werden wohl nicht lange tragfähig sein.

    Deutschland wird weltweit Weltmeister für Dieselfahrverbote. Das ist keine Sache von sechs oder acht Monaten, sondern wird bis ins Jahr 2020 und 2021 reichen. Hardware-Nachrüstung für Diesel-Pkw wurde von den Autobauer und der Bundesregierung renitent ausgesessen. Die Probleme der Städte sind seit dem Jahr 2010 bekannt und ignoriert worden. Längere Fahrverbote, die Entwertung eines großen Teils des Volksvermögens sind in Deutschland nicht zu vermeiden. In den anderen Ländern ist die Lage bei weitem nicht so tragisch wie in Deutschland. Trotzdem kehren auch dort die Autokäufer dem Diesel den Rücken. Eine Zeit zurück vor Dieselgate wird es nicht geben. Zu groß sind die Enttäuschungen der Kunden, zu groß ist das verlorene Vertrauen, zu teuer werden neue Diesel mit richtiger Abgasreinigung werden. Zu gut sind die Alternativen Benziner kombiniert mit neuen 48 Volt Hybriden und Stück für Stück nach 2020 Elektroautos.

    Die Entwicklung wird für die Autobauer teuer werden. Das illustriert die Abb. 2. Im August 2018 lag der durchschnittliche CO2-Ausstoß bei Pkw-Neuwagen bei 131,8 gramm/km, der Dieselanteil bei Neuwagen betrug in Deutschland 32,6%. Mehr SUV, weniger Diesel läßt den CO2-Wert in die Höhe steigen.

    Ab September gehen die CO2-Wert durch die Decke: 150 g CO2/km   
     
    Dabei wurde der CO2-Ausstoß bisher nach dem alten NEFZ-Prüfzyklus gemessen. Ab 1. September 2018 gilt der WLTP. Dann werden die blauen Balken in Abb. 2 förmlich durch die Decke gehen. Wir gehen von einem Pkw-Diesel-Marktanteil um die 33% aus für die nächsten 12-15 Monate aus. Nach den NEFZ-Werten und steigenden SUVAnteilen bedeutet das CO2-Emissionen von etwa 131 Gramm/km pro neuem Pkw im Schnitt in Deutschland bedeuten.  
     
    Da aber NEFZ durch WTLP abgelöst wurde und beim WTLP die gleichen Fahrzeuge etwa 20% mehr Treibstoff und CO2 auf dem Papier emittierten, macht die CO2-Kurve ab September einen kräftigen Sprung nach oben. Die meisten Prognosen gehen von einem Mehrverbrauch in der Höhe von 20% durch den WLTP aus. Unterstellen wir mal konservativ, dass es im Mittel nur 15% sind, dann können wir bei 33% Dieselanteil in Deutschland mit 150 CO2/km pro Durchschnitt-Neuwagen rechnen. Derzeit liegt der Grenzwert für die EU bei 130 g CO2/km.

    Würden jetzt die Strafzahlungen auf die WLTP-Emissionen, so wie sie etwa bei der Kfz-Steuer berücksichtigt werden, für die Grenzwerte der EU herangezogen, müssten mit Milliarden Strafzahlungen an die EU-Kommission gerechnet werden. Das hat man vorerst abgebogen – Otto-Normalverbraucher bezahlt zwar seine Kfz-Steuer nach WLTP, aber die Autobauer rechnen für Brüssel „zurück“. Das wird nicht in alle Ewigkeit gehen. Im politischen Prozess wird die unterschiedliche Behandlung von Autobesitzern und Autobauern beim Thema CO2 sicher Diskussionen aufwerfen. Viele Sympathien auch im politischen Raum hat die Autoindustrie in den letzten drei Jahren verloren. Das macht die zu erwartende Diskussion um „Umrechnungsfaktoren“ von WTLP auf NEFZ für den „Klimawandel“ nicht einfacher. Das Risiko für die Autobauer der ausgesessen Hardware-Nachrüstung kann also sehr teuer werden.

    SUV-Trend ungebrochen und verschärft Risiko für CO2-Strafzahlung
     
    Die Schere zwischen Diesel-Marktanteil und SUV-Marktanteil weitet sich stärker. Das zeigt auch die Entwicklung der SUV-Marktabteile in Deutschland und Europa. Abb. 3 zeigt, dass im August erneut ein neuer Höchstwert bei SUV-Neuwagen in Deutschland mit 29,9% SUV-Anteil vorlag. SUVs verbrauchen mehr Treibstoff und liefern damit höhere CO2-Emissionen als etwa Limousinen oder Kombis.  In Europa sind in den letzten 10 Jahren die SUV-marktanteile von knapp 9% im Jahr 2007 auf 29,3% im Jahre 2017 gestiegen. Europa läuft beim SUV synchron mit Deutschland. Der Trend zu weiteren steigenden SUV-Marktanteil ist sowohl in Deutschland als auch in gesamt Europa ungebrochen. Damit steigen die CO2-Emissionen der Neuwagen
     
    Fazit: Rückgang des Diesels bringt Autobauer in Bredouille  
     

    • Bisher hatte man den Eindruck, die Diskussion um Manipulierte Diesel, Dieselfahrverbote und der Rückgang der Dieselmarktanteile sein überwiegend ein deutschland-Problem. Die Analyse zeigt, dass der Diesel flächendeckend ein Problem hat. Die Gründe
    • Große Kundenenttäuschung durch Dieselgate, manipulierte Abgase und Wertverluste von Dieselfahrzeugen in nahezu allen Ländern in Europa
    • Dieselfahrverbote, die immer stärker in die deutschen Großstädte kommen, kratzen auch an der Dieselreputation im Ausland
    • Die neuen Abgasnorm Euro 6 d macht den Diesel-Pkw teurer
    • Bei den Autobauern werden die Diesel-Produktionsvolumen kleiner. Damit hat der Diesel neben der Abgasreinigung ein zweites Kostenproblem
    • In einigen Ländern – wie Frankreich – will man die Steuervorteile von Dieselkraftstoff reduzieren/abschaffen
    • Die Autobauer streichen Dieselangebote bei Kleinwagen und zu Teil Kompaktwagen
    • Hybride mit Benziner gewinnen mehr Freunde


    Wir beobachten also keinen „einmaliges Abrutschen“, sondern ein strukturelle Problem. Es gibt kaum Gründe dafür, dass sich die Dieselmarktanteile wieder „erholen“. Die Autobauer laufen in ein sehr brisantes Problem. Die letzte „Diesel-Insel“ der Welt, Europa, hat ein mächtiges Problem. Gleichzeitig öffnet sich die Schere zwischen steigenden SUV-Anteilen und eher sinkenden Dieselanteilen weiter. Das Risiko für Milliarden-Strafzahlungen wegen Verletzung der CO2-Ziele ist in den letzten zwölf Monaten erheblich gestiegen.



    Autor:

    *Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer ist Direktor des CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen sowie Inhaber des Lehrstuhls für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.




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