Finanzmarktkolumne
Keine EZB-Spezialbehandlung für Italien
Dass EZB-Draghi Fragen zu Italien und dessen Finanzierungsperspektiven bekommen würde, war vor der Pressekonferenz nach dem Zentralbankratstreffen am letzten Donnerstag zu erwarten.
Überraschend war, wie klar er herausstellte, dass Italien bei seiner Haushaltspolitik nicht auf besondere Finanzierungsunterstützung der EZB bauen dürfte. Es sei nicht die Aufgabe der EZB die Staatsfinanzierung unter allen Umständen sicherzustellen, stattdessen würden Investoren das neue Budget beurteilen. Auch signalisierte er, dass die Wiederanlage von zukünftig zurückgezahlten Anleihen im Besitz der europäischen Zentralbanken weiterhin nach dem Kapitalschlüssel verteilt würden – das heisst, es würden auch zukünftig nicht überproportional viele italienische Anleihen erworben. Stattdessen würde er erwarten, dass sich Italien an die europäischen Regeln hält.
Genau das hat die italienische Regierung aber nicht immer klar signalisiert. Mal scheint sie den Konflikt mit Brüssel zu suchen und pocht auf die Umsetzung der teuren Wahlversprechen wie des bedingungslosen Grundeinkommens, deutlicher Steuersenkungen oder der Rücknahme der Rentenreform, mal verspricht sie keine übermässige Defizitausweitung. Klar erscheint lediglich, dass die Finanzmärkte relativ schnell über die Nachhaltigkeit des Haushaltsvorschlages mit fallenden oder steigenden Renditen italienischer Anleihen urteilen werden; in jedem Fall schneller und entscheidender, als die EU-Kommission, die vermutlich Anfang November, den am 15. Oktober fälligen Budgetvorschlag kommentieren wird. Die Kommission wird sodann Vorschläge machen, die die einzelnen Länder implementieren können, aber nicht müssen, wenn sie ihrem Budget formell im Dezember Gesetzeskraft verleihen. Bis zu Sanktionen wäre es aber noch ein sehr weiter Weg.
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Wirklich kritisch sahen die letzten italienischen Haushalte nicht aus. Mit schöner Regelmässigkeit konnte die Regierung Primärüberschüsse erzielen – d.h. sie wies abgesehen von den Zinszahlungen auf bestehende Schulden einen mindestens ausgeglichenen Haushalt auf. Da die italienische Wirtschaft gleichzeitig Leistungsbilanzüberschüsse produzierte, bleibt die aggregierte Nettoverschuldung des privaten und öffentlichen Sektors im Ausland bei moderaten 15% des Bruttoinlandsproduktes. Das bedeutet auch, dass der mit rund 130,7% des BIP verschuldete Staat hauptsächlich bei den eigenen Haushalten und Banken in der Kreide steht. Dies reduziert für jede Regierung massiv den Anreiz sich mittels eines Zahlungsausfalls wieder finanzielle Luft zu verschaffen. Die von manchen Beobachtern geäusserte Befürchtung, die italienische Wirtschaft könnte mit einem Zahlungsausfall, Euro-Ausstieg und Nicht-Begleichung von Target2-Salden glaubhaft drohen, halten wir daher für übertrieben. Sicherlich ist das Verhältnis von Schulden zu BIP zu hoch, solange dies allerdings stabil bleibt, liefert es keine akute Bedrohung.