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Licht und Schatten Kohleausstieg: Diese Aspekte könnten noch Sprengstoff liefern

Ja, die Kohlekommission hat am Wochenende den Kohleausstieg für 2038 vorgeschlagen. Auch Entschädigungen an Konzerne wurden empfohlen. Aber kann das so einfach funktionieren?

Mit wem haben wir es zu tun? Die Kohlekommission ist eigentlich die "Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" - eingesetzt von der Bundesregierung am 6. Juni 2018. Der Kommission gehören 28 Mitglieder aus Politik und Wirtschaft an. Sie kann Vorschläge für den Kohleausstieg machen. Am 26. Januar 2019 legte die Kohlekommission ihre Empfehlungen der Bundesregierung vor. Folgende Schritte sollten umgesetzt werden:

- bis 2022 sollen Braunkohlekraftwerke mit einer Kapazität von 3 Gigawatt und Steinkohlekraftwerke mit 4 Gigawatt stillgelegt werden.

- bis 2030 dann 6 Gigawatt Braunkohlekraftwerke und 7 Gigawatt Steinkohlekraftwerke.

- die letzten Anlagen sollen 2038 abgeschaltet werden - dies könnte aber auch 2035 passieren.

Als Ausgleich für die Abschaltung sollen insgesamt 40 Milliarden Euro in die betroffenen Regionen fließen. Die Energiekonzerne sollen ab den 2020er Jahren für die vorzeitige Abschaltung entschädigt werden. Über die Höhe der Entschädigung soll die Bundesregierung bis Juni 2020 entscheiden.

Ob der Vorschlag in dieser Form von der Bundesregierung angenommen wird, zeigt sich im April 2019. 

Wie viele Kraftwerke sind von der Schließung betroffen?

In dem Bericht der Kohlekommission werden keine konkreten Kraftwerke für die Stilllegung genannt. 

Im November 2015 gab es in Deutschland 148 aktive Braun- und Steinkohlekraftwerke. Die meisten betrieb das Dax-notierte Unternehmen RWE - gefolgt von Vattenfall, Steag, EnBW und E.on. Laut statista sind viele Kraftwerke im Besitz von kleinen Unternehmen und Stadtwerken. 

Infografik: Kohlekraftwerke in Deutschland | Statista Mehr Infografiken finden Sie bei Statista

Strom ohne Kohle aus Deutschland, geht das?

Es geht in erster Linie um die Kohleverstromung. Das Ifo-Institut bemängelte, dass als Ausgleich für den Ausstieg, wohl zumindest teilweise Atom- und Kohlestrom aus Tschechien und Polen importiert werden müsse. Außerdem sieht es so aus, dass in Deutschland auch ohne die Umsetzung des Vorschlags der Kohlekommission die Verstromung von Braunkohle bis spätestens 2050 endet. 

"Es ist nochmals zu überdenken, einen wettbewerbsfähigen Industriezweig vorzeitig für das politische Ziel Klimaschutz zu opfern", sagte der DEBRIV-Hauptgeschäftsführer Thorsten Diercks, siehe hier.

DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner: "Klar ist auch: Der Ausstieg aus der Kohle gelingt nur, wenn Erneuerbare Energien und Stromnetze in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen. Dafür muss die Bundesregierung jetzt alle Bremsen lösen. Wir brauchen ein neues Erneuerbare Energien Gesetz mit einem verbindlichen Fahrplan zur Erreichung des Minimalziels 65 Prozent Erneuerbarer Energien in 2030".

Die Herausforderungen werden noch größer: Rechnet man Atom- und Kohleausstieg zusammen, werden nun in knapp 20 Jahren rund 50 Prozent der heute verfügbaren gesicherten Kraftwerkskapazitäten vom Netz gehen. Dies ist eine große Herausfoderung für den Industriestandort Deutschland. Bislang fehlen konkrete Lösungen dafür, wie die Stromnachfrage gesichert werden kann.

Im Idealfall kommt der Strom zukünftig zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien. Dies würde erhebliche Investitionen bedeuten, zu denen Deutschland bereits in den vergangenen Jahr nicht bereit war. Viel wahrscheinlicher ist das Szenario, dass Strom aus europäischen Nachbarländern importiert wird. Es stellt sich jedoch die Frage nach der Qualität des gelieferten Stroms und ob Deutschland schlussendlich so die Wirtschaft anderer Länder ankurbelt, um eigene Klimaziele zu erfüllen. 

Zur Bedeutung der Kohleindustrie

Laut der Untersuchung der "Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe" entfallen 60 Prozent der weltweiten konventionellen Energierohstoffe auf Stein- und Braunkohle (Bericht BMWI). Es handelt sich somit aufgrund der natürlichen Vorkommen um einen wichtigen Wirtschaftssektor.

In Deutschland lag die Kohleproduktion 2017 bei rund 175 Millionen Tonnen: 171 Millionen Tonnen Braun- und 3,7 Millionen Tonnen Steinkohle. Seit 1981 ging die Kohleförderung bereits deutlich zurück: von 521,6 Millionen Tonnen im Jahr 1985 auf zuletzt 175 Millionen Tonnen.

Den geringsten Anteil macht Steinkohle aus: 2017 waren es 3,7 Millionen Tonnen. Viel wichtiger ist Braunkohle. Die Vorkommen in Deutschland betragen rund fünf Milliarden Tonnen. Deutschland ist das größte Braunkohleförderland, gefolgt von China und Russland. Braunkohle wird zu rund 90 Prozent zur Strom- und Fernwärmeerzeugung in Kraftwerken eingesetzt.

Grafik: Deutschland Kohleförderung gesamt (Steinkohle, Anthrazit, Hart- und Weichbraunkohle).

Die Anzahl der Beschäftigten nahm in den vergangenen Jahren kontinuierlich ab. Im Steinkohlebergbau waren 2017 (Arbeiter und Angestellte unter und über Tage) 4.125 Personen beschäftigt. Zum Vergleich dazu waren es 2010 noch 24.207 Personen (statista). Auch im Braunkohlebergbau sinken die Beschäftigtenzahlen auf circa 20.900 Beschäftige - im Jahr 1990 waren es 129.000 Beschäftigte.

Mit der Schließung von mehr als 140 Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke bis 2038 stehen einige Regionen vor großen sozialen Herausforderungen. Arbeitsplätze fallen weg und die vor - und nachgelagerten Subunternehmen müssen sich neu ausrichten. "Erst Infrastruktur, dann Braunkohleausstieg!", sagte Kai Emanuel (parteilos), Landrat des Landkreises Nordsachsen, siehe hier.

So rechnet RWE mit einem "signifikanten Stellenabbau": bereits bis 2022 in den Kraftwerken und anschließend im Tagebau. "In der Braunkohle wird es tiefe Einschnitte geben", so RWE-Chef Rolf Martin Schmitz, siehe hier. Es geht den Unternehmen um Planungssicherheit. Dies wird auch an den Ausführungen des Uniper-Kraftwerkevorstand Eckhardt Rümmler deutlich, denn dieser befürchtet, dass neue Anlage nicht mehr in Betrieb genommen werden dürfen - wenn es nach der Kohlekommission geht. Das Großkraftwerk Datteln 4 soll planmäßig 2020 ans Netz gehen und Rümmler sagte: Klimapolitisch sei es nicht sinnvoll, "das modernste Kraftwerk nicht ans Netz zu bringen und dafür alte und deutlich stärker CO2-ausstoßende Kraftwerke weiter zu betreiben", siehe hier.

Deutschland schon heute Land des Energiemixes

In den vergangenen Jahren zeichnet sich beim Stromverbrauch zunehmend ein Energiemix ab, denn während 2017 circa 33,3 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen stammte, kamen rund 37 Prozent des gesamten Bruttostroms aus Kohle - 22,5 Prozent Braunkohle und 14,1 Prozent Steinkohle (Statistisches Bundesamt). Kernenergie machte 11,7 Prozent der Bruttostromerzeugung aus. Generell ist ein Energiemix prägend, was bereits eine Energiewende deutlich macht. 

Welchen Beitrag leistet dieser Wirtschaftszweig für die wirtschaftliche Entwicklung?

Betrachtet man die Regionen und damit die potenziellen Abbauregionen, in denen Stein- und Braunkohle vorkommen, so gibt es in Nordamerika, Asien, Europa und den GUS den größten Anteil innerhalb der jeweiligen Rohstoffvorkommen. In den USA setzt Donald Trump auf mehr Kohleabbau - auch mit weniger Auflagen für die Betreiber. Auch in Schwellen- und Entwicklungsländern werden neue Kraftwerke gebaut.

Quelle: Bericht BMWI, Seite 9.

Für Deutschland kann konstatiert werden, dass 2017 der Wirtschaftsbereich Elektrizitätsversorgung - aus allen Rohstoffquellen - auf einen Umsatz von 431,7 Milliarden Euro kam. In diesem Bereich gab es Investitionen i.H.v. neun Milliarden Euro. Die Umsätzen stiegen zum Vorjahr um 4,9 Prozent. Die Industrie gehört zu den größten Stromabnehmern - besonders Kraftwerke und Metallverarbeitung.

Wenn die Kohle nicht mehr aus Deutschland kommt

Im Jahresbericht des "Verein der Kohleimporteure" heißt es: "Im Gegensatz zur globalen Entwicklung geht in Deutschland jedoch der Verbrauch von Steinkohle massiv zurück" (-17 Prozent). Für 2018 wird ein Rückgang von 20 Prozent beim Einsatz von Steinkohle zur Stromerzeugung erwartet. Weiter heißt es: "Steinkohle hat somit ihren Beitrag zu den CO2-Reduktionszielen im Rahmen des Klimaschutzplanes der Bundesregierung schon heute so gut wie erfüllt". Ferner seien die Steinkohlekraftwerke für die Energiewende notwendig, um Lastenspitzen abzudecken. 

Bei Steinkohle betrug 2017 der Import 48,5 Millionen Tonnen, während die Inlandsproduktion/-förderung bei 3,6 Millionen Tonnen lag - zum Vergleich: Spanien förderte 2,8 Millionen Tonnen, Großbritannien 3,0 Millionen Tonnen, Polen 65,5 Millionen Tonnen und Tschechien 5,5 Millionen Tonnen. Es heißt, dass die Steinkohleförderung in Deutschland international nicht wettbewerbsfähig sei. 

Quelle: Jahresbericht 2018, Verein der Kohleimporteure.

Deutschland nahm die meiste Steinkohle-Importmenge von Russland ab (19,7 Millionen Tonnen), gefolgt von den USA (9,1 Millionen Tonnen) und Kolumbien (6,5 Millionen Tonnen). "Die Importe nach Deutschland sind für alle Qualitäten nach Herkunftsländern breit gestreut", so der Verein der Kohleimporteure. Bei Braunkohle wurden 2017 nur 23.000 Tonnen importiert.

Fazit

Die Braun- und Steinkohleindustrie hat in Deutschland eine lange Tradition und wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes beigetragen. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund der vorhandenen Bodenschätze möglich gewesen. In den vergangenen Jahren wurde der Abbau stetig reduziert.

Bei Steinkohle ist Deutschland auf Importe angewiesen, während der Braunkohlesektor ein entscheidender Wirtschaftsfaktor ist. Das die Klimaziele trotz Kohleausstieg nicht erreicht werden können, darüber herrscht bei allen Experten Einigkeit. Ob die empfohlene Stragtegie der Kohlekommission so umgesetzt wird, darüber muss die Politik entscheiden.

Quellen:

Statistisches Bundesamt

Statistisches Bundesamt

Bericht BMWI

Jahresbericht 2018, Verein der Kohleimporteure

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

Statistiken zur Braunkohle

Baulinks




Wertpapier



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