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    ROUNDUP/Lob, Ablehnung, Schweigen  395  0 Kommentare Macrons Appell für Neubeginn spaltet

    BERLIN/PARIS (dpa-AFX) - Gut zweieinhalb Monate vor der Europawahl hat das flammende Plädoyer des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron für einen "Neubeginn" in Europa gemischte Reaktionen ausgelöst. Während die Bundesregierung den Vorstoß zurückhaltend, aber überwiegend positiv bewertete, kam aus Tschechien heftige Kritik. Polen und Ungarn äußerten sich verhalten.

    In einem Gastbeitrag, der am Dienstag gleichzeitig in großen Tageszeitungen der 28 EU-Mitgliedsländer erschienen war, hatte sich Macron an die Bürger der Europäischen Union gewandt und tiefgreifende Reformen gefordert. Viele dieser Ideen sind allerdings nicht neu - an ihnen wird entweder schon gearbeitet oder es gibt sie in ähnlicher Form bereits.

    Kanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich zurückhaltend. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Mittwoch in Berlin, die Bundesregierung begrüße, "dass der französische Präsident seine Vorstellungen in die Debatte einbringt". Es gebe eine ganze Reihe von Punkten Macrons, die die Bundesregierung unterstütze. Seibert nannte den Gedanken eines europäischen Sicherheitsrats, die Stärkung der europäischen Verteidigungspolitik, ein gemeinsames Verständnis der Asyl- und Migrationspolitik sowie die Betonung der Innovationsfähigkeit als Voraussetzung für Wohlstand. Es freue die Bundesregierung, dass nun auch Macron der Meinung sei, "dass da, wo es nötig ist, Europäische Verträge auch geändert werden sollen".

    Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte dem "Tagesspiegel" (Mittwoch), eine engagierte Debatte darüber, "wie wir uns Europas Zukunft vorstellen, tut der europäischen Demokratie gut, gerade vor den Europawahlen". Dazu gebe Macron "sehr wertvolle Impulse". Maas wies darauf hin, dass Deutschland und Frankreich an einigen der Vorschläge bereits dran seien, es dabei aber nicht bleiben müsse.

    Überraschend milde reagierte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban - er gilt als ein Gegenpol zu Macron. "Dies könnte den Anfang einer ernsthaften europäischen Debatte markieren", erklärte Regierungssprecher Zoltan Kovacs am Dienstagabend über den Kurznachrichtendienst Twitter. "In den Einzelheiten haben wir natürlich unterschiedliche Ansichten." Aus Orbans früheren Erklärungen geht hervor, dass der rechtsnationale Regierungschef etwa die Stärkung des gemeinsamen europäischen Grenzschutzes ablehnt.

    Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki stimmt mit den Reformvorschlägen ebenfalls teilweise überein. Die Warschauer Regierung würde jene von Macron erwähnten Elemente unterschreiben, die auch in ihrem Interesse lägen, sagte Morawiecki am Dienstagabend dem Sender Polsat News. Er nannte unter anderem die Digitalsteuer und ein Vorgehen gegen Steuerparadiese.

    Der lettische Außenminister Edgars Rinkevics lobte die Vorschläge von Macron als "starke und klare Botschaft". Seit Langem habe keiner von Europas Anführer eine so "strukturierte und offene Vision" vorgelegt, schrieb er auf Twitter. Zurückhaltend äußerte sich Rinkevics aber unter anderem zu der von Macron vorgeschlagenen europäischen Asylbehörde und dem Sicherheits- und Verteidigungsvertrag. In Estland und Litauen fanden Macrons Ideen keinen größeren Widerhall. Auch in Skandinavien und Bulgarien reagierten hochrangige Politiker zunächst nicht.

    Der Brexit-Beauftragte des Europa-Parlaments, Guy Verhofstadt, begrüßte Macrons Vorstoß dagegen: "Macron ruft zu einer Renaissance Europas auf - richtig so! Zeit, den Status quo zu überwinden, Zeit, dass Pro-Europäer ihre Kräfte bündeln. Die Zukunft unseres Kontinents steht auf dem Spiel", schrieb er auf Twitter. Nach Ansicht des italienischen Außenministers Enzo Moavero Milanesi präsentiert sich Macron als pro-europäisch, seine Vision entspreche aber den nationalen Interessen Frankreichs, wie er laut Nachrichtenagentur Ansa am Mittwoch im Parlament sagte.

    Der tschechische Regierungschef Andrej Babis wies die Forderungen Macrons dagegen klar zurück. Die Vorschläge seien "gefällig präsentiert, aber völlig außerhalb der Realität", sagte der populistische Politiker dem Nachrichtenportal Parlamentnilisty.cz. Die EU müsse zu ihren historischen Wurzeln zurückkehren, zum gemeinsamen Markt und der Überwindung wirtschaftlicher Barrieren. Eine gemeinsame Asylpolitik im Schengen-Raum, wie Macron sie vorschlägt, lehnte Babis ab: "Wir wollen selbst entscheiden, wen wir auf unser Territorium lassen." Er sprach sich zudem gegen eine Harmonisierung der Steuern und einen europaweiten Mindestlohn aus.

    Zu den von Macron geforderten Reformen zählen ein EU-weiter Mindestlohn, ein besserer Grenzschutz, eine europäische Asylbehörde, eine Agentur zum Schutz der Demokratie, das Verbot der Finanzierung europäischer Parteien durch "fremde Mächte", ein strengerer Umgang mit Unternehmen, die sich nicht an europäische Regeln halten - und eine europäische Klimabank. Bereits im September 2017 hatte Macron mit seiner Sorbonne-Rede zur "Neugründung eines souveränen, vereinten und demokratischen Europas" aufgerufen. Davon ist allerdings nicht viel geblieben - viele Pläne wurden verwässert oder gar nicht erst umgesetzt.

    Der Herr des Élyséepalastes kämpft in Frankreich seit Monaten gegen schlechte Umfragewerte. Seit Mitte November stemmen sich die "Gelbwesten" mit Demonstrationen gegen seine Reformpolitik. Auch aus Europa gibt es Gegenwind./hme/DP/stw





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