Interview
Gabor Steingart: "Diese Koalition hat in der Bevölkerung keine Mehrheit mehr" - Seite 2
Gerade erst haben Sie ein neues Medienunternehmen gegründet. Schon 2020 heißt es "Leinen los" für Deutschlands erstes Redaktionsschiff - die "Pioneer One". Sind Sie ein Medienvisionär, Herr Steingart?
Ich glaube jedenfalls, dass Zukunft nicht nur eine Kopie der Gegenwart ist. Das gilt vom Autofahren bis zum Zeitunglesen. Wir sind Teil einer großen evolutionären Entwicklung von Mensch und Natur, was die Geschäftsmodelle der Firmen einschließt. Nostalgie ist jedenfalls kein Geschäftsmodell.
Stichwort Qualitätsjournalismus: In einem Interview kritisierten Sie die Werbefinanzierung im Medienbereich als "schleichenden Übergang zur Prostitution". Was genau meinen Sie damit und wie geht’s anders?
Ich glaube, dass es zwei Berufsgruppen gibt, die nur den Bürgerinnen und Bürgern verantwortlich sein sollten und die keinerlei Zweitauftraggeber vertragen. Das sind Politiker und das sind Journalisten. Parteispenden korrumpieren, auch wenn das denen, die sie entgegennehmen, oft gar nicht bewusst ist. Und die Werbung in den Medien, geschaltet von jenen, über die wir kritisch berichten sollen, schafft ebenfalls eine innere Zerrissenheit. Verlage und Sender sollen publizistisch unabhängig sein von denen, von denen sie ökonomisch abhängen. Wie geht das?
Portale, die mit reißerischen Überschriften locken, erzielen in sozialen Netzwerken oftmals mehr Reichweite als etablierte Nachrichtenseiten. Sind "Clickbait" eine Bedrohung für den klassischen Journalismus?
Wenn wir guten, klugen und unabhängigen Journalismus betreiben, kann uns niemand bedrohen. Die Berufsehre darf sich nicht an Klickzahlen orientieren, sondern muss das Aufdecken von Missständen und das Aussprechen unbequemer Wahrheiten ins Zentrum rücken.
Herr Steingart, unsere siebte Frage ist immer eine persönliche: Warum sind Sie Journalist geworden und werden Sie auf der Jungfernfahrt der "Pioneer One" neben dem Wort auch mal das Ruder übernehmen?
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Es gibt keinen guten Journalisten, hat Rudolf Augstein mal gesagt, der nicht zumindest hofft, mit seiner Arbeit die Welt verbessern zu können. Und ein Stück Abenteuerlust kommt in meinem Fall sicher auch hinzu. Als ich mich bei Augstein als 28-jähriger bewarb, beendete ich mein Anschreiben mit einem polnischen Aphorismus: "Besitze Piratenflagge. Suche Partner mit Schiff". Daraus wurden dann 20 "Spiegel"-Jahre. Und ja: Bei unserer Jungfernfahrt mit der Pioneer One im Frühjahr 2020 werde ich dem Kapitän assistieren, so gut ich kann. Vielleicht als Schiffsjunge.
Vielen Dank für das Interview Herr Steingart!
Quelle: Initiative Gesichter der Demokratie.