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    Entwicklungs- und Schwellenländer  2859  0 Kommentare Vom frühen Zauber viel verflogen - Auf der Suche nach den Rendite-Stars 2020

    Das Wachstum fiel in den Schwellenländern im Vorjahr enttäuschend aus. Heuer winkt etwas mehr Dynamik – eine Rückkehr zum früheren Schwung ist aber nicht in Sicht. Ein aktueller Smart Investor-Überblick über die besten Rendite-Chancen im Bereich Emerging Markets.

    2019 war kein gutes Jahr für die Weltwirtschaft. Laut der Weltbank wuchs das globale reale Bruttoinlandsprodukt nur um 2,4% – das entspricht dem schwächsten Wachstum seit der Finanzkrise 2009. Auch in den Schwellenländern soll das Wirtschaftswachstum von 4,3% im Jahr 2018 auf 3,5% zurückgegangen sein. Wie die Weltbank in ihrem aktuellen Jahresausblick auf 2020 ausführt, war die jüngste Entwicklung in den Schwellenländern weiterhin von erheblicher Schwäche geprägt.

    Festmachen lässt sich das an der Industrieproduktion, den Handelsströmen und den Investitionen, die im vergangenen Jahr jeweils stark zurückgegangen sind. Dabei habe sich der Dienstleistungssektor zwar deutlich widerstandsfähiger als das verarbeitende Gewerbe gezeigt, doch die Tätigkeit in Ersterem habe sich ebenfalls abgeschwächt. Die allgemeine Schwäche habe dabei auch auf Volkswirtschaften übergegriffen, die sich bisher noch als widerstandsfähig erwiesen hatten. Insgesamt dürfte sich 2019 das Wachstum in etwa 60% der Schwellenländer verlangsamt haben. In vielen Volkswirtschaften sei die gedämpfte Wirtschaftstätigkeit durch einen noch immer resistenten Konsum und eine wieder expansivere Geldpolitik etwas abgefedert worden.

    Handelskrieg – ein Verliererspiel

    Der Handelskrieg zwischen den USA und China war im Vorjahr bekanntlich das heißeste Thema für die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte. Wie die Volkswirte von Nordea Research erklären, forderte dieser auch von den Schwellenländern einen hohen Tribut, denn der Konflikt habe die globale Risikostimmung gedrückt und den Welthandel verlangsamt. Nur wenige Schwellenländer hätten letztendlich von einer Handelsumlenkung profitiert.

    Das Exportwachstum sei Ende 2018 in allen wichtigen Regionen deutlich eingebrochen und habe sich im Laufe des Jahres 2019 moderat verringert. Den größten negativen Beitrag hätten die europäischen Exporte geleistet, gefolgt von jenen aus Asien. Letzteres sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass die asiatischen Schwellenländer aufgrund ihrer Integration in die chinesischen Lieferketten dem Handelskrieg besonders ausgesetzt gewesen seien. Der Exporteinbruch in anderen Teilen der Welt sei im Welthandel deutlich weniger spürbar gewesen.

    Zu beachten sind laut der DZ Bank jedoch auch hausgemachte Probleme. Demnach leisten sich viele der großen Schwellenländer noch immer erhebliche Ineffizienzen durch ein Übermaß an fehlgeleiteter Regulierung und einen übermäßig großen Staatssektor. Das koste mittel- und längerfristig wertvolle Wachstumsprozente. Auch politische Widerstände gegen nachhaltige Veränderungen, die einem freieren Spiel der Marktkräfte auf den Inlandsmärkten zum Durchbruch verhelfen könnten, hätten in der jüngeren Vergangenheit in einigen Ländern die Wirtschaftspolitik gelähmt.

    Wachstum dürfte etwas anziehen

    Immerhin: Kurzfristig besteht Hoffnung auf Besserung. Für die Schwellen- und Entwicklungsländer erwartet die Weltbank eine Beschleunigung des Wachstums auf 4,1%; 2021 und 2022 soll daraus dann sogar jeweils ein Plus von 4,4% werden. Ähnlich sieht das auch KfW Research, deren Volkswirte außerdem davon ausgehen, dass die Emerging Markets 2020 wieder einen positiven Beitrag zur Veränderung bei der globalen Wirtschaftsdynamik leisten (siehe Abb.).

    Deswegen ist allerdings noch längst nicht wieder alles rosig. Laut der Weltbank haben sich die Aussichten für die Schwellenländer vielmehr deutlich abgeschwächt. Das Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens dürfte auf Sicht deutlich unter dem langfristigen Durchschnitt bleiben, wodurch Fortschritte bei der Armutsbekämpfung und bei den Entwicklungszielen schwieriger würden.

    Ähnlich zurückhaltend beurteilen die Experten beim Researchhaus Capital Economics die Aussichten: Auch sie setzen für das laufende Jahr zwar auf eine Erholung – mittel- bis langfristig sind sie aber relativ zurückhaltend gestimmt. In einer Studie, in der sie einen Blick bis zum Jahr 2050 wagen, heißt es, das Wachstum in den Schwellenländern dürfte zwar weiterhin jenes der Industrieländer übersteigen, aber nicht in dem Ausmaß, wie es phasenweise in der Vergangenheit gegeben war. Der Reform- und Marktliberalisierungsprozess sei in vielen großen Schwellenländern zum Stillstand gekommen. Außerdem könnten einige der früheren Gewinne aus der Öffnung des internationalen Handels mit dem Ende der Globalisierungswelle verloren gehen.

    Konvergenzprozess stockt

    Zudem vertritt man bei Capital Economics die These, dass das weit verbreitete Aufholwachstum der Emerging Markets in den 2000er-Jahren ein einmaliges Ereignis war. Diese Entwicklung sei durch eine Reihe von Strukturreformen unterstützt worden, die sich nicht wiederholen ließen. Viele andere Researchhäuser gingen davon aus, dass die Schwellenländer die breit angelegte Konvergenz wieder aufnehmen können. Bei Capital Economics glauben die Experten jedoch, dass nur etwas mehr als die Hälfte der Schwellenländer im nächsten Jahrzehnt bei den Einkommen zu den Industrieländern aufschließen kann (der Internationale Währungsfonds sieht die Quote dagegen bei 80% bis 85%). Im Gegensatz zu vielen anderen Beobachtern hält man es übrigens auch für unwahrscheinlich, dass China die USA als größte Volkswirtschaft der Welt bis 2050 überholen kann. Indien (von Platz 13 im Jahr 2005 auf Platz 5 anno 2019) und Indonesien (von Rang 24 auf 16) würden in der globalen Rangliste aber nach oben klettern.

    In Indien sieht Capital Economics einen globalen Outperformer mit einem starken Bevölkerungswachstum, das durch einen Reformkurs ergänzt wird. Die Deglobalisierung dürfte das Wachstum in den anderen asiatischen Schwellenländern langfristig dämpfen, wobei sich Vietnam allerdings als ein Lichtblick erweisen dürfte. China werde sich vom Wachstumsstar zu einem mittelgroßen Schwellenland entwickeln, da die demografische Entwicklung im Reich der Mitte nachteilig sei und der Staat weiterhin Ressourcen falsch einsetze.

    In den europäischen Schwellenländern dürfte Russland laut Capital Economics langfristig aufgrund seines schlechten Geschäftsumfelds die schwächste Performance unter den großen Emerging Markets aufweisen. Auch Lateinamerika werde langfristig wegen der wiederkehrenden Währungskrisen, steigender Temperaturen und der Rückverlagerung der Produktion in die entwickelten Volkswirtschaften unterdurchschnittlich abschneiden.
    Wie es weiter heißt, dürften die meisten Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas Schwierigkeiten haben, sich weg von der Ölförderung zu diversifizieren. Die Einkommen in Subsahara-Afrika würden angesichts schwacher Institutionen und der negativen Auswirkungen des Klimawandels noch weiter zurückfallen.

    Schuldenberg birgt Gefahren

    Als größtes Risiko machen die Volkswirte von Capital Economics die Unternehmensverschuldung aus. Insbesondere macht man sich in dieser Hinsicht um China Sorgen: Inkl. der Unternehmensverschuldung ist die Schuldenquote dort im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt seit 2010 um 72 Prozentpunkte auf 255% gestiegen. Das passt zu einer jüngst von der Weltbank ausgesprochenen Warnung vor einer Schuldenwelle. Seit Ende der letzten Finanzkrise im Jahr 2010 stieg demnach die Schuldenquote der ärmeren Länder um mehr als die Hälfte auf 168% ihrer Wirtschaftsleistung.

    Die Verschuldung der Entwicklungs- und Schwellenländer wachse damit aktuell so schnell wie in den vergangenen 50 Jahren nicht mehr. Im Falle eventuell steigender Zinsen birgt diese Entwicklung natürlich Gefahren – wobei sich zu hohe Schulden aber auch ohne echte Krise als eine Wachstumsbremse erwiesen haben. Der Gefahrenampel von Nordea Research ist ebenfalls zu entnehmen, dass auf Kreditebene Risiken für die Schwellenländer bestehen. Hinzu kommen in einigen Fällen Gefahren in Sachen Inflation sowie vor allem wegen überbewerteter Landeswährungen.

    Soziale Unruhen dürften anhalten

    Wahlen hatten überdies 2018 noch für mehr Störungen gesorgt, während sie 2019 eher konstruktive Ergebnisse hervorbrachten. Als positive Beispiele verweist Franklin Templeton auf die Urnengänge in der Ukraine, Indonesien und Indien. Für 2020 sind, wie es vonseiten des Vermögensverwalters weiter heißt, weniger Wahlen geplant, was für eine gewisse politische Stabilität sorgen dürfte. In manchen Ländern könnten aber vorgezogene Neuwahlen stattfinden, etwa im Libanon oder im Irak.

    Allerdings heißt das noch lange nicht, dass 2020 deswegen weniger geopolitischen Risiken gegenübersteht als das Vorjahr. Die Irankrise sorgte zu Beginn dieses Jahres jedenfalls bereits für erste Schockwellen, und allgemein gilt es, die Spannungen im Persischen Golf als Belastungsfaktor einzukalkulieren. Auch kann der Handelsstreit zwischen den USA und China jederzeit wieder aufflammen.

    Der Vermögensverwalter M&G Investments erinnert in seinem Blog – Bond Vigilantes – außerdem an eine im Vorjahr fast beispiellose Serie von Protesten gegen Korruption, Ungleichheiten und langjährige Regimes. Die Liste der betroffenen Länder umfasst unter anderem Chile, den Libanon, Sudan, Algerien, Irak, Bolivien, Puerto Rico, den Iran, Kolumbien, Argentinien und Hongkong – und eine Fortsetzung dieser sozialen Unruhen speziell in den Schwellenländern erscheint alles andere als ausgeschlossen.

    Fazit

    Zusammenfassend ist laut Ökonom Rütger Teuscher von der DZ Bank festzuhalten, dass das abgelaufene Jahr 2019 für die meisten Schwellenländer nur bedingte Fortschritte gebracht hat sowie die unmittelbaren Konjunkturperspektiven im kommenden Jahr von erheblichen Risiken begleitet werden. Per Saldo dürften sich die Emerging Markets zwar positiv entwickeln, doch das Wachstumstempo bleibt unter den eigentlichen Möglichkeiten. Dem ist durchaus beizupflichten, wobei zum Abschluss aber noch erwähnt sei, dass das Universum der Schwellenländer sehr heterogen ist und jede der dortigen Volkswirtschaften für eine abschließende Beurteilung einer eigenen Analyse bedarf.

    Autor: Jürgen Büttner

    (Dieser Artikel aus der Smart Investor-Ausgabe 02/20 bezieht sich auf Daten, die bis zum 17.01.2020 erfasst wurden.)

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    Verfasst vonNicolas Ebert
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