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     191  0 Kommentare Absage an Corona-Bonds / Kommentar zur Lage bei den Euro-Staatsanleihen von Kai Johannsen

    Frankfurt (ots) - Beim Blick auf den Staatsanleiheprimärmarkt der Eurozone
    drängt sich derzeit nicht unbedingt der Eindruck eines Krisenmodus auf, wie er
    etwa in der Staatsschuldenkrise vorzufinden gewesen ist. Emittenten stehen heute
    nicht mit dem Rücken zur Wand, weil Staatsanleiherenditen emporschnellen,
    Spreads explodieren, Käufer in den Streik treten und das Ende dieses Prozesses
    für jedermann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu prognostizieren
    ist: Verlust des Marktzugangs. Von dieser Situation, in der sich die
    Eurozonenperipherie während der Staatsschuldenkrise oder Banken während der
    Finanzmarktkrise befanden, sind Länder wie Italien und Spanien meilenweit
    entfernt. Das ist in der gerade abgelaufenen Marktwoche eindrucksvoll bewiesen
    worden.

    Italien ging mit zwei Staatsanleihen mit fünf und 30 Jahren Laufzeit an den
    Start. Die Investoren standen geradezu Schlange, um die Anleihe zu ordern. Am
    Ende dürfte so mancher seinen Augen nicht getraut haben. Für die beiden Bonds
    zusammen bekamen die Italiener ein Orderbuch von sage und schreibe mehr als 110
    Mrd. Euro zusammen - das war Rekord. Käuferstreik sieht anders aus. Das
    fünfjährige Papier ging zu einer Rendite von 1,928% an die Investoren. Der
    30-jährige Bond wurde zur Rendite von 3,129% platziert. Ein Marktzugangsverlust
    aufgrund prohibitiv hoher Zinsen bzw. Bondrenditen sieht auch anders aus.

    Einen Tag später wurde Spanien vorstellig. Die zehnjährige Anleihe generierte
    ein geradezu gigantisches Ordervolumen von mehr als 97 Mrd. Euro - für eine
    einzelne Anleihe ist das Rekord. Diesen hatte bislang Belgien im März mit 58
    Mrd. Euro aufgestellt. Das zehnjährige Papier der Spanier bekamen Investoren zur
    Rendite von 1,306%. Sowohl die Italiener als auch die Spanier konnten bei dieser
    Nachfrage aus dem Vollen schöpfen. Italien nahm über beide Anleihen zusammen 16
    Mrd. Euro auf, Spanien mit 15 Mrd. Euro über einen Bond in etwa das gleiche
    Volumen. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass es am Markt nicht etwa
    einen Mangel an Alternativen gab und die unter Anlagedruck stehenden Investoren
    praktisch keine andere Wahl hatten, als die Anleihen von Italien oder Spanien zu
    kaufen. So trat am Dienstag neben Italien auch das am Bondmarkt für seinen
    Seltenheitswert bekannte Großherzogtum Luxemburg mit gleich zwei Anleihen über
    fünf und zehn Jahre Laufzeit auf. Eine sicherere Alternative zu Italien war also
    sehr wohl da.

    In der gleichen Woche berieten die 27 EU-Staats- und Regierungschefs dann
    darüber, wie den durch die Covid-19-Pandemie gebeutelten Ländern bzw.
    Volkswirtschaften zu helfen ist und welche Finanzbeschlüsse dafür zu fassen
    sind. Da ertönte auch wieder der Ruf nach gemeinsamen Anleihen, also der
    gemeinsamen Haftung. Warum nur? Italien und Spanien, die klare Befürworter
    gemeinsamer Corona-Bonds sind, wird das Geld am Markt praktisch nachgeschmissen.
    Warum nehmen sie in dieser Situation nicht einfach 3, 4 oder 6 Mrd. Euro mehr
    auf, wenn es doch problemlos möglich ist? Ein gemeinsamer Corona-Bond würde
    vielleicht im Volumen von 5, 10 oder - schon recht hoch gegriffen - von 15 Mrd.
    Euro kommen, dies würde dann auf mehrere Länder verteilt werden. Mehr als einen
    jeweiligen Anteil von vielleicht 5 Mrd. Euro würde auf Italien oder Spanien aus
    einem sehr großvolumigen gemeinsamen Bond vermutlich ohnehin nicht entfallen.

    Zur Erinnerung: Zinsen im Sinne von Anleiherenditen des Bundes im zehnjährigen
    Laufzeitenbereich von mehr als 1% zahlte der Bund zuletzt im Juli 2014, also zu
    einer Zeit, als die Staatsschuldenkrise noch ihre Nachwirkungen zeigte.
    Zehnjährige Bundrenditen von mehr als 2% zahlte der Bund zuletzt im November
    2011, also während der Staatsschuldenkrise. Italien liegt jetzt bei zehnjährigen
    Bondrenditen von 2%, d. h. auf dem Niveau des Bundes während der
    Staatsschuldenkrise. Spanien liegt auf dem Niveau des Bundes zu Zeiten der
    Nachwirkungen derselben Krise. Auch in der Staatsschuldenkrise wurde auf die
    Bundrenditen verwiesen, und angesichts dieser Konditionen ertönte der Ruf nach
    gemeinsamen Bonds. Die Renditen galten damals nicht als prohibitiv hoch und sind
    heute für Spanien bzw. Italien Realität.

    Geschlossene Grenzen und die Rückbesinnung auf die eigene Nation gelten der
    Politik in Europa nicht als unsolidarisch. Geschlossene Portemonnaies
    offenkundig schon, wird bei der gemeinsamen Haftung doch gern auf diese
    Solidarität gepocht. Umso unverständlicher wird die Forderung angesichts der
    Tatsache, dass sich die Länder quasi im Handumdrehen zu historisch günstigen
    Konditionen selbst mit Kapital versorgen können. Da kann es nur heißen: Nein zu
    Corona-Bonds!

    (Börsen-Zeitung, 25.04.2020)

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    Telefon: 069--2732-0
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    OTS: Börsen-Zeitung



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