Sensations-Urteil: Immobilie verkaufen ohne Vorfälligkeitsentschädigung
Ein spektakuläres Urteil des OLG Frankfurt dürfte es vielen Immobilienbesitzern ermöglichen, beim Verkauf einer Wohnung oder eines Hauses die Vorfälligkeitsentschädigung zu sparen. Hier erfahren Sie, wie Sie vorgehen müssen.
Viele Immobilienbesitzer denken angesichts der gestiegenen Preise über den Verkauf ihres Hauses oder ihrer Wohnung nach. Doch das böse Erwachen kommt oft, wenn die Bank ihnen mitteilt, wieviel sie für die vorzeitige Beendigung der Baufinanzierung bezahlen müssen. Denn durch die gesunkenen Zinsen sind die Vorfälligkeitsentschädigungen auf Rekordstände gestiegen.
Was viele nicht wissen: In etlichen Fällen können sich die Kunden die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung ganz sparen oder diese von der Bank zurückfordern, wenn sie bereits bezahlt haben. Das geht immer dann, wenn die Bank in den Vertragsunterlagen fehlerhaft über die Art und Weise informiert hat, wie die Vorfälligkeitszinsen berechnet werden.
Das zeigt ein neues Urteil des OLG Frankfurt (Az. 17 U 810/19). Das Gericht verurteilte die Commerzbank zur Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von mehr als 21.000 Euro. Grund: Die im Vertrag enthaltenen Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung genügen nicht den gesetzlichen Anforderungen. Und dieses Urteil dürfte kein Einzelfall bleiben.
Die Interessengemeinschaft Widerruf hat untersucht, bei welchen Banken Fehler in den Kreditverträgen zu finden sind. Ergebnis unserer Stichprobe: Mit Ausnahme der Unicredit/Hypovereinsbank hat keine Bank fehlerfrei gearbeitet. Sowohl bei Sparkassen, Volksbanken, als auch bei ING Diba, DSL Bank, Sparda, Deutsche Bank und Commerzbank finden sich kleinere und größere Fehler. Diese können dazu führen, dass Verbraucher ein Darlehen ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung beenden dürfen.
Dies klappt allerdings nur bei Baufinanzierungen, die ab März 2016 abgeschlossen worden sind. Hintergrund ist, dass diese Regelung vom Gesetzgeber erst zu diesem Zeitpunkt eingeführt wurde und nicht rückwirkend gilt. Bei früheren Darlehen kann der Kunde jedoch prüfen lassen, ob der Widerrufsjoker greift, der bei fehlerhaften Informationen über das Widerrufsrecht ebenfalls eine vorzeitige Beendigung einer Baufinanzierung ermöglicht.
Der neue Vorfälligkeitsjoker kann auch helfen, eine bereits gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurückzufordern. Die Zahlung sollte allerdings nicht mehr als drei Jahre zurückliegen, sonst wäre der Fall verjährt. Auch wenn die Immobilie nicht verkauft wird, kann eine Strafzahlung vermieden werden, beispielsweise bei einer sogenannten Nichtabnahmeentschädigung. Diese wird dann fällig, wenn ein vereinbartes Darlehen gar nicht ausgezahlt wird, z.B., weil sich der Kauf oder Bau einer Immobilie zerschlagen hat. Hier gelten die gleichen Regeln wie bei einer Vorfälligkeitsentschädigung.
Allerdings führt kein Weg an einer individuellen Prüfung des Kreditvertrags durch einen Experten vorbei. Die IG Widerruf bietet eine solche Prüfung kostenlos und unverbindlich an. Wir rechnen damit, dass die Banken sich zunächst stur stellen, wenn der Kunde sie mit den Vertragsfehlern konfrontiert. Denn es geht um viel Geld. Erst mit Hilfe eines Anwalts und möglicherweise auch eines Rechtsstreits dürften hier Erfolge zu erzielen sein.