checkAd

    Einzelhandel  332  0 Kommentare
    Anzeige
    Streit um Gewerbemieten während Corona-Lockdown – Gesetzesnovelle könnte Mietminderungen rechtfertigen

    Miete halbieren für Gewerberäume in Corona-Zeiten?

    Der Ausgangspunkt: Gewerbemieter fordern Mietminderung in Corona-Zeiten

     

     

    Der Lockdown zwingt viele Einzelhändler derzeit finanziell in die Knie. Da der Vor-Ort-Verkauf bundesweit eingeschränkt ist, bleibt für viele Händler ein Großteil des üblichen Umsatzes aus. Trotzdem bleiben sie auf denselben Fixkosten hängen. Sie fordern daher Mietminderungen und ein Umlegen der Verluste auf beide Vertragsparteien: Mieter und Vermieter.

    Die Debatte findet nun auch vor dem Bundesgerichtshof (BGH) statt. Denn es soll endlich mehr Klarheit in diesen Fällen geben. Bisher schien nämlich auch unter Richtern Uneinigkeit zu herrschen. So haben in der Vergangenheit zum Beispiel das Oberlandesgericht Dresden und das OLG Karlsruhe grundlegend verschiedene Urteile gefällt. Für weitere Informationen klicken Sie hier.

     

     

    Die bisherigen Urteile: Streit um Gewerbemieten scheint Richter zu spalten

     

     

    In beiden Fällen ging es um das jeweilige Mietverhältnis des Textilgeschäfts „KiK“. So hieß es einerseits, da der coronabedingte Lockdown für niemanden absehbar gewesen ist, dadurch jedoch immense Schäden und Verluste für das Geschäft entstehen, solle der Verlust fairerweise auf Mieter und Vermieter aufgeteilt werden – zum Beispiel durch die Halbierung der Monatsmiete.

    So lautete die Begründung des OLG Dresden, das sich für die Seite der Mieterin im Fall der Textilhandelskette entschied. Im Rahmen der derzeitigen Corona-Situation komme die angeordnete Geschäftsschließung einer sogenannten Störung der Geschäftsgrundlage gemäß §313 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gleich. Dies bedeutet konkret: Wenn sich Umstände, die zur Grundlage eines Vertrages geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend ändern, dies aber für niemanden absehbar war, können die Parteien Vertragsänderungen vornehmen. Im Falle „KiK“ rechtfertigt die aktuelle Corona-Situation also die Forderung nach Mietminderung.

    Das OLG Karlsruhe entscheidet in einem ähnlichen Fall jedoch in gegensätzlicher Richtung. Wieder handelt es sich um ein Mietverhältnis der Textilkette „KiK“, diesmal fällt das Urteil aber zugunsten des Vermieters aus. Die Begründung an dieser Stelle: die Verkaufsräume können trotz Lockdown weiterhin als Lagerräume genutzt werden und auch der Online-Handel sei weiterhin möglich. Es liege, laut OLG Karlsruhe, dementsprechend keine schwerwiegende Veränderung der Mietvertragsgrundlage vor. Schließlich könne der Textilhändler den Rückgang der Umsätze zum Teil durch den Online-Handel kompensieren und auch durch öffentliche Gelder würde der wirtschaftlichen Schaden abfangen. Eine Mietminderung sei dementsprechend nicht zu rechtfertigen, besagt das Urteil.

     

     

    Die Gesetzesnovelle: Änderung soll mehr Klarheit im Streitfall schaffen

     

     

    Der Gesetzgeber strebt nun einheitlichere Verfahrensweisen innerhalb dieser Debatte an. So hat der Bundestag am 17. Dezember 2020 das „Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht“ verabschiedet. Am 31. Dezember 2020 ist es in Kraft getreten.

    Durch die Gesetzesnovelle wird dem Artikel 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) ein neuer §7 angefügt. Dieser beinhaltet die Möglichkeit der Vertragsanpassung nach schwerwiegenden Veränderungen von Umständen, angelehnt an §313 BGB. Eine wichtige Rolle für die Gesetzesnovelle spielt die in §313 BGB enthaltene Störung der Geschäftsgrundlage.

     

     

    §313 BGB: Die „Störung der Geschäftsgrundlage“

     

     

    §313 BGB ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Vertragsanpassungen. Ereignet sich nach Vertragsabschluss eine Störung der Geschäftsgrundlage – anders gesagt: ändern sich nach Vertragsabschluss Umstände schwerwiegend, die zur Grundlage der Vertragsbedingungen geworden sind – ohne dass dies vorhersehbar gewesen wäre, so kann unter bestimmten Umständen eine Anpassung des Vertrags gefordert werden.

    §313 BGB besteht dabei aus drei Elementen: das reale, das hypothetische und das normative Element. Das reale Element bezieht sich auf die nachträgliche Änderung der Umstände. Wenn also wesentliche Umstände, die zur Geschäftsgrundlage des Vertrages geworden sind, sich als falsch herausstellen oder sich nachträglich verändern, lässt sich das reale Element der Störung der Geschäftsgrundlage begründen. Das hypothetische Element bewertet die Schwere der Veränderung. So ist die Veränderung der Umstände dann schwerwiegend, wenn die Vertragsparteien den Vertrag gar nicht oder in anderer Form geschlossen hätten, wenn sie von den Veränderungen der Umstände gewusst hätten. Das normative Element beschreibt die Risikoverteilung. Diese ist stets vom Einzelfall abhängig. Generell bedeutet es, dass die Umstände nicht aus dem Handlungsspielraum der Vertragspartei herrühren dürfen, die sich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage beruft.

     

     

    Artikel 240 §7 EGBGB: Der Bezug zum Corona-Lockdown

     

     

    Während §313 BGB generell auf Verträge anwendbar ist und darin "schwerwiegende Umstände" kaum genauer definiert werden, liefert der neue §7 in Artikel 240 EGBGB in Bezug auf §313 BGB eine konkretere Definition für diese Formulierung und nimmt außerdem Bezug auf die aktuelle Corona-Situation. Der Gesetzestext legt fest: Wenn vermietete Gewerbegrundstücke infolge staatlicher Maßnahmen zur Einschränkung der Coronapandemie nicht oder nur mit erheblichen Einschränkungen nutzbar sind, kann begründet werden, dass es sich um eine schwerwiegende Veränderung der Umstände und um eine Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne von §313 Abs. 1 BGB handelt. So könne von Seiten der Mieter Anspruch auf eine Vertragsanpassung, zum Beispiel in Form von Mietminderungen bestehen.

    Zwar wird es weiterhin Einzelfallentscheidungen geben müssen, doch deutet vieles darauf hin, dass auf Grundlage des neuen §7 in Art. 240 EGBGB für viele Gewerbemietende Anspruch auf Mietminderung besteht. Fraglich bleibt jedoch, inwiefern dann Vermieter in finanzielle Schieflage geraten könnten und welche Möglichkeiten für sie besteht.

     

     

    Wenn Sie von dieser Debatte betroffen sind, wenden Sie sich gerne an uns!

     

     

    Der BGH verhandelt schon bald über die beiden zu Anfangs genannten Fälle der Textilhandelskette „KiK“. Je nachdem, für welche Seite das Urteil ausfällt, könnte dies große Auswirkungen auf schier unzählige weitere Mietverhältnisse haben. Wenn Sie selbst von dieser Debatte betroffen sind, wenden Sie sich gerne an uns! Ob Mieter oder Vermieter – wir beraten Sie gerne und verschaffen Ihnen eine Einschätzung über Ihre individuelle Situation! Bei weiteren Fragen zu diesem Thema, wenden Sie sich an die Kanzlei Mingers. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH! Erreichen können Sie uns unter der Telefonnummer 02461/ 8081 oder dem Kontaktformular auf unserer Website. Weitere Rechtsnews finden Sie in unserem Blog oder YouTube-Channel.

    Markus Mingers
    0 Follower
    Autor folgen
    Mehr anzeigen
    Markus Mingers ist Rechtsanwalt für Verbraucherrecht, sowie Arbeitsrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht. Seit mehr als 20 Jahren ist er als Anwalt tätig. Als Inhaber von Mingers. Rechtsanwaltsgesellschaft erzielt er mit seinem Team bisher unbekannte Gewinne für Verbraucher. Er ist Experte im Bereich Rückabwicklung Lebensversicherung, Widerruf Autokredit und Verbraucherdarlehen sowie im VW Abgasskandal. Bekannt ist Markus Mingers vor allem durch seine Auftritte bei n-tv oder RTL sowie als Experte von FOCUS Online, hier ist sein Rat im Verbraucherrecht zu aktuellen Themen gefragt.
    Mehr anzeigen

    Weitere Artikel des Autors


    Verfasst von Markus Mingers
    Einzelhandel Streit um Gewerbemieten während Corona-Lockdown – Gesetzesnovelle könnte Mietminderungen rechtfertigen Der Lockdown schränkt für viele Gewerbetreibende bundesweit den Verkauf immens ein. Weniger Umsätze bei trotzdem gleichbleibend hohen Mietkosten – in vielen Fällen bedeutet das ein Zuspitzen der finanziellen Notlage. Einzelhändler verlangen daher Mietminderungen, Vermieter sehen das jedoch nicht ein. Und auch vor Gericht sind bisher oftmals gegenteilige Entscheidungen gefallen. Eine Gesetzesnovelle soll daher nun mehr Klarheit schaffen.