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    Interviews  284  0 Kommentare Ulrich Kaffarnik (DJE Kapital AG): Die Inflation zieht an – was Anleger jetzt wissen müssen

    Seit der Finanzkrise halten die Zentralbanken die Zinsen niedrig, um die Inflation zu stimulieren. Mit mäßigem Erfolg – bis jetzt.

    08.03.2021 - Seit der Finanzkrise halten die Zentralbanken die Zinsen niedrig, um die Inflation zu stimulieren. Mit mäßigem Erfolg – bis jetzt. Nun werden Nahrungsmittel, Energie und Rohstoffe teurer, die Inflation steigt. Was das für die Zinsen und den Aktienmarkt bedeutet, darüber spricht der Kapitalmarktexperte Dr. Ulrich Kaffarnik von DJE im Interview.

    Die Rohstoffpreise haben über die komplette Bandbreite deutlich angezogen, z.B. die Preise für Weizen oder Mais, der Ölpreis oder auch die Preise für Edelmetalle wie z.B. Palladium oder Kupfer. Manche Experten sprechen sogar schon von einem neuen Superzyklus.

    Wie schätzen Sie die aktuelle Entwicklung ein?

    Die Preissteigerungen haben inzwischen die verschiedensten Sektoren erreicht. Bislang hatte man sich daran gewöhnt, dass die Preise für Anleihen, Aktien und für Immobilien steigen. Jetzt scheint das auch auf andere Segmente abzufärben. Interessant ist aber, dass der Ölpreis für die Inflation bisher noch keine Rolle spielt. So stieg die Inflationsrate im Januar in Deutschland um 1% im Vergleich zum Vorjahr, als das Covid-19-Virus noch kaum einen Einfluss hatte. Dabei wirkten sich die Energiepreise sogar noch inflationsermäßigend aus. Das wird drehen. Wir sehen ab dem zweiten Quartal einen Aufwärtstrend der Inflation über verschiedene Komponenten hinweg und rechnen damit, dass sich dieser im Jahresverlauf fortsetzt. Denn der Ölpreis war ja im Zuge der weltweiten Lockdown-Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus, gerade im April und Mai 2020, sehr niedrig. Der jetzt deutlich höhere Ölpreis wird auf die Inflationsrate durchschlagen. Wir sollten uns auf einen Inflationsanstieg von deutlich über 2 Prozent in der Eurozone einstellen. In den USA wird die Inflationsrate wahrscheinlich nahe 3% liegen.

    Diese niedrigen, ja kurzzeitig sogar negativen Ölpreise, wie ist es eigentlich dazu gekommen?

    Das Corona-Virus löste vor ziemlich genau einem Jahr einen Konjunktureinbruch und einen Schock an den Aktienmärkten aus. Auch die Rohstoffpreise und besonders die Ölpreise sind aufgrund der sehr unsicheren Nachfrage stark gefallen. Für die US-amerikanische Ölsorte WTI ging das mangels Nachfrage und angesichts voller Lager sogar so- weit, dass man bei Erfüllung einer Long-Position im Öl-Future mit Aprilverfall der Gegenpartei noch Geld dazugeben musste, damit das Öl abgenommen wurde. Das war eine historisch einmalige Situation, und aus dieser Zeit kommt dieses niedrige Preisniveau. Diese Verzerrung am Ölmarkt wurde dann aber innerhalb von wenigen Tagen wieder korrigiert. Aber die Ausgangssituation war ein Preis von rund 20 US-Dollar pro Barrel Öl. Aktuell liegen wir bei einem dreifach so hohen Preisniveau.

    Wie sieht das perspektivisch aus?

    Wenn wir uns in einem Jahr über das gleiche Thema unterhalten, dann hätten wir beim Ölpreis die heutige Ausgangsbasis von ca. 60 USD. Wenn der Ölpreis in einem Jahr bei 50 USD steht, würde er die Inflationsrate  negativ beeinflussen. Darum ist der Basiswert so wichtig, und der war vor einem Jahr eben sehr tief.

    Klassisch gelten Anleihezinsen als Indikator für eine anziehende Inflationserwartung. Die Renditen, zumindest am langen Laufzeiten-Ende, haben bereits angezogen. Wie interpretieren Sie dieses „Frühwarnsystem“? Ist das eine temporäre Erscheinung oder zeichnet sich hier ein Trend ab?

    Es gibt einen Zusammenhang zwischen Zinsen und Inflation: Wenn die  Inflationserwartungen steigen, versuchen die Investoren die Faktoren, die in den nächsten Monaten passieren könnten, vorwegzunehmen, also einzupreisen. Zurzeit sind es weiter steigende Preise für Nahrung, Öl und Industriemetalle. Aktuell sehen wir einen starken Anstieg der Inflationserwartungen, in den USA liegen diese schon bei fast 2,5%. Verglichen dazu ist der Anstieg der Zinsen noch moderat. Übertragen auf die Erwartungshaltung der Marktteilnehmer heißt das meines Erachtens, dass die sie davon ausgehen, dass der starke Inflationsanstieg eine vorübergehende Situation darstellt. Ob das nun ein paar Monate oder ein Jahr ist, ist offen.

    Die Notenbanken der USA und der EU haben ihre Inflationsziele eigentlich schon korrigiert. Wie lange dürften denn die Fed und die EZB eine Inflation von über 2% aushalten?

    Das ist ein spannendes Thema. Die Zentralbanken dies- und jenseits des Atlantiks versuchen ja schon seit langer Zeit die Inflationsrate zu stimulieren. Das ist ihnen bisher nicht geglückt. Im Gegenteil, wir haben Jahre hinter uns, in denen die Inflationsraten zum Teil deutlich unter 2% waren. Aber jetzt kommen schon einige inflationstreibende Faktoren zusammen. Im Frühjahr letzten Jahres, als die Kurse und auch die Konjunktur so stark eingebrochen waren, handelten die Zentralbanken schnell, auch aus der Furcht vor einer systemischen Krise. Daher resultieren die beruhigenden Aussagen der amerikanischen Notenbank (FED), man wolle die Leitzinsen vor 2023 nicht erhöhen. Aus meiner Sicht nicht besonders clever, weil keiner wissen kann, wie sich die Realwirtschaft oder die Inflationsraten in den nächsten zwei, drei Jahren entwickeln werden – auch die Notenbanken nicht.

    Was meinen Sie, werden die Zentralbanken weiter bei ihrer expansiven Haltung bleiben? Fürs erste zumindest?

    Aktuell sieht es nach einer recht deutlichen Konjunkturerholung aus. Der Nachholbedarf beim Konsum ist groß, die Sparquoten sind durch die Krisenmaßnahmen der Regierungen (Kurzarbeitergeld in Europa bzw. Schecks an die Arbeitnehmer in den USA) stark nach oben gegangen. In der Spitze hat die Sparquote in den USA die 30-%-Marke überschritten, ein historisches Novum. Und auch in Deutschland lag die sie bei über 20%. Die aufgestaute Nachfrage dürfte nach einem Ende des Lockdowns als preistreibender Faktor hinzukommen. Die Notenbanken werden sich dann die Frage stellen müssen, ob der Inflationsanstieg dauerhaft oder vorübergehend ist Allerdings dürfte es nicht so schnell eine Diskussion über eine Erhöhung der Leitzinsen geben, da die FED bereits im Herbst 2020 gesagt, eine Inflationsrate von mehr als 2% für einen gewissen Zeitraum zu tolerieren, wenn sie lange Zeit darunter gewesen sind. Damit hat sie sich Zeit verschafft. Aber keine Frage, je länger der Inflationsanstieg dauert, desto stärker wird der Druck auf die Notenbanken. Für die Aktienmärkte würde das einen gewissen Liquiditätsentzug bedeuten, und das wäre natürlich nicht wünschenswert. Aber bevor man überhaupt an Zinserhöhungen denken kann, müsste sich erst einmal die Kommunikation von Fed und EZB ändern.

    Könnten sich die inflationären auch in deflationäre Szenarien wie in Japan verwandeln?

    Diese Gefahr ist momentan sehr gering. Wir werden eine relativ starke Konjunkturerholung sehen, es sei denn es kommt jetzt noch ein richtiger Rückschlag bei den Covid-Zahlen, zum Beispiel mangels Impfstoff oder Impfbereitschaft. Aber von einer Deflation japanischen Ausmaßes sind wir weit entfernt. In den letzten Jahren gab es in Europa und den USA überwiegend einen Zustand der Desinflation. Das heißt, die Inflationsraten sind positiv, also die Preise steigen nach wie vor, aber die Veränderungsrate ist rückläufig. 

    Ob ein hohes Zinsniveau gut oder schlecht für die Wirtschaft ist, wird ja unter Volkswirten häufig kontrovers diskutiert. Wie ist Ihre Sicht?

    Je geringer die Zinsen, umso geringer der Zinsaufwand für die Unternehmen – das wirkt sich isoliert betrachtet erst einmal positiv auf die Gewinne aus. Für die Finanzmärkte sind niedrige oder sinkende Zinsen auch ganz gut, denn je niedriger die Zinsen, umso höher ist der Bewertungsfaktor für Aktien. Anderseits ist es aber gesund, wenn die Zinsen steigen. Dies ist Zeichen dafür, dass sich die Konjunktur erholt und die Unternehmen Spielräume haben höhere Preise an die Kunden weiterzugeben. Ergänzend sei noch erwähnt, dass die Aktienkurse historisch betrachtet in Phasen steigender Zinsen wesentlich besser laufen als in Phasen stark fallender Zinsen.

    Ab welchem Zinsniveau könnte es für das Wirtschaftswachstum ungesund werden?

    Ich kann mir vorstellen, dass die Zinsen von heute um 100 Basispunkte steigen können, bevor es eine negative konjunkturelle Rückkoppelung gibt. Kritischer ist, wie sich dies an den Aktienmärkten auswirkt. Insbesondere wenn die Zinsen schnell nach oben gehen, beeinflusst dies, wie bereits erwähnt, den Bewertungsfaktor für Dividendentitel. In diesem Fall allerdings nach unten.

    Wie hoch müssten die Zinsen steigen, um Aktien als Anlegers Liebling abzulösen?

    Am Beispiel von 10-jährigen US-Staatsanleihen würde ich sagen, dass sich Anleger ab einer Rendite von vielleicht 2% Gedanken machen würden, ob sie Aktien abbauen und wieder in Rentenanlagen zurückgehen sollten. Aktuell liegt die Rendite der US-Treasuries aber erst bei rund 1,4%.

    In letzter Zeit geistert immer wieder das Phänomen der Zombie-Unternehmen durch die Medien, die sich nur noch aufgrund des niedrigen Zinsniveaus finanzieren können. Sehen Sie denn eine bevorstehende Pleitewelle?

    Das ist in der Tat gegeben. In Deutschland haben wir zum Beispiel einen sehr starken Rückgang der Insolvenz-Anmeldungen trotz Corona-Krise, was mit den staatlichen Hilfen zu tun hat. Aber faktisch ist es schon so, dass ein Unternehmen unter Umständen nur noch deswegen auf dem Markt ist, weil der Kreditzinssatz sehr niedrig ist. Daher gibt es auch hierzulande sogenannten Zombie-Unternehmen. In Japan sind sie bereits seit langer Zeit ein Thema. Allerdings schätze ich den Begriff „Zombie-Unternehmen“ nicht, da hier häufig auch Unternehmen mit einbezogen werden, die zwar relativ ertragsschwach sind und niedrige Eigenkapital-quoten aufweisen, aber existentiell nicht bedroht sind.

    Wie begegnet DJE dieser Herausforderung? Was tun Sie, damit diese Unternehmen gar nicht erst ins Portfolio kommen?

    Wir haben einen sehr aufwendigen und über die Jahre hinweg immer weiter verfeinerten Analyse-Prozess nach ganz verschiedenen Komponenten, unter anderem mit eingehender Bilanz- und Ertragsanalyse und regelmäßigem Dialog mit den Entscheidungsträgern der jeweiligen Firmen. Wir setzen uns für alle Investments Mindestvorgaben hinsichtlich Qualität, Eigenkapitalrendite und anderen Kennziffern. Ich kann mir daher beim besten Willen nicht vorstellen, dass wir in Zombie-Unternehmen investieren.


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