Gierflation?
So wälzt die EZB-Chefin Christine Lagarde die Verantwortung ab
Erstaunlich, wie geschickt Politiker sich regelmäßig ihrer Verantwortung entziehen und anderen die Schuld für eigenes Versagen in die Schuhe schieben. Die Notenbankpolitik macht da keine Ausnahme. Jüngstes Beispiel: die von EZB-Chefin Christine Lagarde verbreitete Mär von der „Gierflation“. Demnach sei nicht die EZB schuld an der Inflation, sondern gierige Unternehmen. Die hätten ihre Preise weit stärker erhöht als angemessen und seien somit verantwortlich für die allgemeine Preissteigerung. Was Lagarde nicht erwähnt: Nicht nur Unternehmen erhöhen die Preise, auch Arbeitnehmer setzen sich mit teils deutlich zweistelligen Lohnsteigerungen durch. Das erhöht die Preise für Dienstleistungen wie bspw. den Friseurbesuch. Und eben auch die Lohnkosten für Unternehmen, die diese dann bei ihren Preisen aufschlagen müssen. Wenn Lagardes Mär von der „Gierflation“ stimmt, sind es also nicht nur gierige Unternehmen, die das Preisniveau treiben, sondern mehr noch gierige Arbeitnehmer. Natürlich ist das Quatsch! Alle Teilnehmer im Wirtschaftsverkehr versuchen naturgemäß, das Beste für sich herauszuholen. Grenzen werden ihnen dabei in einem freien Markt durch den Wettbewerb gesetzt: Wer zu viel Lohn fordert, findet keinen Job – wer zu hohe Preise verlangt, findet keine Kunden. Nichts Neues, sondern seit Grundprinzip der Marktwirtschaft. Das sollte auch der EZB bekannt sein. Was der EZB hingegen unbekannt ist und folglich auch nicht von ihr beurteilt werden kann, ist, welche Preise oder Löhne „angemessen“ sind. Das entscheidet allein der Markt durch Angebot und Nachfrage. Wer aber, wenn nicht gierige Firmen und Arbeitnehmer, hat dann schuld an der Inflation? Antwort: die EZB selbst. Sie ist es, die offiziell das Mandat zur Erhaltung der Stabilität unseres Geldes innehat. Dafür ist ihr die Macht über Zins und Geldmenge verliehen. Doch dieser Verantwortung ist die Notenbank lange nicht gerecht geworden. Vielmehr hat sie sich seit Jahren von der Politik korrumpieren lassen: Hier ein paar Milliarden aus der Gelddruckmaschine für die Bankenrettung in der Finanzkrise 2009, dort ein paar hundert Milliarden für die Euro-Rettung, zuletzt Billionen für die Kollateralschäden der Corona-Lockdowns, die Rettung des Klimas und den Kampf gegen Putin. In Summe hat die EZB die Geldmenge M3 in Deutschland seit 2009 rund verdoppelt. Im gleichen Zeitraum ist der Wert aller hierzulande produzierten Waren und Dienstleistungen gerade mal um rund 20% gestiegen. Wenn man allerdings die Geldmenge verdoppelt, während die Menge der dafür eintauschbaren Waren und Dienstleistungen nur um 20% steigt, ist das Ergebnis zwingend: der Wert des Geldes erodiert, die Preise für Güter und Dienstleistungen steigen. Die Inflation ist damit nicht die Folge der von der EZB erfundenen „Gierflation“, sondern das Ergebnis ihrer eigenen über viele Jahre praktizierten verantwortungslosen Ausweitung der Geldmenge. Wohlstand kommt nicht aus der Notenpresse. Er muss in Form von Waren und Dienstleistungen produziert bzw. erarbeitet werden. Makaber, dass EZB-Chefin Lagarde ausgerechnet diejenigen, die diese Leistung erbringen, als gierig bezeichnet und für das eigene Versagen in Sachen Inflation verantwortlich macht. Verlierer der EZB-Politik sind allen voran die Sparer. Deren Vermögen wird durch die Inflation entwertet. Schutz bietet ausgerechnet die Investition in „gierige“ Unternehmen, sprich Aktien. Diese erhöhen ihre Preise wegen der Inflation. Das steigert Umsätze, Gewinne und folglich langfristig Unternehmenswerte.