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     1876  0 Kommentare Ist dieses Mal alles anders?

    Lenders go kaput – Kindergarten war gestern

    Was für merkwürdige Wochenenden. Dieses und das letzte. Erst gehen die Aktienmärkte in die Knie als gäbe es kein Halten mehr. Doch dann geht es stetig wieder herauf. Ist das Schlimmste damit überstanden?

    Ich denke, die jetzige Situation hat gar nicht viel mit den Aktienmärkten zu tun.

    Zwei Dinge halte ich für entscheidender. Entscheiden wird sich die Zukunft der Märkte aus meiner Sicht an den Devisen- und an den Kreditmärkten.

    (1) Parallel zum Abtauchen der Aktienmärkte kletterte der japanische Yen in die Höhe. Das deutet darauf hin, dass die ersten Carry-Trader nervös wurden, ihre Yen-Kredite zurückführten und spiegelbildlich dazu Aktien und Kreditpapiere verkauften.

    In der vorletzten Woche ist der Yen bis zum Freitag gegen den Euro gestiegen von knapp 160 auf nur noch 154 je Euro. Am Samstag morgen hingegen wiesen die Kurstableaus im Internet plötzlich 160 Yen/Euro aus. Ein Anstieg um fast 4 Prozent über Nacht? Nein, es war nur ein Tippfehler. Aber ein komischer Tippfehler.

    Bis zu diesem Wochenende ist der Yen wieder – parallel zum Anstieg der Akteinkurse – gefallen. Und überall liest man: “The carry trade certainly is alive and well.” Es scheint sich ein Markt-Kartell gebildet zu haben, das die Fäden fest in der Hand hält. Auf Güter- und Produktmärkten würde jetzt sofort die Wettbewerbsbehörde einschreiten. Doch in den Finanzmärkten ist alles erlaubt. Und es ist ja im Grunde genommen auch gut so, schließlich ist es doch viel besser, reich zu werden als arm, denken sich alle Beteiligten. Und was will man dagegen schon einwenden?

    (2) Der Spread zwischen guten und schlechten Schulden befand sich bis vor kurzem auf einem Alltime Low. Die Absicherungskosten von Kreditrisiken ebenso. Noch niemals in der Geschichte wurden so viele Risiken zu so niedrigen Preisen übernommen. Im US-Hypothekenmarkt beginnt sich das Ganze jetzt zu drehen: Die Indices für Junk-Bonds und Junk-Mortgages fallen wie die Steine. Die gesamte Risikoallokation dreht sich damit um. Wie so etwas bei Finanzlehrlingen aussieht, haben wir am Zertifikatemarkt in Deutschland erlebt. Was sich hier abspielen könnte, wenn die Märkte wirklich einmal krachen, möchte ich mir lieber nicht ausmalen.

    Doch entscheidend sind hier die USA. „36 lenders have now gone kaput”, lese ich eine wunderbare Schlagzeile über den kranken Hypothekenmarkt dort. Dass das Wort „Kindergarten“ von den Amerikanern adoptiert wurde, wusste ich bereits – und das fand ich auch immer eine wunderbare Metapher. Aber „to go kaput“ schlägt das noch um Längen. Und ist vielleicht auch ein bisschen aktueller. Kindergarten, das war gestern.


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
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