Wöchentlicher Devisenkommentar
Fortgesetztes Ringen um Griechenland belastet den Euro
Wie nervös Griechenland die Währungsmärkte wirklich macht, zeigen die vergangenen beiden Tage. Als am Dienstag Gerüchte in den Medien aufkamen, weitere 60 Mrd. Euro Kredite aus dem Hilfsfonds würden für Griechenland vorbereitet, drückte das die Rendite für zehnjährige griechische Staatsanleihen auf gut 15, die für zweijährige auf gut 23 Prozent. Gleichzeitig gewann der Euro an Wert und wurde wieder für rund 1,44 US-Dollar gehandelt.
Nur einen Tag später dominierten Demonstrationen gegen den griechischen Sparkurs die Medien - prompt stürzte der Euro auf 1,42 US-Dollar ab und die Renditen für griechische Staatsanleihen erhöhten
sich auf 15,5 bzw. 25,2 Prozent. Zur Erinnerung: Der Höchststand bei den zweijährigen Papieren betrug vor kurzem mehr als 29 Prozent.
Seit Dienstag bewerten der Internationaler Währungsfonds (IWF), die Europäische Zentralbank (EZB) und die EU-Kommission turnusmäßig den aktuellen Stand Griechenlands beim Schuldenabbau. Frühestens
am Ende dieser Beratungen ist ein offizielles Statement zu erwarten, ob das Rettungspaket für die Griechen noch einmal ausgeweitet wird. "Die Märkte reagieren zurzeit eher auf Schreckensszenarien
in der Presse als auf tatsächlich belastbare Entscheidungen der EU-Organe", kommentiert Torsten Gellert, Managing Director FXCM, die aktuelle Situation. "Sobald eine tatsächliche Entscheidung
kommt, dürfte sie die Märkte eher beruhigen, sollte sie nicht völlig unerwartet ausfallen." Trotz des zuletzt schwachen Euro sieht der Experte die europäische Leitwährung noch nicht substanziell
unter Druck: "Auch wenn die Marke von 1,50 Dollar erst einmal in weite Ferne gerückt ist, wird der Euro sich mittelfristig eher wieder dorthin orientieren als in Richtung von 1,30 Dollar.
Voraussetzung ist natürlich, dass keine unerwarteten Belastungsszenarien eintreten."
Zumindest in nächster Zeit sind solche Szenarien aber Seitens der europäischen Entscheidungsträger nicht zu erwarten. Der politische Wille, Griechenland erneut zu helfen, ist unverkennbar
vorhanden. Allerdings gibt es Zweifel, dass der richtige Kurs eingeschlagen wurde. Die Annahme, von der der IWF und die EU-Verantwortlichen beim ersten Rettungspaket für Griechenland ausgegangen
waren, war, dass trotz der Sparmaßnahmen und der Steuererhöhungen die griechische Wirtschaft jährlich um drei Prozent wachsen würde. Erst dann könnte durch substanziell höhere Steuereinnahmen das
Schuldenproblem beherrschbar werden. Dem griechischen Finanzminister ist nicht vorzuwerfen, dass er sich nicht an die Abmachungen gehalten hätte.
Allerdings führen die Einschnitte zu einer schweren Rezession; die Wirtschaft wird dieses Jahr um drei bis vier Prozent schrumpfen. Die Aussicht für 2012 ist nicht besser. Zu erwarten ist, dass die
Auflagen für ein mögliches zweites Rettungspaket tendenziell noch härter sein werden - mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung. Es stellt sich also die Frage, ob das
Schuldenproblem mit den bekannten Mitteln gelöst werden kann.
Die Alternative wäre ein Schuldenschnitt, der Griechenland Entlastung beim Bedienen der Schulden geben würde. Die Auswirkungen auf das europäische Bankensystem wären immens. Sollten jedoch die
Offiziellen zu dem Schluss kommen, dass die Kreditinstitute den teilweisen Ausfall griechischer Staatsanleihen verkraften könnten, wäre der Schuldenschnitt ein möglicher Ausweg. "Wir können davon
ausgehen, dass dieses Szenario momentan durchgerechnet wird" sagt Torsten Gellert, Managing Director FXCM Deutschland. "Allerdings muss auch dann das jährliche Haushaltsdefizit so stark reduziert
werden, dass private Investoren wieder Vertrauen in Griechenland fassen können." Ob dies in den nächsten Jahren möglich ist, steht in den Sternen. Und bis dahin hängt Griechenland am Tropf der
anderen Euro-Länder und des IWF.