Das Zittern
Griechenland ohne Fußball-EM oder ohne Euro?
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An diesem Wochenende steht für Griechenland vieles auf dem Spiel. Am Samstag geht es im letzten Gruppenspiel der Fußball-Europameisterschaft gegen Russland, was aber vor dem Hintergrund des
Ereignisses am Sonntag in der Bedeutung für die Zukunft der Griechen wohl eher zweitrangig ist. Denn bei der Parlamentswahl geht es um weitaus mehr als nur Fußball, es geht um die Zukunft des
Landes und damit auch ein Stück weit um die Zukunft Europas. Die Frage heute lautet daher: Was ist wahrscheinlicher? Dass Griechenland bei der Fußball-EM in der Vorrunde oder nach der Wahl aus dem
Euro ausscheidet?
Die Antwort auf diese Frage ist für mich relativ einfach. Im Fußball gibt es im Gegensatz zur Politik keine Kompromisse. Eine Niederlage gegen Russland, die in meinen Augen sehr wahrscheinlich ist,
kann das fußballerische Aus auch mit Nachverhandlungen nicht abwenden. Anders sieht es dagegen bei der Frage aus, ob ein Sieg der Reformgegner bei der Parlamentswahl in der logischen Konsequenz
einen Ausstieg der Hellenen aus der Gemeinschaftswährung bedeutet. Dafür gibt es im Gegensatz zum Fußball keine Regel. Das müssen und werden wohl die verantwortlichen Politiker in Brüssel, Athen,
aber auch in Berlin und Paris klären müssen.
Letzten Umfragen zufolge wird es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der radikalen Linken, die sich ganz klar gegen die Sparpläne ausspricht und im Falle eines Sieges alle Verträge mit der EU
aufkündigen will, und den Reformbefürwortern von der konservativen Neo Dimokratia (ND) geben. Der Frage, wer am Ende die Nase vorn hat, kommt dabei eine große Bedeutung zu. Denn nach dem
griechischen Wahlrecht bekommt der Sieger der Wahl 50 zusätzliche der insgesamt 300 Parlamentssitze – unabhängig davon, wie groß der Vorsprung ist.
Die Angst vor einem Sieg der Euro-Gegner ist nicht nur in Griechenland selbst, sondern auch an den Finanzmärkten deutlich spürbar. Die Griechen räumen im Vorfeld der Wahl ihre Bankkonten leer, pro
Tag werden 500 bis 800 Millionen Euro abgezogen. Nach Daten der Zentralbank sanken die Einlagen bei den Banken des Landes allein im vorigen Jahr um 17 Prozent. Und an den Börsen halten sich die
Anleger vor der Wahl zurück, sie wollen nicht auf dem falschen Fuß erwischt werden, wenn sich am Sonntagabend eine Regierung unter Führung der Reformgegner abzeichnet. Das Handelsvolumen in
Frankfurt und anderen Börsenplätzen liegt seit Tagen unter dem normalen Durchschnitt.
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Was passiert am Montag, wenn der Chef der radikalen Linken, Alexis Tsipras als Sieger vom Platz geht? Bricht der Euro weiter ein und flüchten die Anleger wieder verstärkt in sichere Häfen wie
Dollar, Yen, Schweizer Franken oder deutsche Staatsanleihen? Dieses Szenario halte ich für nicht sehr wahrscheinlich, denn im Gegensatz zur ersten Wahl im Mai ist in meinen Augen diese Angst in den
vergangenen sechs Wochen in die Kurse eingepreist worden. Der Euro hat seit dem 6. Mai vier Prozent gegenüber dem US-Dollar verloren, DAX und Dow Jones büßten rund sechs Prozent ein.
Die Frage, ob Griechenland im Fall eines Wahlsieges der radikalen Linken im Euro bleibt oder ausscheidet, wird dann in zähen Verhandlungen über die Aufweichung der harten Spardiktate und Ergänzung
dieser um Wachstumsimpulse entschieden werden. Und da wird es einen Kompromiss geben, da bin ich mir relativ sicher. Die Verantwortlichen in der Europäischen Union werden den Griechen
entgegenkommen, denn der Preis eines Austritts aus der Eurozone ist zu hoch, dafür keine Kompromisse einzugehen. Langfristig bleibt dann allerdings die Frage, wie weich wird der Euro dann durch
jeden Schritt des Entgegenkommens nicht nur Griechenlands, sondern auch Spaniens, Italiens und nun auch Zyperns. Und wie groß ist der Rettungsschirm, beziehungsweise muss er noch werden, dass kein
Kandidat im Regen stehen bleibt.
Einen Befreiungsschlag und damit erst einmal steigende Kurse bei Euro, DAX & Co. erwarte ich für den Fall eines Sieges der Reformbefürworter. Und die Chancen liegen wie so oft an der Börse bei
50:50. Zwar wird es auch in diesem Fall Nachverhandlungen der Sparpläne geben müssen, allerdings dürften diese etwas einfacher und schneller von statten gehen.
Sollte die Wahl zumindest Klarheit in Sachen Regierungsbildung bringen, könnte ich mir also gut vorstellen, dass das Geld am Montag eher aus den sicheren Häfen abfließen wird und es zu einer
leichten Erholungsrallye kommt. Der Euro könnte die Marke von 1,2650 wieder überwinden, der Yen würde an Stärke verlieren und das Geld in Aktien und andere risikohaltigere Papiere umgeschichtet
werden. Aber dann wird sich der Blick auch relativ schnell wieder Richtung Spanien und Italien wenden – nicht nur des Fußballs wegen.
Ein Preis wird meiner Meinung nach allerdings sinken: Der für die Fußball-Trikots der griechischen Nationalmannschaft, die am Sonntag die Heimreise antreten sollten, um noch rechtzeitig über die
Zukunft ihres Landes entscheiden zu können.
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