EUR/USD
Egal wer die US-Wahlen gewinnt, der Dollar hat langfristig Potenzial
Müssten die Finanzmärkte über ein Foto des Tages abstimmen, würde es wahrscheinlich die ganz besondere Allianz zwischen dem obersten Demokraten Obama und dem Republikaner und Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, bei ihrer Begutachtung der durch Hurrikan „Sandy“ angerichteten Schäden an der US-Ostküste ganz nach vorn schaffen. Denn, ob der nächste US-Präsident nach der Wahl am kommenden Dienstag Barack Obama oder Mitt Romney heißt, ist in meinen Augen nicht entscheidend für die weitere Entwicklung an den Börsen dieser Welt. Viel wegweisender ist da die zukünftige Gestaltung der Mehrheitsverhältnisse in Kongress und Senat.
Die Frage, ob die Blockadepolitik der beiden Lager weiter geht oder man vor allem beim Schuldenabbau nach Kompromissen suchen wird, entscheidet nicht nur über den weiteren Weg der Welt- und Wirtschaftsmacht USA und damit auch des US-Dollars, sondern hat auch weitreichende Konsequenzen für die Weltwirtschaft.
Kurzfristig betrachtet könnte ein Sieg des republikanischen Herausforderers dem Greenback einen Schub verleihen, denn dieser hat ein Ende der ultraexpansiven Geldpolitik der US-Notenbank angekündigt. Zwar ist die Wahrscheinlichkeit für eine dritte Amtszeit des mittlerweile ein bisschen amtsmüde wirkenden Fed-Präsidenten Ben Bernanke sowieso nicht sehr hoch. Ob ihm aber wieder eine geldpolitische „Taube“, also ein Befürworter einer expansiven Geldpolitik, oder eher ein „Falke“ mit einer restriktiven, straffen Geldpolitik folgen wird, darüber wird auch am Dienstag entschieden. Über die Effekte der Pakete QE1 (Quantitative Easing = lockere Geldpolitik) bis QE3 besonders für die Realwirtschaft kann man zwar vortrefflich streiten, ein in Zukunft starker US-Dollar würde den USA aber sowohl in Sachen Konjunktur als auch Schuldenabbau eher hinderlich sein. Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass die USA am Ende von ihrer Niedrigzinspolitik und weiteren Anleihekäufen abrücken, sie werden vielleicht nur einen Gang herunter schalten. Auch die umgekehrten Effekte eines kurzfristig fallenden US-Dollars nach einer Wiederwahl Obamas halte ich für zeitlich sehr begrenzt, weil sehr schnell wie oben angedeutet ein anderes Thema wieder in den Blickpunkt der Investoren rücken wird.
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Neben dem Präsidenten wählen die Amerikaner ein Drittel der 100 Senatoren und alle 538 Vertreter im Repräsentantenhaus neu. Derzeit haben die Demokraten im Senat eine hauchdünne Mehrheit, während im Repräsentantenhaus seit 2010 die Republikaner das Sagen haben. Bleiben die Verhältnisse so, wonach es nach aktuellen Umfragen aussieht, droht weiterer politischer Stillstand, den das Land in der aktuellen Situation überhaupt nicht gebrauchen kann. Im schlimmsten Fall können bei einem Wahlsieg Obamas die Republikaner im Gegenzug ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus ausbauen und mehr Anhänger der konservativen „Tea Party“ in die Kammer bringen, die unter allen Umständen jegliche Steuererhöhungen verhindern werden. Geld, was in Zeiten klammer Kassen dringend gebraucht wird. Wohin dieser lähmende Streit führen kann, haben wir im Frühjahr/Sommer 2011 gesehen, als der Staatsbankrott nur in letzter Minute abgewendet werden konnte. Damals wurde eine sogenannte auch hierzulande gut bekannte Schuldenbremse vereinbart, die genau jetzt, nämlich zum Jahreswechsel, interessant wird. Automatisch treten Einsparprogramme im US-Haushalt in Kraft, während gleichzeitig Steuererleichterungen für Arbeitnehmer, Vermögende und Unternehmen auslaufen. Alles in allem geht es um einen 600 Milliarden-Dollar-Schock oder um vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts, den die US-Wirtschaft verdauen muss. Vorausgesetzt, man einigt sich nicht wieder in letzter Minute und verschiebt die Einsparmaßnahmen auf die nächsten Jahrzehnte oder lässt sie am Ende dann ganz ausfallen.