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    Hetzkampagne gegen Top-Ökonom?  2536  0 Kommentare Sinn verteidigt Zuwanderungs-These - Unbequemer Reformer oder Medienopfer?

    Horst Seehofer war es schon, Markus Lanz auch, selbst Bundespräsidenten wie Christian Wulff sind nicht davor gefeit: Sie alle kann es treffen, sie alle können zum Medienopfer werden - zumindest in ihren Augen. Nun hat es den Ökonomen Hans-Werner Sinn getroffen. Das glaubt nicht zuletzt der ifo-Präsident selbst. Doch er kann auf seine glühende Anhänger bauen. Eine mutige Chefkorrespondentin für Wirtschaftspolitik stellt sich der „perfiden“ Attacke auf Sinn in den Weg.

    Hans-Werner Sinn ist allgegenwärtig. Eben noch in der „Süddeutschen Zeitung“ über die Konkursverschleppung der EZB in Griechenland zu Lasten der Steuerzahler gewettert, widmet sich Sinn bereits wieder einem ganz anderen Thema: In einem Gastbeitrag für die „WirtschaftsWoche“ verteidigt er seine alles andere als unumstrittene These, wonach der deutsche Staatshaushalt unter den Zuwanderern leide.

    Es ist nicht das erste Mal, dass Hans-Werner Sinn mit solchen Äußerungen für Aufsehen sorgt. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ rechnete der Präsident des Münchner ifo-Instituts unlängst vor, pro Migrant stünde in der jährlichen fiskalischen Netto-Bilanz ein Minus von 1800 Euro. Die derzeitige Einwanderung nach Deutschland, ist für Sinn ein „Verlustgeschäft“.

    Das sorgte in der Medienlandschaft für Entrüstung. „Hat die AfD einen neuen Chefökonomen?“, fragte „Spiegel Online“ und machte sich auf, die Fehler in Sinns „Migranten-Mathematik“ aufzudecken. Nach Meinung der Autoren basierten die ifo-Berechnungen auf einem Denkfehler, da Sinn zwar die Staatskosten, nicht aber die Grenzkosten pro Migrant berücksichtigt hatte.

    Apostel vs. Medienopfer

    Sinns Beitrag für die „WirtschaftsWoche“ ist als Replik auf die „Spiegel“-Kritik zu verstehen, in der er sich vehement gegen den Vorwurf einer falschen Berechnung wehrt. Stattdessen bekräftigt er erneut seine These, Migration sei gut für den Arbeitsmarkt, aber schlecht den Staat. Vor allem aber sieht sich der Top-Ökonom als Opfer der Medien. Diese hätten ihm die Behauptung „angedichtet“, Migranten seien ein Nettoverlust für Deutschland insgesamt, obwohl er ausdrücklich auf die positiven Effekte hingewiesen hätte – allerdings nur für den Arbeitsmarkt. Holger Bonin vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) kam in seiner Studie genau zum gegenteiligen Ergebnis, nämlich dass der Staat von Zuwanderern profitiere. Dafür sei er von den Medien als „Apostel“ gefeiert worden, während man ihn an den rechten Rand gerückt habe, so Sinn. Statt einer „ideologiefreien und nicht vom Streben nach politischer Korrektheit getriebenen Debatte“, wie Sinn sie gefordert habe, seien nur noch „die Emotionen anstachelnde Karikaturen der ökonomischen Argumente“ übrig geblieben, kritisiert Sinn und spielt darauf an, dass er nicht zum ersten Mal Opfer der Medien geworden sein, indem er sagt: „Ich kenne das zur Genüge, aber diesmal war es wieder einmal besonders heftig.“ Deshalb wolle er das Thema nun „im Interesse der Klarheit und Wahrheit“ nochmals aufgreifen.

    ifo-Präsident weiß, wie der Hase läuft 

    Es ist schon ein wenig verwunderlich, dass ausgerechnet Sinn die Emotionalität einer ökonomischen Debatte anprangert. Immerhin versteht es der ifo-Präsident wie kaum ein anderer deutschsprachiger Ökonom, die Spielregeln der Medien zu befolgen. Argumente zuspitzen, auf knackige Zitate reduzieren und dabei den Emotionen freien Lauf lassen – dieses Spiel beherrscht Hans-Werner Sinn perfekt. Nicht umsonst ist er laut „FAZ-Ökonomenranking 2014“ der am meisten zitierte Ökonom Deutschlands. Der Kern der Marke Sinn ist es, komplexe Sachverhalte auf teils plakative Botschaften zu reduzieren. Das weiß Sinn selbst am besten.

    Journalistin spricht von "perfider Attacke" gegen Sinn

    Das bringt ihm manchmal den Ruf eines Populisten ein. Dorothea Siems, Welt-Chefkorrespondentin für Wirtschaftspolitik, sieht das anders. Ihrer Meinung nach sei es ein Beweis für den Mut des ifo-Präsidenten: Er „scheue sich nicht, die komplexe Welt der Wirtschaft mitunter so stark zu vereinfachen, dass auch Laien die Zusammenhänge verstehen.“ Siems sieht den Ökonomen als Opfer einer „beispiellosen“ und „perfiden Attacke“, die darauf abziele, ihn mundtot zu machen. Dabei sei Sinn in Wahrheit kein Populist, sondern einer, der „unbequeme Reformen“ anmahne und nicht bereit sei, „seine Erkenntnisse dem konsensverliebten Zeitgeist anzupassen“.

    In einem Artikel für die "Welt", der fast schon wie eine glühende Streitschrift anmutet, huldigt Siems den „messerscharfen Analysen“ des „Professors mit dem markanten Kapitänsbart“. Ihm sei außerdem die international geführte Risiko-Debatte im Zuge der Euro-Rettung zu verdanken.

    "Angriff auf Sinn ist auch eine Attacke gegen klassische Ordnungspolitik"

    Wenn Kollegen wie DIW-Chef Marcel Fratzscher Sinns Berechnungen kritisierten und ihn als „falschen Propheten“ verunglimpften, so spricht aus ihnen der pure Neid. Laut Siems ärgerten sich Kollegen darüber, dass Sinns Schlussfolgerungen beim Bürger häufig auf Zustimmung stießen und er dadurch auch die Politik unter Druck setze.

    Für sie ist der Angriff auf Sinn auch eine Attacke auf die klassische Ordnungspolitik in einer Zeit, in der dem Staat wieder mehr zugetraut würde als dem Markt und der Keynesianismus eine Renaissance erlebe. Die Chefkorrespondentin macht keinen Hehl daraus, dass sie diese Entwicklung für falsch hält. Beispielhaft hierfür sei auch der Aufstieg eines Marcel Fratzschers, dem sie - im Gegensatz zu Sinn - „ökonomische Beliebigkeit“ vorwirft.





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    Hetzkampagne gegen Top-Ökonom? Sinn verteidigt Zuwanderungs-These - Unbequemer Reformer oder Medienopfer? Die Medien, besser gesagt "der konsensverliebte Zeitgeist", hat ein neues Opfer: den Ökonomen Hans-Werner Sinn. Das glaubt nicht zuletzt der ifo-Präsident selbst. Ist Sinn ein falscher Prophet? Oder ist es ein "perfide" Attacke auf ökonomisch Argumente?

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