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    Boommarkt Kreuzfahrt  4772  0 Kommentare Ausflaggung - Deutsche Kreuzfahrtreeder sparen Millionen an Löhnen und Steuern

    Im boomenden Geschäft mit Kreuzfahrten registrieren deutsche Reeder ihre Schiffe unter ausländischer Flagge, um Steuern zu sparen und Besatzungsmitglieder zu Niedriglöhnen zu beschäftigen, die in Deutschland undenkbar wären.

    Nach Recherchen der New Yorker Columbia University und der Wochenzeitung „Die Zeit“ fährt kein einziges der 27 Hochsee-Kreuzfahrtschiffe, die von deutschen Anbietern betrieben werden, noch unter heimischer Fahne. Sowohl die Besteuerung der Schiffe als auch das Arbeitsrecht auf ihnen richtet sich nach dem Flaggenstaat. Die New Yorker Universität hat in einer Datenbank mehr als 30.000 Daten der weltweit mehr als 400 Kreuzfahrtschiffe zusammengetragen.

    Geringe Löhne, kaum Steuern
     
    Mit 1,81 Millionen Passagieren war Deutschland 2015 Europas größter Kreuzfahrtmarkt. Für dieses Jahr hofft der Branchenverband Clia sogar auf 2 Millionen hiesige Kunden. Dennoch registrieren die deutschen Betreiber ihre Kreuzer ausnahmslos in Italien (11 Schiffe), Malta (7 Schiffe), den Bahamas (8 Schiffe) und dem britischen Überseegebiet Bermuda (1 Schiff). Die südeuropäischen Staaten und die Karibikinseln bieten den Reedern extreme Steuervorteile. Malta etwa verlangt gar keine Steuern auf Einkommen aus dem Schiffahrtsverkehr; in Italien müssen Betreiber keine Lohnsteuer auf Crewgehälter abführen. „Seit 15, 20 Jahren werden Kreuzfahrten immer mehr zum Massengeschäft, der Preiswettbewerb wächst“, sagt der Hamburger Völker- und Seerechtsexperte Stefan Oeter der ZEIT. „Entsprechend stark achten die Reeder jetzt auf Kosten.“
     
    Entsprechend niedrig sind die Löhne. Auf dem in Malta registrierten Kreuzer „Mein Schiff 2“ der TUI Cruises verdienen manche Mitarbeiter inklusive aller Zuschläge 770 US-Dollar (knapp 700 Euro) pro Monat – und können dafür mehr als 300 Arbeitsstunden eingesetzt werden. Dies wäre ein Stundensatz von weniger als 2,40 Euro. Für italienisch beflaggte Schiffe der „AIDA“-Flotte sah ein bis 2015 gültiger Kollektivvertrag für Restaurant-Hilfskräfte nur 587 Dollar monatlich vor. Die Dokumente liegen der ZEIT vor.
     
    Ein „AIDA“-Sprecher erklärte auf Anfrage, dass die Vergütungen für Positionen im Hotelservice auf den Philippinen nur 150 bis 250 Dollar im Monat betrügen, an Bord von AIDA hingegen durchschnittlich 700 bis 900 Dollar plus Kost und Logis. Erhielten diese Crewmitglieder allerdings den deutschen Mindestlohn, kämen sie auf mehr als 2000 Dollar.

    Arbeiten bis zum Anschlag
     
    Ein besonderes Problem sind die extremen Arbeitszeiten an Bord der Schiffe. Während das deutsche Arbeitszeitgesetz maximal zehn Stunden pro Tag vorsieht, gelten unter vielen Billigflaggen nur die Mindeststandards des internationalen Seearbeitsübereinkommens. Demnach können Reeder ihre Besatzungsmitglieder bis zu 14 Stunden pro Tag oder 72 Wochenstunden arbeiten lassen. Selbst diese maximalen Arbeitszeiten werden von manchen Anbietern noch überschritten. So verurteilte 2015 ein brasilianisches Gericht den italienischen Betreiber MSC zu Schadenersatzzahlungen an elf frühere Mitarbeiter wegen „Bedingungen analog zur Sklavenarbeit“.





    wallstreetONLINE Redaktion
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