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    Börsen-Zeitung  395  0 Kommentare Auf dem Niveau vor Lehman, Marktkommentar von Kai Johannsen

    Frankfurt (ots) - Von den Staatsanleihemärkten dies- und jenseits
    des Atlantiks kommen derzeit keine ermutigenden Signale hinsichtlich
    der Konjunkturentwicklung. Sowohl die Zinsstrukturkurve in den USA
    als auch die Renditekurve der Bundesanleihen, die allgemein als sehr
    verlässlicher Ratgeber in Sachen konjunktureller Dynamik gelten und
    damit den Pfad der Geldpolitik der jeweiligen Notenbank vorzeichnen,
    geben recht klare Richtungen vor. Am US-Markt hat sich die Kurve
    stark verflacht, bei der Bundkurve läuft diese Tendenz seit rund zwei
    Monaten.

    Unter einer normalen Zinsstrukturkurve versteht man, dass die
    langfristigen Zinsen über den kurzfristigen Zinsen liegen. Beim
    Laufzeitenband wählt man gemeinhin den Abstand zwischen den zwei- und
    zehnjährigen Fälligkeiten der jeweiligen Staatsanleihen. Läuft die
    Konjunktur rund - und droht sie vielleicht in eine Hochkonjunktur mit
    Überhitzungserscheinungen überzugehen -, muss die Notenbank auf
    längere Sicht mit höheren Zinsen dagegen ansteuern. Das zeigt die
    normale Kurve am Markt dann schon an, indem die langen Zinsen eben
    über den kurzen Sätzen sind. Umgekehrt sieht es bei einer inversen
    Zinsstruktur aus, bei der die langfristigen Zinsen in Gestalt der
    zehnjährigen Staatsanleiherenditen unter den kurzfristigen, d.h.
    zweijährigen Staatstitelrenditen liegen. Die Wirtschaft geht in die
    Rezession über oder befindet sich in derselben, weshalb die Notenbank
    mit Zinssenkungen/niedrigen Zinsen gegen die konjunkturelle Schwäche
    ankämpfen muss, d.h. die Wirtschaft via Geldpolitik stimuliert. Das
    bildet der Markt vorab über die inverse Zins-/Renditestruktur ab. Von
    der normalen zur inversen Zinsstruktur gelangt der Markt über die
    Verflachung der Zinsstruktur, d.h. die langfristigen Zinsen fallen,
    und die kurzfristigen Zinsen/Renditen fallen nicht so stark oder
    steigen leicht an.

    Der Gradmesser der Verflachung ist der Abstand der Anleiherenditen
    zwischen dem kurzen und langen Laufzeitenende. Am
    US-Staatsanleihemarkt beträgt dieser Abstand nun knapp unter 70
    Basispunkte (BP) oder 0,7 Prozentpunkte, denn die zehnjährigen
    US-Rentenpapiere werfen um die 2,33% ab, die zweijährigen US-Titel um
    die 1,64%. Man muss schon lange suchen, bis man einen derartig engen
    Abstand zwischen diesen beiden Laufzeiten in der Vergangenheit
    findet: Es ist die geringste Differenz dieser beiden Renditewerte
    seit einem Jahrzehnt, letztmalig im November 2007, also knapp ein
    Jahr vor der Lehman-Pleite zu beobachten. Die Anleger stellen sich
    demzufolge darauf ein, dass die US-Wirtschaft in nächster Zeit in den
    Abschwung übergeht - nach neun Jahren Aufschwung vielleicht nicht die
    allergrößte Überraschung. Das würde dann auch bedeuten, dass sich die
    US-Notenbank Fed mit ihrem nächsten Zinsschritt nach oben etwas
    beeilen sollte, denn für den Abschwung muss sie sich wieder
    (Zins-)Pulver zur Seite legen, damit sie der Wirtschaft später über
    Zinssenkungen wieder unter die Arme greifen kann. Allerdings läuft
    sie bei weiteren Zinserhöhungen verständlicherweise auch Gefahr, dass
    sie sich dem Vorwurf ausgesetzt sieht, die Wirtschaft über
    Zinserhöhungen abgewürgt zu haben. Wobei in diesem Zusammenhang immer
    noch zu berücksichtigen ist, dass sie bislang offenkundig keinen
    aggressiven Kurs in der Zinsanpassung nach oben gefahren ist.

    Eurozone zieht nach

    In der Eurozone ist es nicht so drastisch wie in den USA, aber die
    Entwicklung ist auch nicht von der Hand zu weisen. In den vergangenen
    knapp zwei Monaten hat sich auch hier die Bundkurve abgeflacht.
    Betrug der Abstand zwischen zwei- und zehnjährigen Bundrenditen in
    der zweiten Septemberhälfte noch knapp 120 BP oder 1,2 Prozentpunkte,
    sind es etwas weniger als 110 BP bzw. unter 1,1 Prozentpunkte. Rund
    10 BP sind gewiss nicht die Welt und noch lange kein Grund, in Panik
    zu verfallen und die Rezession auszurufen. Aber man sollte es
    vielleicht auch nicht auf die leichte Schulter nehmen. Geht es
    nämlich unter die 100 BP oder 1-Prozent-Marke, ist der Markt auch
    hierzulande offensichtlich nicht mehr weit vom US-Niveau entfernt.

    Für die Europäische Zentralbank (EZB) wäre das gewiss keine
    wünschenswerte Entwicklung. Kommt es nämlich zum Abschwung -
    vielleicht sogar im Sog der US-Wirtschaft -, wird es mit dem Ausstieg
    aus der ultralaxen Geldpolitik (Quantitative Easing) wohl so schnell
    nichts werden. Vielmehr wäre die Wirtschaft darauf angewiesen,
    weitere Unterstützung durch die Währungshüter zu bekommen. Eine
    Fortsetzung von QE wäre somit wahrscheinlich. Kurzum: An dem
    mittlerweile Jahrtausende andauernden Zins-/Renditeverfall wird sich
    wohl auch in naher Zukunft wohl kaum etwas ändern.

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