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    Börsen-Zeitung  1074  0 Kommentare Erdogans Erdbeben, Marktkommentar zur Türkei von Christopher Kalbhenn

    Frankfurt (ots) - Mit dem drastischen Kursrutsch ist aus der
    Lira-Krise ein Erdbeben geworden, das weit über die Grenzen der
    Türkei hinaus zu spüren ist. Die Währung des Landes sackte in der
    Spitze um 23 Prozent auf 6,80 Lira pro Dollar ab, ein Rekordtief, bei
    dem sich die seit Jahresbeginn angefallenen Verluste auf nahezu 80
    Prozent summierten. Seit die türkische Notenbank im Juli von einer
    angesichts der anziehenden Inflation und schwächelnden Währung
    dringenden - und deutlichen - Leitzinserhöhung abgesehen hatte,
    verstärkte sich der Druck auf die Finanzmärkte des Landes bereits,
    weil dadurch die Sorgen um die Unabhängigkeit der Notenbank befeuert
    wurden. In der abgelaufenen Woche brachten dann die US-Sanktionen
    wegen eines in der Türkei inhaftierten amerikanischen Pfarrers und
    ein Bericht, nach dem die EZB-Bankenaufsicht über das Engagement von
    Instituten des Euroraums in dem Land besorgt sein soll, das Fass zum
    Überlaufen.

    Eine weitere Verschärfung der Entwicklung hätte nicht nur für
    Banken mit starkem Engagement in der Türkei unangenehme Konsequenzen.
    Sie würde auch Anleger hart treffen. Schließlich ist das Land nach
    Volumen einer der größten Emittenten von Hartwährungsanleihen. Seine
    Schuldtitel sind in vielen auf Schwellenländer fokussierte Portfolien
    und Fonds prominent vertreten. Hinzu kommt die Ansteckungsgefahr für
    andere Schwellenländer, die am Freitag in den Verlusten ihrer
    Währungen bereits erkennbar wurde.

    Die größten Sorgen müssen sich jedoch die Türkei und ihr Präsident
    Recep Tayyip Erdogan machen. Der Sturz der Lira und die steigenden
    Zinsen machen die Bedienung und Refinanzierung der
    Fremdwährungsverbindlichkeiten des Staates sowie der Banken und
    Unternehmen zu einer immer schwereren Last, und durch die jüngste
    Entwicklung mehren sich die Zweifel, dass das noch lange gut geht.
    "Mittlerweile spielen die Märkte durchaus einen Default der Türkei
    durch, die Prämien der Kreditausfallversicherungen (CDS) kletterten
    auf mehrjährige Höchststände", so die Landesbank Baden-Württemberg.

    Versuche des türkischen Finanzministers, Erdogans Schwiegersohn
    Berat Albayrak, die Lage mit einem Bekenntnis zu einer unabhängigen
    Notenbank zu beruhigen, verpufften wirkungslos. Dazu trug neben den
    von den USA deutlich erhöhten Zöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte
    aus der Türkei bei, dass Erdogan erneut Verschwörungstheorien
    bemühte und von einem "Wirtschaftskrieg" und "künstlicher
    Finanzvolatilität" sprach.

    Um ein völliges Desaster zu verhindern, müsste der türkische
    Präsident eigentlich die richtigen Signale senden. Mit seinem hohen
    Leistungsbilanzdefizit ist das Land, dessen Währungsreserven ein
    bedenklich niedriges Niveau erreicht haben, auf Kapitalzuflüsse
    angewiesen. Das setzt aber Vertrauen voraus. Kurzum: Erdogan muss
    sich in einem ersten Schritt klar zur Unabhängigkeit der Zentralbank
    bekennen. Und diese muss umgehend den Leitzins deutlich erhöhen, um
    die Währung zu stabilisieren.

    Die jüngste Erosion des Anlegervertrauens in die Türkei, so die
    Ratingagentur Moody's Anfang Juni, als sie die Bonitätsnote des
    Landes auf die Watchlist setzte, werde anhalten, wenn sie nicht mit
    glaubwürdigen politischen Maßnahmen angegangen werde, was zu einer
    deutlich erhöhten Wahrscheinlichkeit gravierender
    Zahlungsbilanzprobleme führen werde. Die negative Veränderung der
    Investorenstimmung sei eine erhebliche Herausforderung für ein Land,
    das stark von Nettokapitalzuflüssen abhängig sei, um einen jährlichen
    externen Bruttoausleihebedarf von mehr als 200 Mrd. Dollar zu
    finanzieren, was das große Leistungsbilanzdefizit und kurzfristige
    sowie vor der Fälligkeit stehende langfristige Schuldenfälligkeiten
    in erheblichem Umfang reflektierten. Die Währungsreserven deckten
    weniger als diesen Betrag. Im Juni war es fünf vor zwölf, jetzt ist
    es zwölf - mindestens.

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