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    Börsen-Zeitung  1482  0 Kommentare Teure politische Irrtümer / Kommentar von Dietegen Müller zur Währungskrise in den Schwellenländern

    Frankfurt (ots) - Der August ist traditionell ein Monat mit
    Neigung zu Verwerfungen an den Kapitalmärkten. Böse Zungen unken,
    dies liege daran, dass dann wichtige internationale Institutionen
    in ihrer Sommerpause und damit weniger reaktionsschnell sind. Das war
    etwa 1997, 1998, 2007, 2011 und 2016 so. Auch dieses Jahr wird,
    zumindest mit Blick auf die Schwellenländer, in die Annalen eingehen.
    Am Devisenmarkt zeigt sich bis dato eine Bilanz des Schreckens:
    Gegenüber dem Euro hat der argentinische Peso seit Anfang dieses
    Jahres die Hälfte an Wert eingebüßt. Wenig besser sieht es für die
    türkische Lira aus.

    In den Augen vieler Experten handelt es sich dabei um ein
    isoliertes Phänomen. Im Fall der Türkei liegt dies an der wachsenden
    Einflussnahme von Präsident Recep Tayyip Erdogan, der die
    Lira-Schwäche, die mit hohen Kursschwankungen verbunden ist, am
    Freitag erneut als "Operation gegen die Türkei" bezeichnete. Das Land
    ist in hohem Maße auf ausländische Finanzierung angewiesen. Laut der
    US-Großbank J.P. Morgan müssen Staat, Unternehmen und Banken bis
    Mitte 2019 um 150 Mrd. Dollar an Auslandsschulden zurückzahlen. Dass
    sich Erdogan bisher entschiedenen Zinsanhebungen entgegenstellt und
    durch autokratische Maßnahmen auch das Umfeld für ausländische
    Direktinvestitionen verschlechtert beziehungsweise unberechenbarer
    macht, gilt in den Augen vieler Marktakteure als eigentlicher Grund
    für die Misere: Es handelt sich um einen politischen Irrtum.

    Teuer bezahlt auch Argentinien dafür, dass der vor zwei Jahren
    noch als marktfreundlicher Reformer gefeierte Präsident Mauricio
    Macri den Internationalen Währungsfonds (IWF) um vorzeitige
    Auszahlung von Finanzhilfen gebeten hat und dies auch noch im
    Fernsehen kundtat. Der IWF hat dem Land eine Kreditlinie von 50 Mrd.
    Dollar eingeräumt. Der Effekt war verheerend: Der Peso stürzte am
    Folgetag über 18% ab, eine Leitzinsanhebung von 45% auf 60% half
    nichts. Am Montag will die Regierung Maßnahmen vorstellen, mit denen
    etwa das Haushaltsdefizit gesenkt werden kann. Auch hier ist
    festzuhalten: Eine verschleppte Haushaltssanierung und ungeschickte
    Kommunikation politischer Verantwortlicher haben die Krise
    verstärkt.

    Die Reihe der Verlierer geht weiter. Auch in Brasilien sorgen
    politisches Chaos sowie eine steigende Verschuldung - wenn auch von
    vergleichsweise niedrigem Niveau aus - für Druck auf die
    Landeswährung. Und am Devisenmarkt richtet sich der Blick nun öfter
    auch auf Indien und Indonesien, letzteres Land ein Protagonist in der
    Asienkrise 1997/98. Am Freitag fielen sowohl die indische Rupie als
    auch die indonesische Rupiah auf ein Rekordtief. In Indien wecken die
    faulen Kredite staatlicher indischer Banken Sorgen, in Indonesien ist
    es ein hohes Zahlungsbilanzdefizit, das das Land verwundbar
    erscheinen lässt.

    Als Vervielfacher politischer Irrtümer - deren es auch in
    westlichen Ländern einige gibt - gelten die steigenden
    Dollarzinsen und die gedrosselte Liquiditätszufuhr seitens der
    Notenbanken. Nicht zu vergessen ist die Repatriierung von
    Milliarden Offshore-Dollars von US-Technologiekonzernen, die nun im
    Markt anderweitig investiert werden.

    Interessanterweise sind aber trotz der markanten Kursverluste von
    einigen Schwellenländerwährungen laut BoA Merrill Lynch zuletzt netto
    sowohl im Aktien- wie im Anleihenmarkt Gelder in die Schwellenländer
    geflossen. Seit Jahresanfang zeigen sich große Divergenzen: Aus
    Brasilien, Russland und Indien sind aus den Aktienmärkten netto
    Mittel abgezogen worden, dagegen rund 15,6 Mrd. Dollar netto nach
    China geflossen.

    Es könnte also, zumindest was die Kapitalbewegungen anbelangt,
    noch stärkeren Gegenwind für die Schwellenländer geben. Etwa wenn die
    USA den Handelskonflikt eskalieren lassen. Sinkt dann die Liquidität
    in den Schwellenländer-Anleihemärkten, wie dies das Institute of
    International Finance in diesem Fall erwartet, leiden Länder mit
    schwächeren Kreditratings besonders. Den Preis für politische
    Irrtümer werden am Ende also auch die bezahlen, die damit nichts zu
    tun haben.

    (Börsen-Zeitung, 01.09.2018)

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