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     625  0 Kommentare UBP-Experte Norman Villamin: Abschwung der Rohölpreise – wie lange noch?

    Einer der Hauptgründe für den 20-prozentigen Rückgang der Rohölpreise gegenüber den Höchstständen im Oktober war jüngst die Auflösung von spekulativen Positionen, schätzt Norman Villamin. Hier erläutert der Investmentchef von UBP, welche Einflüsse zurzeit auf die Preise einwirken. Nach dem 20-prozentigen Rückgang der Rohölpreise gegenüber den Höchstständen im Oktober behaupten einige Marktteilnehmer, ein Hauptgrund für die Verkaufswelle sei der Sanktionsverzicht der Vereinigten Staaten, der es Ländern ermöglicht, die erst kürzlich wieder eingeführten Sanktionen für Ölimporte aus dem Iran zu umgehen. Unserer Ansicht nach ist der Einbruch der Rohölpreise jedoch in erster Linie auf die Auflösung spekulativer Positionen an den Terminmärkten zurückzuführen, die durch eine Verschiebung des grundsätzlichen Gleichgewichts von Angebot und Nachfrage am zugrundeliegenden Rohölmarkt seit Mitte 2017 verstärkt wurde.
    Unsere optimistische Prognose für Rohöl Ende 2017 war weitgehend auf die erhebliche Angebotsknappheit in der zweiten Jahreshälfte zurückzuführen: Im dritten Quartal 2017 herrschte am Markt eine Unterversorgung von bis zu 1,5 Millionen Barrel pro Tag. Seither hat der Markt sein Gleichgewicht zurückerlangt. Das Angebotswachstum überstieg das Nachfragewachstum um mehr als eine Million Barrel pro Tag, woraus sich bis Mitte 2018 ein relatives Gleichgewicht am Markt ergeben hat.
    Die Angebotsknappheit 2017 sorgte auch für einen drastischen Rückgang der Lagerbestände, deren Volumina Anfang 2017 Allzeithochs erreicht hatten, bis Mitte 2018 jedoch wieder auf normale Niveaus schrumpften. Aktuelle Daten lassen darauf schließen, dass die Lagerbestände seit August wieder steigen, sich aber nach wie vor innerhalb der seit der Krise normalen Spannen bewegen.
    Preiseinbruch bei Öl-Überangebot
    Insgesamt ist das bisherige Aufwärtspotenzial der Rohölpreise angesichts des jetzigen Gleichgewichts von Angebot und Nachfrage und der nunmehr geringeren Lagerbestände geschrumpft.
    Verlagert sich das Gleichgewicht deutlicher in Richtung eines Überangebots und / oder wachsen die Lagerbestände weiter an, besteht eindeutig das Risiko eines Einbruchs der Rohölpreise in ähnlichem Ausmaß wie 2014/15. Da Saudi-Arabien als einer der wichtigsten Ölproduzenten jedoch Berichten zufolge angekündigt hat, die gesteigerten Produktionsmengen, die das Land in Erwartung der Sanktionen gegen iranisches Rohöl (siehe unten) an die Märkte geliefert hat, zurückzufahren, scheint eine Stabilisierung der Preise wahrscheinlich.
    Der Abbau spekulativer Positionen am Terminmarkt hat in den letzten Monaten ebenfalls Druck auf die Rohölpreise ausgeübt. Aufgrund der ungewöhnlich knappen Angebotssituation Ende 2017 sind Spekulanten in den Markt eingestiegen, wodurch der Open-Interest-Anteil der rein spekulativen Käufer bei Rohöl-Futures laut Angaben der US Commodity Futures Trading Commission auf 23 Prozent gestiegen ist.
    Spekulative Positionen abgebaut
    Zwar nahm die Spekulation in der ersten Jahreshälfte 2018 ab, die Aussicht auf erneute US-Sanktionen gegen den Iran lockte die Spekulanten im Laufe des Sommers jedoch wieder an und trug bis Anfang Oktober zu einem Preisanstieg auf knapp 87 US-Dollar je Barrel bei. Im Herbst war jedoch ein rasanter Abbau dieser Positionen zu beobachten, nachdem die USA einen Sanktionsverzicht angedeutet hatten, um eine vorübergehende Fortsetzung der Importe zu ermöglichen. Nach diesem Positionsabbau entfällt auf Spekulanten nun ein Anteil von 14 Prozent am Open Interest – ein Wert knapp unter dem seit 2014 verzeichneten Durchschnitt.
    Ein weiterer Abbau spekulativer Positionen ist allerdings möglich, insbesondere in Anbetracht der steigenden Lagerbestände in den USA. Sollte es jedoch erneut dazu kommen, dass ein Anteil von 10 bis 12 Prozent am Open Interest auf Spekulanten entfällt (was den Tiefständen von 2014/15 entspricht), wäre der Überhang bei Rohöl künftig in wesentlich stärkerem Maße reduziert. Infolge der Spekulation über einen Wegfall der Lieferungen aus dem Iran (circa zwei Millionen Barrel täglich) aufgrund der Wiedereinführung der US-Sanktionen gegen den Iran Anfang November stiegen die Ölpreise auf Dreijahreshochs.
    Nun haben die USA einen Sanktionsverzicht für Großabnehmer von Rohöl aus dem Iran ausgesprochen, um es diesen zu ermöglichen, trotz der Sanktionen vorübergehend weiter Öl aus dem Iran zu beziehen. Dieser Sanktionsverzicht scheint Presseberichten zufolge jedoch bestimmten Einschränkungen zu unterliegen und trägt nach unserer Einschätzung eher zu einer Stabilisierung der Märkte bei. Allerdings stellt er das iranische Ölangebot nicht unbedingt in vollem Maße wieder her, was zu einem weiteren Preisverfall führen könnte. So meldete beispielsweise Reuters, dass es Japan und Korea im Rahmen des ihnen gewährten Sanktionsverzichts gestattet ist, jeweils knapp 150.000 Barrel pro Tag zu importieren. Dies entspricht in etwa ihren durchschnittlichen Importen der Jahre 2016/17.
    Wer weiterhin  iranisches Öl importiert
    Nachdem sowohl Japan als auch Korea ihre Rohölimporte aus dem Iran im Oktober auf null reduziert hatten, bedeutet dies nun, dass beide Länder Öl aus dem Iran beziehen können, statt ihren Bedarf über den breiter gefassten Rohölmarkt zu decken. Reuters berichtet jedoch auch, dass China im Gegensatz dazu ein Sanktionsverzicht für den Import von lediglich 360.000 Barrel iranischen Rohöls pro Tag gewährt wurde – ein Volumen, das deutlich unter den 600.000 Barrel pro Tag liegt, die China 2016/17 aus dem Iran bezogen hat, und weniger als die Hälfte der 750.000 Barrel iranischen Rohöls pro Tag, die China im Oktober importiert hat.
    Indien, ein weiterer wichtiger Abnehmer iranischen Rohöls, darf 300.000 Barrel pro Tag aus dem Iran importieren, was in etwa dem im Oktober verzeichneten Importvolumen entspricht. Somit können zwar Japan und Korea ihre insgesamt 300.000 Barrel pro Tag weiterhin aus dem Iran importieren, China kann jedoch einen Bedarf in gleicher Höhe nicht mehr über den Iran decken, sondern muss diese Menge am freien Markt beziehen. Alles in allem hat dies also nur geringfügige Auswirkungen auf das weltweite Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage.
    Zwar waren wesentliche preistreibende Faktoren über weite Teile des bisherigen Jahresverlaufs 2018 weitgehend rückläufig und hat auch der spekulative Rückhalt der Rohölpreise nachgelassen. Im Hinblick auf 2019 dürfte das größte Risiko für die Rohölmärkte jedoch in den derzeit besonders geringen freien Kapazitäten liegen. Im Gegensatz zu den letzten zehn Jahren ist die Opec nicht mehr in der Lage, unerwartete Angebotsschocks – zum Beispiel aufgrund von Förderausfällen bei einem wichtigen Lieferanten (zum Beispiel Venezuela) oder einem überraschenden Nachfrageanstieg, beispielsweise aufgrund neuerlicher Konjunkturmaßnahmen in China – in wesentlichem Maße auszugleichen.
    "Diese Energieaktien bevorzugen wir"
    Sollte das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage in den kommenden Monaten bestehen bleiben und der Abbau spekulativer Positionen andauern, können Anleger davon ausgehen, dass sich die Rohölpreise erneut im Bereich um 65 bis 70 US-Dollar je Barrel und somit etwa auf dem Niveau stabilisieren werden, auf dem sie vor der im Mai erfolgten Bekanntgabe der Wiedereinführung der Sanktionen gegen den Iran lagen. Vor diesem Hintergrund sorgen die Gewinnerholung im Energiesektor und der weltweite Kursrückgang bei Energieaktien um fast 9 Prozent seit Juli dafür, dass Energieaktien derzeit knapp über dem 1,5-Fachen des Buchwerts gehandelt werden. Historisch betrachtet bieten Bewertungen unter diesem Niveau einen attraktiven Einstiegspunkt für Anleger.
    Innerhalb des weltweiten Energiesektors bevorzugen wir nach wie vor integrierte europäische Energieunternehmen. Diese haben im bisherigen Jahresverlauf deutlich besser abgeschnitten als der übrige Sektor und dürften diese Entwicklung auch Anfang 2019 fortsetzen. Integrierte europäische Energieunternehmen haben im dritten Quartal 2018 einen freien Cashflow in Höhe des Vierfachen ihres historischen Zehnjahresdurchschnitts generiert. Während diese Unternehmen bei fast allen wichtigen Kennzahlen Rekordergebnisse lieferten, litt die Entwicklung der Aktienkurse jedoch stark unter den niedrigen zugrunde liegenden Rohölpreisen. Doch trotz des Rückgangs der zugrunde liegenden Rohölpreise erwarten wir, dass die Generierung solider freier Cashflows bei den großen europäischen Ölgesellschaften in den kommenden Jahren andauern wird. Zusammen mit der derzeitigen Kapitaldisziplin dürfte dies vermehrt Aktienrückkäufe und Dividendenerhöhungen ermöglichen, die die Aktienkurse steigen lassen.

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