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     1262  2 Kommentare Das deutsche Immobilienwesen – ein Silvesterscherz

    Jetzt kommt die Börse wohl doch nicht ungeschoren davon. Es gibt zwar immer wieder Gegenbewegungen, doch allein schon, dass jetzt Erinnerungen an 1931 aufgekommen sind, ist nicht gerade ermutigend. Wird das jetzt eine größere Krise, die den Immobilienboom in Deutschland ebenfalls trifft?  

    Eigentlich wünsche ich mir kaum etwas mehr als das. Denn ich hasse niemanden mehr als diejenigen, die diese ganzen Pappwände-Karnickelställe für Menschen planen, entwickeln und bauen.  

    Im ablaufenden Jahr bin ich selbst ebenfalls mächtig hereingefallen. Da ich eigentlich nichts anderes mache, als am Schreibtisch zu sitzen und zu schreiben, wollte ich mir etwas ganz Besonderes gönnen: eine richtig ruhige Wohnung.  

    Natürlich hatte ich die Rechnung hier nicht ohne unsere Silvesterscherz-Architekten und Böllerknaller-Bauausführung gemacht. Denn von wegen Ruhe. Die Außenwände des Hauses, in dem ich jetzt wohne, sind zwar so dick, dass sie einen Atombombenschlag überstehen würden, dafür schallt es jedoch durch das ganze Haus, wenn irgendwo jemand nur einmal den Klodeckel fallen lässt.  

    Meine Güte, was habe ich mich da foppen lassen. Auf so etwas bin ich wirklich nicht gekommen. Dabei kostet bei mir allein der Bereich der begehbaren Dusche fast so viel an Miete wie eine Sozialbauwohnung. 

    Und ich weiß, dass der einzige Grund dafür, dass Berlin überhaupt noch von Flugzeugen angeflogen wird, darin liegt, dass die Flughafengebäude nur einer Brandschutz-, aber keine Schallschutzverordnung unterliegen.

    An dieser Stelle ist es mir ein großes Bedürfnis, mich vor der DDR-Plattenbauweise zu verneigen. Was für ein Geniestreich menschlicher Baukunst das darstellt, mit so einfachen Mitteln etwas hervorzubringen, das dem, was man heute macht, in nichts nachsteht. Obwohl es nur Bruchteile davon kostet. Wäre ich doch nur in die Platte gezogen.

    Wie alt werde ich wohl werden müssen, um es noch erleben zu können, morgens beim Aufstehen nicht meinen Nachbarn ebenfalls in meinem Badezimmer zu wähnen? Und dafür auch noch einen Preis abzudrücken müssen, als wohnte ich im Hotel.

    Doch jetzt noch einmal umziehen? Viele sagen ja, umzuziehen wäre wie abzubrennen. Da Asche jedoch nicht brennt, habe ich möglicherweise noch eine Chance. Vielleicht reicht es jedoch auch, bald die ganzen Projektemacher tatsächlich hängen zu sehen.

    Ich wünsche Ihnen einen guten und sanften Rutsch ins Neue Jahr. Genießen Sie die Tage bis Silvester, denn 2019 wird fürchterlich.        



    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Das deutsche Immobilienwesen – ein Silvesterscherz Und jetzt die große Krise?