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     1144  1 Kommentar Wie einst der Führer in seinem Bunker

    In dieser Woche bin ich auf zwei französische Philosophen gestoßen, die mir mit ihrem klaren Blick komplett den Atem geraubt haben. Ich denke, eigentlich braucht man hierzu keine Franzosen, es gibt in unserem Land sicher ebenso kluge Köpfe, die sehr genau sehen, was derzeit in Europa (und der Welt) passiert, doch so klar auf den Punkt gebracht gesehen wie durch Alain Finkielkraut und Christophe Guilluy habe ich das noch nirgendwo.

     

    Nur ein paar Versatzstückchen, um das zu illustrieren. Finkielkraut sagt, Europa sei nicht dazu berufen, eine multikulturelle Gesellschaft zu werden. Er glaubt auch, dass der Antisemitismus in Frankreich und Europa ein Randproblem wäre, wenn unsere Gesellschaften nicht gegen ihren Willen in multikulturelle Gesellschaften umgeformt worden wären.

     

    Guilluy fordert, endlich zur Kenntnis zu nehmen, dass es die heutigen Protestwähler nichts mehr mit den Kategorien des Nationalismus oder den Ideologien des Nationalsozialismus zu tun haben, und sagt: „Denen geht es nur um ihre Lebenswirklichkeit. Die fragen sich nur: Wie geht es mir und meinen Kindern?“

     

    Die Politik solle daher schleunigst darangehen, die Ängste großer Teile der Bevölkerung zu thematisieren und sich nicht in der Postur moralischer Überlegenheit einzumauern.

     

    Die Ungleichheit der Einkommensverteilung per se hält er für keine Gefahr für unsere Gesellschaft, denn es hat sie immer gegeben. Im Kontext der von weiten Teilen der Bevölkerung ungewollten Migration wird jedoch die Verletzung dessen, was er die „unsichtbare Grenze“ nennt, zum Problem. Denn die Reichen in den Städten können selbst bestimmen, wo sie wohnen und wer ihr Nachbar wird. Was jedoch in den unteren Einkommensschichten und auf dem Land nicht möglich ist.

     

    Im Prinzip ist also alles bekannt, wir haben überall kluge und reflektierte Menschen, die sagen, was Sache ist. Doch auch wenn sie klar aufzeigen, dass das Hissen eines lila Ballons zu großen Verwerfungen in der Gesellschaft führen wird, dann kümmert das unsere städtische Führungselite, die sich aus großen Teilen der Politik, den großen Unternehmen und den dominierenden Medien zusammensetzt, kein Stück.

     

    Völlig ungerührt hissen sie an jedem Tag erneut den lila Ballon.

     

    Und gehen anschließend in den Keller und arbeiten wie einst der Führer in seinem Bunker ihre Pläne weiter aus, wie sie es schaffen können, ihre eigene Voreingenommenheit bis zum letzten Mann zu verteidigen.

     

    Und, wie man das heute ja noch anführen muss, auch bis zur letzten Frau und zum letzten Vertreter des dritten bis n-ten Geschlechts. Sowie natürlich der Bienen.

     

     

     


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Wie einst der Führer in seinem Bunker Die eigene Voreingenommenheit bis zum letzten Mann verteidigen