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     1572  0 Kommentare Target2: Crash-Beschleuniger oder nützliches perpetuum mobile?

    Tausende Analysen zu Target2 kommen meistens zum gleichen Ergebnis: Die Zwangsakzeptanz der EZB-Forderungen durch die Deutsche Bundesbank & Co. wird zum Finanzkollaps führen. Folgender Kurzbeitrag erklärt, warum dieser Befund falsch sein kann. 

    Warum sollen Target2-Salden schädlicher als andere Konjunkturprogramme sein? 

    Das Target2-System fördert den Außenhandel der Mitgliedsländer, weil es Finanzierungsschranken kippt. Die Exportchampions, so wie eben Deutschland, finanzieren hier ihre Überschüsse selber. Die Bundesbank bezahlt die Rechnung des deutschen Exporteurs und wartet bis z.B. der griechische Importeur diese bezahlt. Alles läuft über die EZB. Im Endeffekt haben die deutsche Zentralbank bei ihr eine Forderung, die griechische eine Schuld. Dies Forderungen und Schulden steigen exorbitant, es gibt keine Obergrenze. 

    Früher und heute außerhalb der Euro-Systems ging so etwas oft nur unter Finanzierungsvorbehalt – ohne Finanzmittel kein Handel, oft über Kreditaufnahmen des Importeurs. Die Einbeziehung privater Banken in die Außenhandelsfinanzierung barg und birgt realwirtschaftliche Gefahren (Domino-Effekt), die im Target2 verschwinden oder - genauer formuliert - auf die EZB-Ebene verlagert werden. 
    Bis auf die Akzeptanz der EZB-Forderungen durch die Zentralbanken der Überschussländer geschieht alles freiwillig. Unterscheidet sich Target2 von klassischen Konjunkturprogrammen auf Pump? Wohl kaum.

    Akzeptanz des Systems auch deswegen, weil es „keine Geschädigten“ gibt

    Es gibt demnach „nur Profiteure“. In der Realsphäre machen Exportunternehmen Gewinne und sichern Arbeitsplätze, leistungsschwache Importländer leben auf fremde Kosten. Das Letzte ist nicht gerade schön, aber aus Sicht des Schuldners bequem. Auch in der Finanzsphäre gibt es keine Nachteile. Vereinfacht formuliert, bleiben die Importeur-Kredite bei den Gläubiger-Zentralbanken und der EZB „hängen“ und blähen deren Bilanzen auf. Dies Geldschöpfung erhöht die Geldmenge, sie bleibt aber inflationsunwirksam, weil sie nicht in den Realkreislauf gerät. Target2-Forderungen sind nicht fungible Aktiva.

    Solange die Bundesbank auf ihr Geld nur warten muss und vom Forderungsberg (knapp 1 Bill. €) nichts abschreibt, macht sie keinen Verlust. Auch die EZB schreibt nichts ab. Trotz des Saldengefälles – in der Realität produziert die Nord-EU Exportüberschüsse, die Süd-EU Defizite - herrscht hartnäckige aber akzeptierte Realitätsverweigerung in Bezug auf die Vollwertigkeit der Forderungen. Vielleicht glauben die Zentralbanker und Politiker tatsächlich ein ökonomisches perpetuum mobile erfunden zu haben? 

    Die Zentralbanken haben zudem (noch?) genug Eigenkapital. Die Eigner müssen also wegen Target 2 kein Eigenkapital nachschließen und die Steuerzahler zur Kasse bitten. Von der Seite droht also keine Aufregung. 

    Sollten die Euro-Länder irgendwann doch beschließen Nominalschnitte in den Zentralbankbilanzen - wie bei einer Währungsreform - z.B. im Verhältnis 100:1 machen, ist dieser Schritt für die Gläubigerländer ökonomisch kein Desaster. Die Forderungen der Bundesbank gingen dann zu 99% „verloren“ und fielen auf etwa 10 Mrd. €. Deutschland würde dadurch nicht ärmer werden. Denn die laufenden und vergangenen Konjunktureffekte der Exportwirtschaft bleiben hiervon unberührt und die Forderungsdenominierung der Bundesbank hätte keine Auswirkung auf den privaten Bankgensektor. Wegen konjunktureller Multiplikatoreffekte für die Gesamtwirtschaft könnte selbst „ein Verschenken“ von Gütern ins Ausland (Entwicklungshilfe) per Saldo lohnend sein, wenn die Wertschöpfung (Löhne plus Gehälter) in der Export-Zulieferindustrie den Wert der Schenkungen übersteigt. So funktionieren alle Konjunkturprogramme, die zunächst die Wirtschaft ankurbeln und diese dann weiter von selbst läuft. 

    Wozu also das Gejammer um die Target2-Gefahren? 

    Wenn wir Deutschen wegen der Uneinbringlichkeit unserer „Target2-Guthaben“ jammern, dann heucheln wir gehörig. Im Endeffekt holt sich auch die Bundesbank per Knopfdruck das Geld von der EZB um den heimischen Exporteur zu bezahlen und nicht über die Kreditaufnahmen bei den privaten Banken. Irgendwie ist diese Geldschöpfung also doch „umsonst“.  

    Selbstverständlich ist das Target2-System als Finanzierungssystem des Außenhandels wettbewerbsschädlich und suboptimal, weil es den Ansporn zur Leistungsanstrengung beim Importeur behindert. Dennoch sind Importe auf Pump eher die Regel als die Ausnahme. Der florierende Osthandel der 1970er und 1980er Jahre basierte darauf. Ansteckungsgefahr besteht zudem, wenn die Wirtschaftssubjekte die Denominierung der EZB-Bilanzen als allgemeines Crash-Signal interpretieren würden und ein panischer Run auf die Gelschalter starten. Dem kann vorgebeugt werden, wenn die Regierungen eine echte juristische Bestandgarantie (nicht solche wie von Merkel & Steinbrück in 2011) für die Privatsparer abgeben werden. 

    Fazit: Wenn unser Otto-Normal-Verbraucher heute gefragt wird, worauf er eher verzichten würde, auf steigende Target2 - Salden oder auf Exporte und Arbeitsplätze dürfte die Antwort klar sein. Der Arbeitsplatzverlust tut weh, der Saldoanstieg nicht. In der drohenden Konjunkturflaute kann passieren, dass Ökonomen den Rückzug machen und Target2 zu loben anfangen. Auch bestimmte ökonomische Meinungen haben Konjunktur. Denn außer der Floskel, „die Verschuldungsblase muss doch einmal platzen“, haben die Kritiker von Target2 nur wenig Gegenargumente. 

    Auffallend im Anlagebereich ist, dass Crash-Propheten die wachsenden Schuldenberge für die Promotion ihrer „Rettungsstrategien“ missbrauchen. Die Performance solcher Anlageideen bleibt oft auf der Strecke.  

    Dr. Viktor Heese – Fachbuchautor und Finanzanalyst; www.finanzer.eu
     




    Dr. Viktor Heese
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    Dr. Viktor Heese ist promovierter Volkswirt und war bis 2010 dreißig Jahre bei verschiedenen Großbanken im Wertpapierresearch tätig. Heese spezialisierte sich auf Versicherungs- und Bankaktien sowie Kapitalmarktanalyse. 2010-2013 leitete er das Deutsch-Russische-Zentrum- für Wirtschaftsforschung und deutsches MBA in Moskau. Seit 2014 ist er als Fachbuchautor und Publizist freiberuflich tätig und bietet Fachseminare zu Börsen- und Bankthemen an. Er ist Herausgeber des Anleihen-Börsenbriefes „Der Zinsdetektiv“
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    Verfasst von Dr. Viktor Heese
    Target2: Crash-Beschleuniger oder nützliches perpetuum mobile? Tausende Analysen zu Target2 kommen meistens zum gleichen Ergebnis: Die Zwangsakzeptanz der EZB-Forderungen durch die Deutsche Bundesbank & Co. wird zum Finanzkollaps führen. Folgender Kurzbeitrag erklärt, warum dieser Befund falsch sein kann.  …

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