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    Interview  5805 Baumot: Mit Volkswagen „genau ins Schwarze getroffen”

    Schon rund 12.000 Halter von VW-Dieselfahrzeugen haben sich für die Förderung zur Nachrüstung ihrer PKW bei dem norddeutschen Autobauer registrieren lassen, verrät Baumot-Chef Marcus Hausser im Interview mit unserer Redaktion. Nach der Zulassung des BNOx-Systems durch das Kraftfahrtbundesamt wittert die Gesellschaft aus Königswinter bei Bonn ein großes Geschäft. „Alleine die mit der ersten Zulassung adressierten VW-Fahrzeuge bieten uns Umsatzpotenzial im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich”, so Hausser, der in dem Gespräch Einblicke in die weiteren Pläne des Unternehmens gewährt. So will Baumot im nächsten Schritt Daimler-PKW in den Fokus nehmen.

    Das Kraftfahrtbundesamt hat Baumots BNOx-System für insgesamt 61 Modelle von Marken des VW-Konzerns zugelassen. Was denken Sie, wann wird das erste Auto mit dem BNOx-System in Deutschland über die Straßen fahren?

    Hausser: Das ist bereits heute der Fall. Am 23. August 2019 wurde erstmalig unser BNOx-System in den Fahrzeugschein eines Volkswagens eingetragen. Es handelt sich hier um einen VW Passat. Der PKW ist das erste offiziell nachgerüstete VW-Fahrzeug, das ohne Sondergenehmigung zum Straßenverkehr zugelassen wurde und damit von Fahrverboten ausgenommen ist. Die ersten BNOx-Seriensysteme werden wir voraussichtlich noch im Oktober ausliefern, eine flächendeckende Nachrüstung erwarten wir dann entsprechend beginnend mit dem vierten Quartal.

    Bisher beschränkt sich die Zulassung ja auf diverse Fahrzeuge des VW-Konzerns. Haben Sie bereits weitere konkrete Anträge für weitere VW-Fahrzeuge und Modelle anderer Hersteller beim Kraftfahrtbundesamt gestellt, oder wann sollen weitere gestellt werden?

    Hausser: Alleine die mit der ersten Zulassung adressierten VW-Fahrzeuge bieten uns Umsatzpotenzial im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich. Wir werden allerdings auch noch kurzfristig einen Antrag zur Erteilung der Allgemeinen Betriebserlaubnis (ABE) für Euro5-Diesel des Daimler-Konzerns stellen. Schon in dieser Woche wird eine nachgerüstete Mercedes E-Klasse die notwendigen Tests durchlaufen. Das wird schätzungsweise anderthalb bis zwei Wochen gehen. Danach kann dann der Antrag beim KBA für die Daimler Fahrzeugtypen gestellt werden. Auch hier verfolgen wir wieder die gleiche Strategie wie bei den VW-Fahrzeugen. Zur beantragten Prüffamilie zählen neben der Mercedes E-Klasse auch die Mercedes C-Klasse und der Mercedes GLK sowie Fahrzeuge der Front-Quer Plattform wie die Mercedes A-Klasse und die Mercedes B-Klasse.

    Wie schnell kann die Behörde über solche Anträge entscheiden?

    Hausser: Von Herrn Scheuer besteht die Aussage, dass bei Vorliegen aller Unterlagen eine Genehmigung innerhalb von 14 Tagen erteilt werden würde. Mit den bisherigen Praxiserfahrungen mit dem KBA im Gepäck richten wir uns jedoch eher auf drei Wochen ein.

    Wie hat sich Baumot auf diesen „Meilenstein” der Zulassung operativ vorbereitet? Bestehen bereits Lagerbestände der Systeme in größerer Stückzahl oder müssen diese noch produziert werden?

    Hausser: Wir verfolgen eine Beschaffungs- und Absatzstrategie in unserem Partnernetzwerk. Innerhalb dieses Netzwerks realisiert Baumot die Entwicklungsarbeiten und ist natürlich Eigentümerin der Zulassungen. Unsere strategischen Partner fertigen dann für uns die entsprechenden Baugruppen der BNOx-Systeme. Der Absatz der BNOx-Systeme wird über Logistikpartner an die durch Baumot qualifizierten und zertifizierten Abnehmer erfolgen. Die Fahrzeughalter werden über diese Partner versorgt.

    Wie schnell können die entsprechenden Werkstätten etc. mit dem Einbau der Systeme starten, oder wird noch Zeit zum Beispiel für Schulungen der Mechaniker vergehen?

    Hausser: Die ersten Systeme wollen wir, wie erwähnt, noch im Oktober ausliefern, sodass dann unmittelbar mit dem Einbau der Systeme begonnen werden kann. Der Einbau selbst gestaltet sich für Mechatroniker relativ unkompliziert. Aufwendige Schulungen sind hierfür nicht notwendig. Für den Einbau kalkulieren wir ca. vier Stunden, also einen halben Tag.

    Mit welchen Kosten ist für die Nachrüstung eines einzelnen Fahrzeugs zu rechnen?

    Hausser: Inklusive Einbau rechnen wir mit Kosten in Höhe von circa 3.300 Euro.

    Volkswagen hat zwischenzeitlich die Details zur Bezuschussung dieser Nachrüstung im Internet veröffentlicht. Wie fielen die Reaktionen von Seiten der Fahrzeughalter in den ersten Tagen aus, seit die BNOx-Zulassung amtlich ist und VW die Informationen vorgelegt hat?

    Hausser: Mit der Zulassung für Fahrzeuge aus dem Volkswagenkonzern haben wir genau ins Schwarze getroffen. Die Rückmeldungen der Halter aber auch der Werkstattbetreiber sind mehr als positiv. Für den Halter gibt es die Möglichkeit, sich bei www.dieselnachruestung.eu zu registrieren um alle Informationen zur Systemverfügbarkeit und seiner nächsten Werkstatt zu erhalten. Etwa 12.000 Halter haben von diesem Angebot bereits Gebrauch gemacht.

    Finden Sie es fair, dass die Autobauer wie Volkswagen bisher lediglich für Fahrzeughalter in diversen Regionen eine Förderung für die Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen zahlen? Eine Pflicht zur Nachrüstung besteht für die Autobesitzer ja nicht. Was denken Sie, warum sie trotzdem nachrüsten werden?

    Hausser: Ohne Nachrüstsystem verlieren Euro5-Diesel extrem an Wert, da die Halter durch die Fahrverbote in ihrer Nutzung eingeschränkt sein können. Insgesamt finde ich es gut, dass sich Automobilhersteller wie Volkswagen und auch Daimler an den Kosten der Nachrüstung beteiligen. Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass diese Förderung jedem Euro5-Diesel-Besitzer deutschlandweit zur Verfügung gestellt wird. Es freut uns aber trotzdem, dass Halter von Fahrzeugen der Marken Audi, Oktavia, Seat, Volkswagen und Volkswagen Nutzfahrzeuge mit einem Euro5-Dieselmotor einen Antrag auf Bezuschussung stellen können, wenn sie über eine PKW-Zulassung verfügen und in einer der 15 Intensivstädte oder den jeweils angrenzenden Landkreisen wohnen. Auch Halter, deren Arbeitsplatz oder Bildungseinrichtung sich innerhalb eines Radius von 100 km Luftlinie zur betroffenen Intensivstadt befindet, können die Bezuschussung beantragen. Wir empfehlen jedem Halter, seine mögliche Förderung auf der entsprechenden Seite von VW zu überprüfen.

    Sie erwarten allein mit den VW-Konzernmodellen einen Umsatz von 170 Millionen Euro bis 2022. Hat Baumot derzeit überhaupt die Strukturen und Kapazitäten, um dieses Wachstum zu managen, oder steht ihnen hier noch Aufbauarbeit bevor?

    Hausser: Unter der Prämisse „Ressourcenschonend und effizient“ haben wir die Fahrzeuge unter Berücksichtigung der modernen Baukastenstrategie der Fahrzeugbauer ausgewählt. Unter der gleichen Prämisse arbeiten wir, wie erwähnt, auch eng mit unseren Partnern aus unserem Netzwerk zusammen. Wir haben strategische Partner an der Hand, die die entsprechenden Kapazitäten zur Fertigung der Baugruppen haben. Große Aufbauarbeiten oder ähnliches stehen daher nicht an. Außerdem ist das PKW Volumengeschäft nicht neu für Baumot, so wurden bereits vor einigen Jahren auch die Dieselpartikelfilter (DPF) mit der „Grünen Plakette“ erfolgreich in den Markt gebracht.

    Wie wirkt sich die neue Lage im heimischen PKW-Geschäft auf ihre anderen Aktivitäten aus, zum Beispiel im Bereich der Nutzfahrzeuge oder Schiffe. Werden Sie diese nun zugunsten des PKW-Geschäfts zurückfahren, oder wie bisher weiterführen?

    Hausser: Natürlich sind wir nun sehr stark auf das PKW-Geschäft fokussiert, da dies momentan das höchste Umsatzpotenzial für Baumot bietet. Wir sind aber nach wie vor in unseren anderen Bereichen aktiv. Im Mittleren Osten und in Italien haben wir beispielsweise schon im ersten Quartal 2019 gegenüber dem Vorjahr einen deutlichen Umsatzsprung erzielt und auch der deutlich gestiegene Ordereingang zeigt, dass wir absolut auf dem richtigen Weg sind. Auch die Stadtbusnachrüstung in Großbritannien ist in vollem Gange und wurde sogar auf Überlandbusse ausgeweitet. Gerade in Großbritannien sind wir mit unserer eigenen Tochtergesellschaft fest im Markt etabliert und eine Größe in der Nachrüstbranche. Diese Erfahrungen werden uns auch zugutekommen, wenn die Busnachrüstung in anderen Ländern an Fahrt aufnimmt.

    Wagen wir an dieser Stelle doch einen Blick in die Zukunft. Was sind Baumots langfristige Pläne über die Fahrzeugnachrüstung hinaus? Wie sehen ihre Planungen zum Beispiel im Bereich der „OEM-Produkte” oder als Zulieferer für Modul- und Systemlieferanten aus?

    Hausser: Natürlich ist der Diesel aktuell wieder in aller Munde. Genauso präsent ist vor dem Hintergrund des Klimawandels aber auch der Wandel, in dem sich die Automobilindustrie insgesamt befindet. Mit all der Unsicherheit, die heute immer noch in Bezug auf mögliche Alternativen besteht – elektrische Antriebe, Wasserstoff, Brennstoffzelle – sind wir mehr denn je davon überzeugt, dass der Diesel eine wichtige Rolle dabei spielen wird, die individuelle Mobilität zu sichern und gleichzeitig den CO2-Ausstoss zu minimieren. Zunehmend werden für uns neben der Dieselnachrüstung jedoch auch weitere Geschäftsfelder relevant. Beispielsweise setzen immer mehr Busflottenbetreiber auf einen Zwischenschritt und planen die Hybridisierung ihrer Flotten. Hier kann Baumot in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Und auch die telematische Nutzung der im Nutzfahrzeug generierten Emissions- und Nutzungsdaten wird zunehmend nachgefragt. Diese Daten können in Zukunft zur Steuerung von Verkehrsströmen in Städten genutzt werden, um beispielsweise bei erhöhter Belastung in bestimmten Bereichen alternative Routen zu nutzen.

    Wir werden uns daher mit unseren existierenden Technologien und auf dem Fundament existierender Kundenbeziehungen und Vertriebskanälen weiter vom Abgasnachbehandler zum Anbieter von Lösungen für saubere Mobilität entwickeln.

    Wäre ein Einbau der derzeitigen Version ihrer BNOx-Systeme direkt bei der Produktion von Neufahrzeugen möglich, oder muss hier noch Entwicklungsarbeit geleistet werden?

    Hausser: Es macht keinen Unterschied, ob das BNOx-System in einen älteren Diesel oder einen Neuwagen eingebaut wird.

    Dieses Interview ist eine Kooperation von wallstreet-online mit der Redaktion von www.4investors.de.






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    Verfasst von wO Gastbeitrag
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