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     889  1 Kommentar Leben in der Negativzins-Welt

    Neulich habe ich etwas gemacht, was ich vorher selbst nie für möglich gehalten hätte. Denn ich habe die neue 30-jährige Bundesanleihe gekauft, die unverzinslich ist, und zu einem höheren Kurs emittiert worden ist, als sie zurückgezahlt wird.

     

    Als ich zufällig geschaut hatte, war das Papier gerade auf 102,60 zurückgefallen. Da habe ich zugegriffen. Für mich ist das eine Vermögenssicherung. Und ich finde, die ist gar nicht so teuer.

     

    Natürlich haben wir für Bankeinlagen eine Einlagensicherung, doch wenn es wirklich eine Serie von Bankenpleiten gibt, wird die Einlagensicherung nicht mehr greifen können. Die Staatsfinanzen würden Bankenzusammenbrüche hingegen überstehen, das glaube ich schon.

     

    Und die Absicherungskosten bei meiner Bundesanleihe sind gar nicht so hoch, 0,9 Promille im Jahr. Würde ich Bargeld in mein Schließfach packen, würde mich die Versicherung dort zwar nur 0,6 Promille im Jahr kosten, doch ob man mir im Schadensfall glauben wird, dass ich das Geld da wirklich drin hatte?

     

    Natürlich sichere ich so nur den Nominalwert und erleide real Verluste. Das ist natürlich unangenehm, doch das ist ja gerade die Idee der Negativzinsen.

     

    Und ich denke, dass sich derzeit niemand wirklich ausmalt, was hier auf uns zukommen wird. Das, was wir gerade erleben, ist erst der Anfang. Von daher ist meine Bundesanleihe natürlich auch eine Spekulation. Denn wenn die Sicherungskosten, beziehungsweise der Negativzins, auf 1 % p.a. steigen, klettert die Anleihe auf 130.

     

    Dennoch werden diejenigen Vermögenseigentümer, die nicht hoch in Aktien investiert sind, durch den Negativzins in der Summe Verluste machen. Doch ist das nicht auch irgendwie gerecht?

     

    Die Negativzinspolitik der EZB wird ja nahezu überall kritisiert, doch wenn ich sie mir einmal recht anschaue, finde ich sie eigentlich gar nicht so dumm.

     

    Schlimm ist sie natürlich für Kleinsparer und für die Altersvorsorge. Doch wenn wir erst einmal richtig Negativzinsen von vielleicht 5 % auf jegliche Geldhaltung bekommen, dann wird das durchaus viele wirtschaftliche Probleme bei uns erledigen. Und bei den Staaten wie den Zentralbanken werden Gewinne anfallen, die man dann wiederum der Altersvorsorge zu Gute kommen lassen kann, beispielsweise durch Steuergutschriften als Zinsersatz.

     

    Zudem wird das Problem der Umverteilung auf ziemlich elegante Weise gelöst, ganz ohne eine strittige und kompliziert zu erhebende Vermögensteuer. Und die Wirtschaft wird dann richtig boomen, wenn die Leute merken, dass es besser ist, das Geld so schnell wie möglich auszugeben, und es nicht zu horten.

     

    Das wird eine völlig andere Welt sein, in der wir dann leben, im Vergleich zu derjenigen, in der wir groß geworden sind. Ich will jetzt nicht unbedingt eine Lanze für die Negativzins-Welt brechen, doch ich sehe dort auch gewisse Vorteile.

     

    Und letztlich ist jede moralische Überlegung hier ja sowieso fehl am Platze. Denn eine alles überziehende Negativzins-Welt wird kommen, da bin ich mir ziemlich sicher.

     

    Deswegen denke ich, ist es sinnvoller, sich darauf einzustellen und sich entsprechend zu positionieren, als lange zu lamentieren, dadurch jedoch sowieso nichts zu ändern.

     

     


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Leben in der Negativzins-Welt Es wird alles anders werden, als es vorher war