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     143  0 Kommentare Im Wachkoma / Kommentar zur Lage der Welthandelsorganisation WTO von Stefan Reccius

    Frankfurt (ots) - In der Pandemie nimmt der Welthandel Züge eines Basars an. Aus
    verschiedenen Ecken kommen Beschwerden, die US-Regierung greife für andere
    Länder bestimmte Schutzausrüstung ab. Ob Washington diese nun auf halbem
    Transportwege konfisziert oder Lieferverträge storniert und neu aufsetzt, ist
    fast schon nebensächlich. Das fatale Signal in der Krise: Jeder ist sich selbst
    der Nächste. Die immer wieder zu vernehmenden Appelle zu internationaler
    Solidarität und Zusammenarbeit klingen mit Blick auf die Handelspolitik wie
    hohle Phrasen.

    Längst geht es nicht mehr nur um Masken und Beatmungsgeräte. Vietnam und
    Kambodscha haben Reislieferungen ins Ausland eingestellt, Ägypten hat den Export
    von Hülsenfrüchten ausgesetzt, Russland und Nachbarn aus der Eurasischen
    Wirtschaftsunion halten Getreide, Sojabohnen und andere Lebensmittel vom
    Weltmarkt zurück. Auch die Bundesregierung kann sich nicht freisprechen, seit
    sie Anfang März mit einem Exportverbot für Schutzmasken Kritik von Seiten der EU
    und anderer europäischer Länder auf sich gezogen hat. Und immer mehr Länder
    ziehen nach.

    Die Ansage von Roberto Azevêdo, Chef der Welthandelsorganisation (WTO), ist auch
    als Seitenhieb zu verstehen: "Wenn die Regierungen zusammenarbeiten, wird die
    Erholung schneller sein, als wenn jedes Land für sich allein agiert." Die WTO
    steht in dieser Krise ohnmächtig an der Seitenlinie - wieder einmal. Die
    Kombination aus Handelskriegen und globaler Pandemie zersetzt den Welthandel und
    seine zentrale Institution in einer Weise, die nur einen Schluss zulässt: In
    Handelsfragen dominiert wieder das Recht des Stärkeren, nicht die Herrschaft des
    Rechts.

    Die WTO befindet sich im Wachkoma. Der Streitbeilegungsmechanismus ist
    lahmgelegt, weil die USA die Nachbesetzung von Richterstellen blockieren.
    Inzwischen stauen sich Dutzende Verfahren. Die EU hat sich mit 15 weiteren
    WTO-Mitgliedern darauf verständigt, Streitfälle an ein separates Gremium
    auszulagern. Gestern hat der EU-Ministerrat neue Vorschriften auf den Weg
    gebracht, um Gegenmaßnahmen wie Zölle oder Mengenbeschränkungen für Im- und
    Exporte ohne das finale Plazet der WTO zu verhängen, solange die
    Berufungsinstanz blockiert ist. Auch das schafft Fakten.

    Aufgrund der Pandemie musste die WTO die für Juni geplante Ministerkonferenz,
    ihr wichtigstes Beschlussorgan, canceln. Auch das zeigt: Die Coronakrise hat das
    Unterfangen, den Patienten WTO und den schon seit dem Vorjahr rückläufigen
    Welthandel zu reanimieren, bedeutend erschwert.

    (Börsen-Zeitung, 09.04.2020)

    Pressekontakt:

    Börsen-Zeitung
    Redaktion

    Telefon: 069--2732-0
    www.boersen-zeitung.de

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