Im Wachkoma / Kommentar zur Lage der Welthandelsorganisation WTO von Stefan Reccius
Frankfurt (ots) - In der Pandemie nimmt der Welthandel Züge eines Basars an. Aus
verschiedenen Ecken kommen Beschwerden, die US-Regierung greife für andere
Länder bestimmte Schutzausrüstung ab. Ob Washington diese nun auf halbem
Transportwege konfisziert oder Lieferverträge storniert und neu aufsetzt, ist
fast schon nebensächlich. Das fatale Signal in der Krise: Jeder ist sich selbst
der Nächste. Die immer wieder zu vernehmenden Appelle zu internationaler
Solidarität und Zusammenarbeit klingen mit Blick auf die Handelspolitik wie
hohle Phrasen.
Längst geht es nicht mehr nur um Masken und Beatmungsgeräte. Vietnam und
Kambodscha haben Reislieferungen ins Ausland eingestellt, Ägypten hat den Export
von Hülsenfrüchten ausgesetzt, Russland und Nachbarn aus der Eurasischen
Wirtschaftsunion halten Getreide, Sojabohnen und andere Lebensmittel vom
Weltmarkt zurück. Auch die Bundesregierung kann sich nicht freisprechen, seit
sie Anfang März mit einem Exportverbot für Schutzmasken Kritik von Seiten der EU
und anderer europäischer Länder auf sich gezogen hat. Und immer mehr Länder
ziehen nach.
verschiedenen Ecken kommen Beschwerden, die US-Regierung greife für andere
Länder bestimmte Schutzausrüstung ab. Ob Washington diese nun auf halbem
Transportwege konfisziert oder Lieferverträge storniert und neu aufsetzt, ist
fast schon nebensächlich. Das fatale Signal in der Krise: Jeder ist sich selbst
der Nächste. Die immer wieder zu vernehmenden Appelle zu internationaler
Solidarität und Zusammenarbeit klingen mit Blick auf die Handelspolitik wie
hohle Phrasen.
Längst geht es nicht mehr nur um Masken und Beatmungsgeräte. Vietnam und
Kambodscha haben Reislieferungen ins Ausland eingestellt, Ägypten hat den Export
von Hülsenfrüchten ausgesetzt, Russland und Nachbarn aus der Eurasischen
Wirtschaftsunion halten Getreide, Sojabohnen und andere Lebensmittel vom
Weltmarkt zurück. Auch die Bundesregierung kann sich nicht freisprechen, seit
sie Anfang März mit einem Exportverbot für Schutzmasken Kritik von Seiten der EU
und anderer europäischer Länder auf sich gezogen hat. Und immer mehr Länder
ziehen nach.
Die Ansage von Roberto Azevêdo, Chef der Welthandelsorganisation (WTO), ist auch
als Seitenhieb zu verstehen: "Wenn die Regierungen zusammenarbeiten, wird die
Erholung schneller sein, als wenn jedes Land für sich allein agiert." Die WTO
steht in dieser Krise ohnmächtig an der Seitenlinie - wieder einmal. Die
Kombination aus Handelskriegen und globaler Pandemie zersetzt den Welthandel und
seine zentrale Institution in einer Weise, die nur einen Schluss zulässt: In
Handelsfragen dominiert wieder das Recht des Stärkeren, nicht die Herrschaft des
Rechts.
Die WTO befindet sich im Wachkoma. Der Streitbeilegungsmechanismus ist
lahmgelegt, weil die USA die Nachbesetzung von Richterstellen blockieren.
Inzwischen stauen sich Dutzende Verfahren. Die EU hat sich mit 15 weiteren
WTO-Mitgliedern darauf verständigt, Streitfälle an ein separates Gremium
auszulagern. Gestern hat der EU-Ministerrat neue Vorschriften auf den Weg
gebracht, um Gegenmaßnahmen wie Zölle oder Mengenbeschränkungen für Im- und
Exporte ohne das finale Plazet der WTO zu verhängen, solange die
Berufungsinstanz blockiert ist. Auch das schafft Fakten.
Aufgrund der Pandemie musste die WTO die für Juni geplante Ministerkonferenz,
ihr wichtigstes Beschlussorgan, canceln. Auch das zeigt: Die Coronakrise hat das
Unterfangen, den Patienten WTO und den schon seit dem Vorjahr rückläufigen
Welthandel zu reanimieren, bedeutend erschwert.
(Börsen-Zeitung, 09.04.2020)
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de
Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/30377/4567975
OTS: Börsen-Zeitung
als Seitenhieb zu verstehen: "Wenn die Regierungen zusammenarbeiten, wird die
Erholung schneller sein, als wenn jedes Land für sich allein agiert." Die WTO
steht in dieser Krise ohnmächtig an der Seitenlinie - wieder einmal. Die
Kombination aus Handelskriegen und globaler Pandemie zersetzt den Welthandel und
seine zentrale Institution in einer Weise, die nur einen Schluss zulässt: In
Handelsfragen dominiert wieder das Recht des Stärkeren, nicht die Herrschaft des
Rechts.
Die WTO befindet sich im Wachkoma. Der Streitbeilegungsmechanismus ist
lahmgelegt, weil die USA die Nachbesetzung von Richterstellen blockieren.
Inzwischen stauen sich Dutzende Verfahren. Die EU hat sich mit 15 weiteren
WTO-Mitgliedern darauf verständigt, Streitfälle an ein separates Gremium
auszulagern. Gestern hat der EU-Ministerrat neue Vorschriften auf den Weg
gebracht, um Gegenmaßnahmen wie Zölle oder Mengenbeschränkungen für Im- und
Exporte ohne das finale Plazet der WTO zu verhängen, solange die
Berufungsinstanz blockiert ist. Auch das schafft Fakten.
Aufgrund der Pandemie musste die WTO die für Juni geplante Ministerkonferenz,
ihr wichtigstes Beschlussorgan, canceln. Auch das zeigt: Die Coronakrise hat das
Unterfangen, den Patienten WTO und den schon seit dem Vorjahr rückläufigen
Welthandel zu reanimieren, bedeutend erschwert.
(Börsen-Zeitung, 09.04.2020)
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