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     306  0 Kommentare 3 Prozent Zinsen von Volkswagen: Wie man Verwerfungen am Anleihemarkt richtig nutzt

    Angesichts der Corona-Krise zahlen Anleihe-Emittenten unter Umständen interessante Risikoaufschläge, obwohl sie das nach Unternehmenslage eigentlich gar nicht müssten. Anleger sollten sich nach solchen Gelegenheiten umsehen, rät Vermögensverwalter Thilo Stadler von I.C.M. Independent Capital Management.
    Thilo StadlerFoto: I.C.M. Independent Capital Management

    Die Volkswagen AG ist einer der weltgrößten Autobauer. Nach der schwierigen Zeit der Diesel-Krise ist das Unternehmen mit der Aufarbeitung weit vorangeschritten und operativ hiervon praktisch nicht mehr beeinträchtigt: 2019 wurden so viele Fahrzeuge verkauft wie nie zuvor. Nun standen oder stehen wegen des Corona-Lockdowns die Produktionsbänder still, die Absatzzahlen bewegen sich stark rückläufig.
    Von einer existenzbedrohenden Krise, einem Zahlungsausfall, kann aber keine Rede sein. Wenngleich die Ratingagenturen mit einer Abstufung drohen, so wird sich das bislang solide Rating der Volkswagen AG (BBB+ / A) auch weiterhin im gesicherten Investment Grade bewegen.
    Nur warum bietet Volkswagen dann plötzlich gut drei Prozent Zins für eine fünfjährige Anleihe?

    Quelle: I.C.M. Independent Capital Management

    Die Fakten:

    Volkswagen sucht am Morgen des 30. März Kapitalgeber, die bereit sind, dem Unternehmen für fünf Jahre 700 Millionen Euro zu einem Zinsaufschlag von plus 360 Basispunkten (Rendite etwa 3,35% p.a.) zu leihen.
    Nach etwa zwei Stunden gibt Volkswagen ein Update, wonach sich die Bücher gut füllen und der Zinsaufschlag deshalb auf 335 bis 345 Basispunkte reduziert wird.
    Am Nachmittag gibt Volkswagen bekannt, dass die Anleihe zu +335 Basispunkten vollständig am Markt platziert wurde. Das Angebot belief sich auf gut 1,2 Milliarden.


    Zugeteilt wird die Anleihe zu einem Kurs von 99,598% bei einem Zinskupon von drei Prozent jährlich – die Rendite liegt also bei etwa 3,1 Prozent

    Aus unserer Sicht war das trotz der (beinahe üblichen) Kürzung gegenüber der Ankündigung noch immer ein sehr attraktives Angebot, denn es lag deutlich über dem Markt für vergleichbare Emittenten (am 30. März bei etwa plus 190 Basispunkte) und auch weit über dem Zinsaufschlag, den Volkswagen in den zurückliegenden Jahren für Anleihen mit vergleichbarer Laufzeit zahlen musste. Letzteres zeigt der folgende Renditechart einer Volkswagen-Anleihe mit einer Laufzeit bis 2026. Der Risikoaufschlag bewegte sich seit längerer Zeit bei Werten von 100 – 160 Basispunkten, zuletzt gar unter 100.

    Alle Grafiken: I.C.M. Independent Capital Management

    Dann folgte die große Corona-Verwerfung mit drastisch steigenden Zinsen im Monat März. Vom Tiefpunkt zum Hochpunkt um ganze zwei Prozentpunkte, eine absolute Seltenheit. Doch obwohl die hier gezeigte Anleihe etwa 1,5 Jahre länger läuft als die neu zu emittierende Anleihe, wurde sie bei einem Risikoaufschlag von "nur" gut 300 Basispunkten gehandelt. Sollten Geldgeber für längere Laufzeiten nicht höher vergütet werden?!

    Die zwei folgenden Charts zeigen, wie sich Zinsaufschlag (violett, oben) und Rendite (orange, oben) der Neuemission beziehungsweise die Zinsaufschläge vergleichbarer BBB-Anleihen (orange, unten) im Monat April entwickelt haben.
    Fazit: Der Markt hat die Ende März gesehene Übertreibung bei Volkswagen zu einem großen Teil bereits wieder ausgepreist. Wie erwartet sind die Risikoaufschläge für den grundsätzlich soliden Schuldner in der jüngsten Marktberuhigung stärker rückläufig als für den Gesamtmarkt vergleichbarer Emittenten.






    Gezeichnet am 30. März zu 99,60 Prozent - so sind in nur einem Monat schon circa sieben Prozent Rendite aufgelaufen, denn wir verkaufen unsere Bestände aktuell zu Kursen von etwa 106,50 Prozent.
    Aber weshalb agieren Emittenten so?
    Durch den Absatzeinbruch wird der Cashflow des Unternehmens gestört, Kosten laufen weiter, der Umsatz ist temporär aber deutlich geringer als üblich. Daher hat sich Volkswagen, wie unzählige weitere Unternehmen auch, vorsorglich Liquidität beschafft. Um das Risiko einer fehlgeschlagenen Anleiheemission zu minimieren, bieten Emittenten den Kapitalgebern stets einen Anreiz in Form eines Zinsaufschlages. Doch in Krisenzeiten ist dieser immer deutlich höher. Für Kapitalgeber oft eine attraktive Renditegelegenheit.
    Über den Autor:Thilo Stadler ist Vermögensverwalter und Certified Financial Planner bei I.C.M. Independent Capital Management in Mannheim und Neuss.

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