Jeff Bezos‘ Universum steht Pate
Interessant zu beobachten war eines: Während der ersten Lockdown-Phase im Frühjahr gerieten die Online-Systeme und Vertriebsketten von Amazon und Ebay zeitweise an ihre Grenzen.
Dies führte dazu, dass die Verbraucher andere Dienstleister ausprobierten. Walmart konnte hier punkten, auch weil das Unternehmen in den letzten Jahren in seine Online-Plattformen
investiert hatte.
Walmart attackiert konsequent die Dominanz von Amazon im Online-Handel. Seit 2016 hat Walmart mit unterschiedlichem Erfolg eigene Online-Dienste und -Produkte gekauft bzw. selbst
gelauncht, vieles von Amazon kopiert und zudem seinen Vorteil der physischen Präsenz ausgespielt. Walmart hat den Lieferservice und das kontaktlose Abholen im Geschäft auf deutlich
mehr Produkte ausgeweitet, neue Dienste wie Express-Service eingeführt und seine Website walmart.com zu einem Marktplatz für Drittanbieter ausgebaut.
Zwar ist Amazons US-Marktanteil am E-Commerce in den letzten Quartalen geschrumpft, doch der Abstand zu Walmart ist natürlich noch groß. Walmart hat sich mittlerweile mit einem
Marktanteil von 5,8 Prozent auf den zweiten Platz hoch gekämpft.
Im Vergleich zur Konkurrenz hat Walmart zudem einige Vorteile. Der Konzern verfügt über ein breiteres internationales Netz. Als Muttergesellschaft von Sam’s Club und dem britischen
Supermarktbetreiber Asda ist Walmart auch offline mehr als nur seine Namensvetterkette.
Mit Walmart Plus wandelt das Unternehmen auf Amazon-Prime-Spuren, bietet seinen Kunden kostenlose Lieferungen und zahlreiche Rabatte. Das Vorteilspaket soll weiter ausgebaut werden,
was sich in weiterem Kundenwachstum spiegeln wird.
Etwa 14 Mio. Haushalte in den USA sind bereits Walmart-Plus-Abonnenten. Laut Umfragen sind etwa 2,7 Mio. Amazon-Prime-Kunden zu Walmart Plus gewechselt.
Das Klientel von Walmart ist älter und technisch weniger versiert als die Stammkunden von Amazon.
Doch gerade in unteren Preissegmenten kann Walmart Amazon Marktanteile abnehmen. Unter den US-Haushalten mit niedrigerem Einkommen gibt es mehr Walmart-Kunden als Amazon-Kunden. Der
Unterschied im Durchschnittseinkommen ist signifikant: 76.000 USD verdient der durchschnittliche Walmart-Kunde, 84.000 USD der Amazon-Kunde.
Immer mehr US-Kunden nutzen zudem Google Home, um von Walmart ihre benötigten Waren zu bestellen und nach Hause liefern zu lassen. Die Kooperation mit Google ist
exklusiv und hat natürlich Amazons Eigenmarken-Vertrieb via Alexa zum Vorbild.
Auch während der Prime Days von Amazon im Oktober wagte Walmart den Wettbewerb und pries sehr aggressiv seine eigenen Rabattaktionen an.
Gute Margen im Konkurrenzvergleich
Kommen wir nun zu den nackten Zahlen. Walmarts Bruttomarge liegt bei 25 Prozent, die operative Marge fiel in den letzten 10 Jahre um mehr als 2 Prozentpunkte auf 3,93 Prozent.
Die Nettomarge liegt nach einer Durststrecke zwischen 2017 und 2019 wieder bei 3,3 Prozent, die EBITDA-Marge bei rund 6 Prozent. Dies sind gerade im Handel sehr gute Werte.
Der ROIC kletterte zuletzt wieder auf alte Werte, liegt aktuell bei 13,59 Prozent. Die Eigenkapitalrendite liegt bei 24 Prozent. Der Free Cashflow schwankt jedoch deutlich, war
in den letzten 3 Jahren negativ. In den letzten 12 Monaten flossen 23 Mrd. USD in die Kassen. Zum Vergleich: Der Retail-Bereich von Konkurrent Amazon hat eine operative Marge
von -1 Prozent in 2019.
Walmart-CEO McMillon sprach zuletzt von „signifikant gesenkten Kosten“ und gab sich positiv bezüglich der weiteren Margenentwicklung.
Was uns immer besonders wichtig ist: Die Eigentümerperspektive ist stark ausgeprägt.
Die Gründerfamilie Walton besitzt 48,9 Prozent der Anteile, die restlichen Aktien befinden sich im freien Streubesitz. CEO Andrew Wilson ist seit 2000 im Unternehmen beschäftigt. Im
Tech-Sektor kennt er sich aus, war vorher u.a. bei Intel. Sein Management setzt auf Digitalisierung und Innovation.
Manager mit Lernkurve
Viele Jahre hat der Konzern versucht, in seinen Märkten Menschen durch Roboter zu ersetzen. Auch die Roboter von Alphabot kamen zum Einsatz. Das sind selbstfahrende Fahrzeuge, die
Gegenstände in einem Lagersystem sammeln und zu Mitarbeitern bringen.
Noch im Januar war man bei Walmart entschlossen, mehr Roboter zu kaufen und weitere 650 Märkte damit auszustatten, wodurch die Gesamtzahl auf 1.000 angewachsen wäre.
Doch die Verträge mit dem Roboterhersteller Bossa Nova Robotics wurden mittlerweile beendet. Angeblich habe man während der Corona-Pandemie die Erfahrung gemacht, dass Menschen die
Arbeit besser leisten können.
Das Management ist also durchaus experimentierfreudig, zeigt sich gleichzeitig lernfähig. Eine gute Voraussetzung, um den Kampf gegen Amazon erfolgreich weiterzufechten.
Bislang ist Walmarts E-Commerce-Geschäft defizitär. Die großen Investitionen in den Onlinehandel haben in den letzten Jahren die Margen deutlich gedrückt.
2018 hat sich Walmart gegen Amazon durchgesetzt und für 16 Mrd. USD die Mehrheit an Flipkart übernommen. Mittlerweile liegt der Anteil bei 82 Prozent. Flipkart ist der dominante
E-Commerce Player in Indien. Trotz mangelnder Profitabilität und starker Konkurrenz (beispielsweise JioMart von Reliance und PhonePe) kann Flipkart in Zukunft für Furore sorgen. Ein
Börsengang ist für 2021 geplant.
Das Smartphone ist das neue Einkaufszentrum
Künstliche Intelligenz ist für den Einzelhandel kein Fremdwort. Bereits vor einer Dekade nutzte Konkurrent Target die Computerhirne, um vorherzusagen, wann eine Frau schwanger sein
und Interesse an entsprechenden Produkten zeigen könnte. Heute, da Covid-19 das Online-Shopping anheizt, stehen mehr Daten und Rechenleistung als je zuvor zur Verfügung.
Machine Learning ermöglicht den Aufbau direkter Beziehungen zum Kunden. Und solche Systeme brauchen Daten, um intelligent zu werden. Je mehr Daten sie erhalten, desto intelligenter
werden sie.
Genau diese Tatsache ist Walmarts Kalkül hinter dem nahenden TikTok-Deal. Die unter Teenies und Twens sehr beliebte Video-App kann dem Unternehmen zukünftig ungeheure Datenmengen zu
Vorlieben und Einkaufsverhalten liefern. Und Walmart weiß, dass gerade die junge Zielgruppe, die kurz vor dem Aufbau eines eigenen Haushalts steht, die langfristig wertvollste
Kundengruppe darstellt.
Das Schlagwort lautet „Personalisierung“. Die künstliche Intelligenz lenkt Werbegelder in Richtung eines aufmerksamen jungen Publikums und generiert dynamische Angebote auf der
Grundlage der Kundenpräferenzen.
Das Motto lautet: Wisse, was Deine Kunden wollen, bevor sie es selbst wissen!
Kommen wir nun noch kurz zur Bilanz.
Walmarts Vorstöße in die digitalen Sphären hinterlassen natürlich Spuren beim Goodwill.
Auch die Verschuldung ist kein Ruhmesblatt. Das Current Ratio liegt bei 0,8, der Verschuldungsgrad ebenso. Beides sind keine idealen Werte. Die langfristigen Verbindlichkeiten
wurden in den letzten Jahren erhöht. Der Cash-Bestand ist jedoch noch dreimal höher als die kurzfristigen Verbindlichkeiten.
So, wie sieht es denn nun aus mit der Aktie?