POLITIK
Kremlkritische Zeitung beklagt 'Chemie-Angriff' auf Redaktion
MOSKAU (dpa-AFX) - Auf die russische Zeitung "Nowaja Gaseta" ist nach eigener Darstellung ein "Chemie-Angriff" auf das Redaktionsgebäude verübt worden. Das kremlkritische Medium schrieb am Montag auf seiner Homepage von einem "anhaltenden, scharfen chemischen Geruch" in seinen Räumlichkeiten in der Hauptstadt Moskau. Demnach waren Vertreter von Zivilschutz, Innenministerium und dem Inlandsgeheimdienst FSB für Untersuchungen vor Ort. Zunächst war unklar, um welche Substanz es sich handelte.
Zeitungsmitarbeiter habe der Geruch an eine Gas-Attacke Unbekannter auf Haus und Auto der Journalistin Julia Latynina im Jahr 2017 erinnert, hieß es. Latynina war wenig später ins Ausland geflüchtet.
Journalisten der "Nowaja Gaseta" sind in der Vergangenheit immer wieder Opfer von Angriffen geworden. Für besonderes Aufsehen sorgte 2006 der Fall der Reporterin Anna Politkowskaja, die in ihrem Haus in Moskau erschossen wurde. Nach langen Ermittlungen wurden 2014 mehrere Männer aus der Nordkaukasusrepublik Tschetschenien verurteilt. Politkowskajas Familie und Ex-Kollegen vermuten ein politisches Motiv und fordern eine Suche nach den Hintermännern.
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Im vergangenen Jahr hatte der autoritäre tschetschenische Republikchef Ramsan Kadyrow der Zeitung wegen ihrer kritischen Berichterstattung über die Corona-Krise offen gedroht. Am Montag veröffentlichte das Blatt einen Bericht über Folter und "außergerichtliche Hinrichtungen" in Tschetschenien im Nordkaukasus. Die Zeitung stützt sich dabei auf Aussagen eines früheren Polizisten, der 2017 ins Ausland geflohen war. Dieser berichtete demnach, dass Gefangene über Stunden etwa geschlagen und kopfüber ins Wasser getaucht worden seien, um Geständnisse zu erzwingen./haw/DP/eas