Aktienanlage in der Hosentasche
Sehr verehrte Leserinnen und Leser, im traditionellen Ehegelübde heißt es bekanntlich: „in guten wie in schlechten Zeiten“. Und lebenserfahrene Mitmenschen wissen, dass vor allem schlechte Zeiten die kritischen Phasen...
Sehr verehrte Leserinnen und Leser,
im traditionellen Ehegelübde heißt es bekanntlich: „in guten wie in schlechten Zeiten“. Und lebenserfahrene Mitmenschen wissen, dass vor allem schlechte Zeiten die kritischen Phasen sind. Das gilt nicht nur in der Liebe, sondern z.B. auch im Geschäftsleben. Oder bei Aktien.
Die neue Liebe der Deutschen
Und so ist es nur konsequent, dass das Deutsche Aktieninstitut (DAI) ein Fragezeichen hinter den Titel seiner jüngsten Veröffentlichung zu den Aktionärszahlen in Deutschland setzt. Dieser lautet: „Deutschland und die Aktie. Eine neue Liebesgeschichte?“
Der Grund für diesen verheißungsvollen Titel ist, dass im vergangenen Jahr die Zahl der direkten und indirekten Aktionäre in Deutschland auf den höchsten Stand seit 2001 gestiegen ist (siehe folgende Grafik).
(Quellen: eigene Darstellung nach Daten des DAI und von VWD)
Aber nicht nur das. Der Zuwachs bei den Aktien-Enthusiasten im vergangenen Jahr war der höchste seit 2000. Und obwohl die Direktanlage in Aktien in Deutschland nicht einen solchen Boom wie in den USA erlebte, stieg die Zahl der Anleger, die direkt in Aktien investieren, so stark wie seit dem Jahr 2012 nicht mehr (siehe rote Pfeile).
Mehr Zeit, mehr Geld, mehr Spaß
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Der Jubel des DAI darüber ist verständlich, schließlich sieht sich die Organisation als Vertreterin der Aktionäre und möchte die Aktienkultur in breiten Bevölkerungsschichten etablieren. Und das DAI hat auch keine Illusionen über die Gründe für den Anstieg. Abgesagte Urlaube, geschlossene Restaurants und weniger Einkaufsgelegenheiten hätten den Menschen laut DAI mehr Zeit und Geld gegeben, sich mit den eigenen Finanzen zu beschäftigen. Und da der Deutschen traditionell liebste Anlagen - Sparbuch, Tages- und Festgeld - aufgrund der Nullzinsen keine Erträge mehr bringen, weichen sie auf Aktien aus, die sie lange gemieden haben.
Und noch einen Grund konstatiert das DAI realistisch: neue, kostengünstige Broker, die mit spielerischen Apps auf dem Smartphone den Anlegern den Einstieg in den Aktien- und Fonds-Handel erleichtern. Das DAI schreibt dazu plakativ: „Die Aktienanlage hat die Hosentasche erreicht.“ Und da vor allem junge Leute smartphone-affin sind, ist es kein Wunder, dass von den 2,7 Millionen Neu-Aktionären mehr als 1 Million, also mehr als 37 %, jünger als 40 Jahre sind.