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     137  0 Kommentare Bondrenditen im Keller, Marktkommentar von Kai Johannsen

    Frankfurt (ots) - Es gibt Marktakteure, die räumen der allerersten Reaktion des
    Kapitalmarktes oder eines bestimmten einzelnen Marktsegmentes die höchste
    Bedeutung ein, wenn es darum geht, zu beurteilen, was für die künftige
    Entwicklung dieses Marktes - Zinsen, Aktien, Devisen oder Rohstoffe -
    entscheidend also richtungsweisend ist. Die Bekanntgabe von Konjunkturdaten,
    Notenbankbeschlüssen, Äußerungen von Zentralbankvertretern und andere
    Nachrichten mehr, die wichtige Einflussfaktoren für die Märkte darstellen,
    werden also nur danach beurteilt, wie die erste Reaktion von Zinsen etc.
    ausgefallen ist und nicht wie die spätere Entwicklung aussah, wenn zahlreiche
    Analysten sich zu Wort gemeldet haben oder Notenbankvertreter auf
    Pressekonferenzen Rede und Antwort standen und die Nachrichten durch Medien
    gewandert sind - sprich, wenn der Markt nicht nur auf die Nachricht selbst
    reagiert hat, sondern auch das ganze "einordnende Drumherum" verarbeitet hat.

    Wenn man diese "Marktreaktionsphilosophie" zugrunde legt und sich die Reaktion
    des Zinsmarktes auf den jüngsten Entscheid der Europäischen Zentralbank (EZB)
    ansieht, dann ist der Weg für die Anleiherenditen in der Eurozone klar
    vorgezeichnet für die nächsten Monate. Unmittelbar vor der Bekanntgabe des
    EZB-Beschlusses lag die zehnjährige Bundrendite bei knapp unter -0,37 %. Die
    Nachrichten liefen über den Ticker, wenige Minuten später waren es weniger als
    -0,41 % mit Tendenz zu -0,42 %. Abends waren es dann -0,43 %. Zum Vergleich: Als
    am Montag der abgelaufenen Woche die Aktienmärkte einen heftigen Rücksetzer
    erlebten, war es ein Renditerückgang bei der zehnjährigen Bundesanleihe von
    knapp 10 Basispunkten (BP) - im Tagesvergleich; Donnerstag nun 5 BP im
    Minutentakt. Der Zinsmarkt zeigte an, wo die Reise hingeht.

    Die EZB festigte auf der jüngsten Sitzung ihre ultralockere Geldpolitik. Eine
    Zinsänderung gerät damit immer mehr außer Sichtweite - mancher im Zinsmarkt hat
    ohnehin nicht an eine nahende Zinserhöhung geglaubt. EZB-Chefin Christine
    Lagarde machte den Marktteilnehmern klar, dass niemand der Verantwortlichen die
    Geldpolitik zu früh straffen will. Im Umkehrschluss: Man wartet lieber noch
    länger, als ohnehin mancher Investor bisher angenommen hatte. Lagarde hielt
    fest, dass die günstigen Finanzierungsbedingungen in der Eurozone
    aufrechterhalten werden müssen und dass man jedweder Verschärfung dieser
    Finanzierungsbedingungen entgegentreten werde, die gegen die Ziele geht. Und
    auch für diejenigen, die von der Inflationsseite her für höhere Zinsen
    argumentieren, hatte sie etwas parat: Man erwartet, dass die Inflation in den
    kommenden Monaten ansteigt, dann zu Beginn des kommenden Jahres aber wieder
    schwächer wird. Summa summarum: Die EZB hält die Leitzinsen niedrig und kauft
    Bonds, um die Renditen ebenfalls auf tiefem Niveau zu halten. Nix da Zinswende!

    Für die Staatsanleihemärkte und diverse andere Bondmarktsegmente, in denen die
    EZB mit Käufen aktiv ist, heiß das: Die Renditen bleiben niedrig. Sollte die
    Pandemie aufgrund der sich rasant ausbreitenden Delta-Variante des
    Covid-19-Virus wieder schärfer um sich greifen, erneute Lockdowns notwendig
    werden, die damit heftige wirtschaftliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen,
    ist davon auszugehen, dass auch die EZB der Wirtschaft noch mehr zur Seite
    springt. Mit anderen Worten: Dann rückt die erste Zinserhöhung nochmals weiter
    in die Ferne. Anleiherenditen bleiben dann noch länger niedrig. Für die
    Aktienmärkte heißt das, dass die Geldschwemme weitergeht. In den vergangenen
    Jahren hat diese die Aktien immer weiter angetrieben. Nun haben die
    Dividendenpapiere aber schon recht anspruchsvolle Bewertungen erreicht. Neben
    der Zinsentwicklung spielt hier eine Rolle, wie stark die Wirtschaft durch die
    Pandemie in Mitleidenschaft gezogen wird.

    Für die Gemeinschaftswährung bedeutet diese Aussicht, dass sie sich gegenüber
    dem Greenback wohl kaum enorm festigen wird - ceteris paribus. Denn es kommt
    darauf an, wie die US-Notenbank Fed die Lage beurteilt. Fed-Chef Jerome Powell
    hat aber auch immer wieder deutlich gemacht, dass er die Inflationsanstiege
    ebenfalls für ein vorübergehendes Phänomen hält. Vor diesem Hintergrund sieht
    sich die Fed also auch nicht unter Zugzwang in Sachen Leitzinsen. Zudem gilt die
    Fed als sehr zögerlich, denn auf die erste Leitzinsanhebung nach der Finanzkrise
    musste der Markt ja auch einige Jahre warten. Wie die Fed die Lage aktuell
    beurteilt und sich entscheidet, erfahren die Anleger am kommenden Mittwoch und
    sie können um 20 Uhr MESZ erstmals reagieren.

    Pressekontakt:

    Börsen-Zeitung
    Redaktion

    Telefon: 069-2732-0
    www.boersen-zeitung.de

    Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/30377/4976881
    OTS: Börsen-Zeitung



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