checkAd

    Interviews  186  0 Kommentare Jörg Angelé (BANTLEON): EZB gerät in immer grössere Zwickmühle

    Vielmehr als eine Stagnation beim BIP-Zuwachs im 2. Halbjahr scheint nicht mehr möglich zu sein. Die EZB bringt das in eine Zwickmühle.

    27.06.2021 -

    Als Russland im Sommer 2021 begann, seine Erdgaslieferungen in die EU zu reduzieren, reagierten die Gaspreise mit einem massiven Anstieg um mehr als 300% binnen weniger Monate. Besonders unerfreulich war das für die Privathaushalte der Eurozone, die sich mit heftigen Preissteigerungen durch ihre Versorgungsunternehmen konfrontiert sahen. 

    Ein grosser Teil der ausbleibenden Gaslieferungen aus Russland konnte jedoch durch eine Ausweitung der Liefermengen aus anderen Ländern aufgefangen bzw. überkompensiert werden. So war es möglich, die Gasspeicher in der EU sogar schneller zu befüllen als in den Vorjahren. Gas ist mithin zwar deutlich teurer geworden, von einer Gasknappheit konnte jedoch keine Rede sein. Vor diesem Hintergrund schien 2022 eine solide, wenn auch wegen des Kaufkraftentzugs weniger dynamisch Konjunkturerholung in der Eurozone wahrscheinlich; auch dank der von den Konsumenten in den Pandemie-Jahren aufgebauten Überersparnisse sowie der Unterstützung durch die Fiskalpolitik.

    Die jüngste Reduzierung der Liefermenge russischen Gases um weitere 60% deutet darauf hin, dass es der Kreml nicht mehr nur auf eine Maximierung seiner Einnahmen abgesehen hat, sondern auch auf die Beschädigung der europäischen Wirtschaft. Es ist daher zu befürchten, dass die Liefermengen entgegen den Beteuerungen aus Moskau dauerhaft niedrig bleiben. Die aktuelle Verknappung ist nicht mehr über alternative Bezugsquellen auszugleichen, womit die Befüllung der europäischen Gasspeicher für den Winter nur noch durch eine Reduzierung des laufenden Verbrauchs möglich ist. Das wird zu Produktionsausfällen in der Industrie führen, welche die erwartete Erholung der Produktion des verarbeitenden Gewerbes gefährden.

    Davon abgesehen werden sich die seit Mitte Juni stark gestiegenen Grosshandelspreise für Gas höchstwahrscheinlich als dauerhaft herausstellen. Die privaten Haushalte müssen sich mithin auf einen weiteren Preisschub bei Gas und Strom einstellen. Das wird nicht ohne Konsequenzen für die Inflation in der Eurozone bleiben. Selbst im günstigsten Fall dürfte die Teuerungsrate im Herbst über 9% klettern. Im ungünstigsten Fall wird der Preisanstieg zweistellig ausfallen. Dieser neuerliche Teuerungsschub dürfte den privaten Konsum spürbar bremsen. Die Aussichten für die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden Quartalen hat sich vor diesem Hintergrund eingetrübt. Vielmehr als eine Stagnation beim BIP-Zuwachs im 2. Halbjahr scheint nicht mehr möglich zu sein. Für 2023 bleiben die Aussichten ebenfalls eingetrübt.

    Die EZB bringt das in eine Zwickmühle: Die weniger günstigen Konjunkturaussichten sprächen gegen eine Rücknahme des geldpolitischen Expansionsgrads, während die Aussicht auf zweistellige Inflationsraten bzw. ein jahrelanges Überschiessen des Inflationsziels nach spürbar steigenden Leitzinsen verlangt. Unserer Einschätzung nach wird die EZB in den sauren Apfel beissen und ein klares Signal zur Inflationsbekämpfung setzen. Zum einen angesichts des robusten Arbeitsmarkts – die Arbeitslosenquote der Eurozone befindet sich auf einem Rekordtief –, der die Gefahr birgt, eine Lohn-Preis-Spirale in Gang zu setzen. Zum anderen wegen des Risikos sich aus der Verankerung lösender Inflationserwartungen. Auf die beiden kommunizierten Leitzinsanhebungen im Juli ( 25 Bp) und September ( 50 Bp) dürften daher weitere Zinsschritte im Oktober und Dezember sowie im 1. Quartal 2023 folgen. Dies spricht auch dafür, dass die Renditen von Staatsanleihen kurzfristig nochmals steigen.


    Lesen Sie hier weitere Artikel von Bantleon.





    Asset Standard
    0 Follower
    Autor folgen
    Mehr anzeigen
    AssetStandard ist das führende Portal für Vermögensverwaltende Produkte in Deutschland. Auf www.assetstandard.com werden alle Daten, Dokumente und Informationen zu diesem wachsenden Marktsegment gebündelt. Einheitliche Standards ermöglichen einzigartige Vergleiche zu den Anlageprodukten. Das Portal beinhaltet umfassende Recherche-, Analyse- und Informationsmöglichkeiten bis hin zum Asset Manager eines einzelnen Produkts.
    Mehr anzeigen

    Verfasst von Asset Standard
    Interviews Jörg Angelé (BANTLEON): EZB gerät in immer grössere Zwickmühle Vielmehr als eine Stagnation beim BIP-Zuwachs im 2. Halbjahr scheint nicht mehr möglich zu sein. Die EZB bringt das in eine Zwickmühle.