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     2679  0 Kommentare Die weltweite Überschussliquidität

    Sie erklärt alles... und damit gar nichts.

    Gestern in der „Dresdner Sonntagsbörse“ war sie wieder da, die These von der Überschussliquidität. Vorgetragen wurde sie von einem ansonsten eigentlich sehr klugen Kopf, von Michael Hüther, dem Direktor des IW in Köln, der immer den Anschein erweckt, das Wesen der Welt völlig zu verstehen und jedes Problem lösen zu können. Doch manchmal täuscht der Anschein eben einfach.

    Die weltweite Überschussliquidität, so Hüther, stabilisiert die Kurse und wirkt eine Deflation in Zentraleuropa entgegen. Man ist fast an den Äther erinnert, den die Naturwissenschaftler in früheren Zeiten proklamiert haben und der ihnen als Lösung für viele unerklärliche Phänomene galt. Der alles durchdringende Äther – und die alles erklärende Liquidität.

    Die Naturwissenschaft hat den Äther mittlerweile fallen gelassen. Die Wirtschaftswissenschaft sollte ihr endlich nachfolgen.

    Eine einzige Frage desavouiert bereits das ganze Konzept: Was soll das sein, eine Überschussliquidität? Überschuss? Also mehr Liquidität als die Leute halten wollen? So etwas gibt es nur, wenn das Geld mit dem Hubschrauber abgeworfen werden würde. Doch so etwas hat noch niemand bisher erlebt.

    Woher kann also Überschussliquidität kommen? Wenn die Notenbank mehr Geld emittiert als die Leute haben wollen. Doch wie soll das gehen? Da die Notenbank nur Geld emittieren kann, wenn sie andere Assets ankauft oder in Pension nimmt, ist jede Geldemission der Notenbank eine ganz normale freiwillige Markttransaktion zwischen der Notenbank und einen privaten Akteur.

    Der private Akteur handelt so, weil er so handeln will. Er will das Geld haben, und er will die Assets geben. Die Liquidität, die er dadurch erhält, ist also keineswegs überschüssig. Und derjenige, der sie später gegen eine Leistung erhält, wird sie wohl ebenfalls kaum als überschüssig betrachten.

    Es genügt also bereits eine simple Überlegung, um zu merken, was hier öffentlich so alles gefaselt wird. Eine Überschussliquidität gibt es ebenso wenig wie den Äther oder den Mann im Mond. Auch diejenigen, die vorgeben, uns die Welt zu erklären, kochen ihr Süppchen nur mit Wasser. Auf jeden Fall ist das wenigstens ein gesunder Verwendungszweck die für ganze Überschussliquidität.

    berndniquet@t-online.de

    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Die weltweite Überschussliquidität Sie erklärt alles... und damit gar nichts. Gestern in der „Dresdner Sonntagsbörse“ war sie wieder da, die These von der Überschussliquidität. Vorgetragen wurde sie von einem ansonsten eigentlich sehr klugen Kopf, von Michael Hüther, dem …