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     2840  0 Kommentare Man kann nicht gegen die Masse agieren!

    Contrarian Approach ist eine Illusion!

    Heute möchte ich wieder einmal mein Lieblingsthema behandeln – den Unterschied zwischen dem Teil und dem Ganzen. Das bedeutet, die Berücksichtigung der Tatsache, dass viele Dinge, die ein Einzelner machen kann, der Masse hingegen unmöglich sind.

    Die wichtigsten Beispiele, die ich in diesem Zusammenhang bereits behandelt habe, sind:

    · Ein einzelner Anleger kann jederzeit seine Aktien verkaufen, die Masse hingegen niemals. Es ist daher völlig unsinnig, Dinge zu sagen wie „Die Anleger trennen sich von den Aktien ...“
    · Es kann niemals Geld an die Aktienmärkte fließen, da jedem Kauf (Geldzufluss) immer ein Verkauf (Abfluss) gegenüber steht.
    · Der einzelne Investor kann richtig entscheiden, die Masse hingegen nicht. Die Hälfte aller Entscheidungen der gesamten Anlegergemeinde muss immer falsch sein.

    Neulich ist mir ein weiterer Fall eingefallen, den ich bisher niemals beachtet habe. Ich überlegte mir gerade, wie ich vor einer Lesung dem fachlich ungebildeten Publikum erklären sollte, wie der „Contrarian Approach“ an der Börse funktioniert. Wir kennen ihn alle: Sein Ansatzpunkt lautet, die Masse liegt immer schief. Daher beobachten wir das Verhalten der Masse – und machen dann das Gegenteil davon. Man muss sich also gegen die Masse stellen. Und das sei ein sehr einsames Unterfangen.

    Doch betrachtet man diese Strategie einmal ganz streng unter logischen Aspekten, dann merkt man, dass man hier einer Illusion aufsitzt. Man kann nicht gegen „die“ Masse handeln. Man kann immer nur gegen „eine“ Masse handeln, ist damit aber zwangsläufig immer Teil einer anderen Masse.

    Da jedem Kauf zwangsweise immer ein Verkauf entsprechen muss, muss mit der gleichen zwingenden Logik jeder Masse an Käufern immer eine Masse an Verkäufern gegenüberstehen. Und beide Massen werden in sich die gleiche Stärke und Homogenität haben. Die eine Masse ist durchweg optimistisch und die andere durchweg skeptisch und pessimistisch.

    Egal, was man an der Börse tut, man ist dabei niemals alleine. Man kann gar nicht alleine sein, sondern man ist immer Teil einer identisch großen Masse von Börsianern. Und jeder Glaube, gegen die Masse zu stehen, ist eine reine Schimäre. Eine Einbildung. Ein Gehirngespenst. Es entsteht daher, weil eine der beiden Massen stets mehr Drang hat als die andere. Ganz wie Kostolany es gesagt hat: Wenn die (Masse der potentiellen) Käufer dringender kaufen wollen als die (Masse der potentiellen) Verkäufer verkaufen, dann steigen die Kurse. Et vice versa.

    Wir haben es immer mit zwei Massen zu tun, doch nur eine steht jeweils im Scheinwerferlicht. Die andere hingegen bleibt im Dunkeln und daher unbeachtet. Davon auszugehen, dass es sie nicht gäbe, wäre jedoch ziemlich dumm – oder?

    Im Resultat zeigt sich eine interessante philosophische Weisheit: Unser Leben im Algemeinen – und die Börse im Besonderen – sind ein ins sich geschlossenes System, aus dem wir weder hinaus können noch in das wir etwas hinein lassen können. Jede Entwicklung hat eine Rückseite, und diese Rückseite ist der Garant der Stabilität des Gesamtsystems: Ohne Geburt kein Tod, ohne Gesundheit keine Krankheit, ohne das Gute nicht das Böse, ohne Verkauf kein Kauf. Das Gute kann nur dann gut sein, wenn es auch das Böse gibt. Würde das Böse wegfallen, dann hätten wir eine existentielle Krise, weil plötzlich das Gute nicht mehr definiert wäre. Wahrscheinlich ist das auch einer der wichtigsten Gründe, warum wir überhaupt eine Börse haben.



    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Man kann nicht gegen die Masse agieren! Contrarian Approach ist eine Illusion! Heute möchte ich wieder einmal mein Lieblingsthema behandeln – den Unterschied zwischen dem Teil und dem Ganzen. Das bedeutet, die Berücksichtigung der Tatsache, dass viele Dinge, die ein Einzelner …