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    Blick in die Historie  1509  1 Kommentar Vorbild Japan? Erfolgreich aus der Inflation!

    Eine IWF-Studie zeigt, welche Lehren die Märkte aus den Inflationsschocks der letzten 50 Jahre ziehen können. Eine Analyse von unserem Gastautor Bryan Perry.

    Für Sie zusammengefasst
    • Inflation wird hartnäckig sein und uns noch einige Jahre begleiten.
    • Erfolgreiche Inflationsbekämpfung erfordert einen langen Atem.
    • Politische Entscheidungsträger sollten nicht zu früh aufhören, gegen Inflation vorzugehen.

    Längst ist die Inflation nicht mehr "nur vorübergehend", sondern hartnäckiger als gedacht. Und die Deglobalisierung sowie der klimaneutrale Umbau der Wirtschaft werden – ungeachtet aller geopolitischen Risiken – weiterhin ihren Tribut bei den Preisen fordern. Eine Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) zeigt: Womöglich wird die Inflation uns noch einige Jahre begleiten, bevor sie wieder auf ein erträgliches Niveau sinkt.

    Die IWF-Ökonomen untersuchten insgesamt 111 Inflationsschocks seit 1970 und stellten fest, dass es nur in 60 Prozent der Fälle gelang, die Inflation erfolgreich auf Kurs zu bringen. Und es dauerte im Schnitt etwa drei Jahre, bis die Teuerung als überwunden angesehen werden konnte und auf den Stand vor dem ersten Schock zurückgeführt war. Der IWF definiert den Schock selbst als "Anstieg der Inflationsrate von mindestens zwei Prozentpunkten in einem Jahr nach Perioden relativ stabiler Inflation".

    Erfolgreiche Inflationsbekämpfung braucht einen langen Atem

    Laut IWF-Studie konnten nicht einmal 40 Prozent der Länder Inflationsschocks nach fünf Jahren beseitigen.  "Die Volkswirtschaften könnten heute in einer langen Phase der Inflationsbekämpfung sein, sofern historische Regelmäßigkeiten gelten", heißt es im IWF-Bericht. Außerdem sei in vielen Fällen in der Vergangenheit der Sieg über die Teuerungswelle zu früh ausgerufen worden: Die Politik habe auf den anfänglichen Rückgang des Preisdrucks verfrüht gelockert, und die Inflation kehrte bald zurück.

    Dänemark, Frankreich, Griechenland und die Vereinigten Staaten gehörten zu den fast 30 Ländern der IWF-Stichprobe, die nach der Ölkrise von 1973 ihre Politik verfrüht gelockert haben. In fast allen untersuchten Ländern (90 Prozent), die die Inflation nicht in den Griff bekamen, verlangsamte sich die Teuerungsrate in den ersten Jahren nach dem Schock zwar drastisch, um dann aber wieder erhebliche Aufwärtsdynamik zu entwickeln.

    Der IWF mahnt, dass die politischen Entscheidungsträger von heute nicht die Fehler ihrer Vorgänger wiederholen sollten: "Die Zentralbanker warnen zu Recht, dass der Kampf gegen die Inflation noch lange nicht vorbei ist, auch wenn die jüngsten Messwerte eine willkommene Abschwächung des Preisdrucks zeigen."

    Wo Frankreich fehl ging – und Japan richtig

    Ein Beispiel aus der Studie, wie man es nicht machen sollte, war Frankreich im Jahr 1974. Damals stieg die Inflation in unsrem Nachbarland sprunghaft von gut sechs Prozent auf fast 14 Prozent an. Die Teuerung gipfelte in Frankreich im Jahr 1974, und über die folgenden zwei Jahre verschärfte sich die Geld- und Fiskalpolitik zwar, allerdings nicht dramatisch.

    Daraufhin ebbte die Inflation bis 1977 ab, die realen Zinsen sanken wieder und der Staatshaushalt machte wieder Defizite. Die Disinflation stoppte, und die Teuerung nahm wieder Fahrt auf. Das Wirtschaftswachstum Frankreichs wurde laut IWF-Analyse dadurch nicht übermäßig beeinträchtigt, aber die Arbeitslosenquote stieg von rund zwei auf fünf Prozent.

    Ein erfolgreicheres Beispiel der Studie war indes Japan im Jahr 1980. Nach der zweiten Ölpreiskrise verdoppelte sich die Teuerung dort damals von vier auf acht Prozent. "Sowohl Geld- als auch Finanzpolitik antworteten mit einer raschen Straffung, mit einem größeren Bewusstsein für verzögerte Effekte und den Risiken einer Inflationsspirale nach dem ersten Ölpreisschock", berichtet der IWF.

    Das Resultat: Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts halbierte sich deutlich von zuvor fast sechs auf nur noch drei Prozent, zog über die folgenden Jahre aber wieder an, während die Arbeitslosenrate stabil blieb.

    Inflation ist hartnäckig – vor allem nach einem "Terms-of-Trade"-Schock

    In den frühen 1970er Jahren führte der Nahostkonflikt zu einem sprunghaften Anstieg der Ölpreise und zu hohen Teuerungsraten. Die Zentralbanken auf der ganzen Welt bemühten sich, die mit der Ölkrise einhergehende Inflation unter Kontrolle zu bringen. Nach etwa einem Jahr stabilisierten sich die Ölpreise, und die Inflation begann daraufhin zurückzugehen. Viele Länder glaubten, die Preisstabilität wiederhergestellt zu haben, und lockerten die Geldpolitik, um ihre von der Rezession gebeutelten Volkswirtschaften wieder anzukurbeln. Doch dann kehrte die Inflation zurück.

    Die Resultate der IWF-Analyse waren bei Terms-of-Trade-Schocks wie der Ölkrise 1973-1979 schlechter als in den übrigen Inflationsphasen: Im Schnitt dauerte die Disinflation 3,5 Jahre, aber in weniger als der Hälfte der Fälle (29 von 61) war die Inflation bereits nach fünf Jahren überstanden.

    Auch die aktuelle Teuerung resultierte aus einem sogenannten Terms-of-Trade-Schock, einer sprunghaften, negativen Veränderung von Außenhandelspreisen. 2022 erreichte die weltweite Inflation einen historischen Höchststand, nachdem die russische Invasion in der Ukraine einen Terms-of-Trade-Schock bei den Energiepreisen ausgelöst hatte – vergleichbar mit dem Ölpreisschock der 1970er Jahre.

    Zusätzlich zu den pandemiebedingten Lieferkettenproblemen trieben Unterbrechungen der russischen Öl- und Gaslieferungen die Preise in die Höhe. In den Industrieländern stiegen die Preise so schnell wie seit fast 40 Jahren nicht mehr. Der jüngste Konflikt im Nahen Osten hatte bislang keine großen Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft, birgt aber immer noch die Gefahr eines Energiepreisschocks und einem damit einhergehenden erneuten Inflationsdruck.

    Unterstützt durch den stärksten Zinsanstieg seit einer Generation habe die Europäische Zentralbank (EZB) zuletzt zwar Fortschritte im Kampf gegen die Inflation gemacht und die Preisdynamik habe sich abgeschwächt. Aber der IWF ist besorgt, dass die Forderung der Arbeitnehmer nach höheren Löhnen, um die verlorene Kaufkraft auszugleichen, zu Rückkopplungsschleifen zwischen Löhnen und Preisen führen könnte.

    Die Notenbank sei auf dem richtigen Kurs, im Kampf gegen die Inflation sei aber Geduld erforderlich, sagte Alfred Kammer, Europadirektor des IWF gegenüber der Presse. Erst in der zweiten Jahreshälfte 2025 werde die EZB ihr Inflationsziel von zwei Prozent wieder erreichen. Sollten die Löhne zu stark steigen, werde Europa auch dieses Datum verfehlen.

    "Die Inflation könnte sich durch einen neuen Preisschub in Europa – ausgelöst durch Lohnsteigerungen – verfestigen, was eine weitere Straffung der Geldpolitik erforderlich machen und zu einer Stagflation führen könnte", schreibt der IWF in seinem letzten "Regionalen Wirtschaftsausblick für Europa".

    "Der Kampf gegen die Inflation ist ein Marathon, kein Sprint"

    Die Ergebnisse der IWF-Analyse zeigten zwar, dass Länder, die die Inflation bekämpften, in der Vergangenheit kurzfristig ein geringeres Wirtschaftswachstum als Länder hatten, die dies nicht taten. Mittel- und langfristig kehrte sich laut den Autoren, dieses Verhältnis jedoch um. Fünf Jahre nach dem Inflationsschock wiesen Länder, die die Inflation beseitigen konnten, im Schnitt ein höheres Wachstum und eine niedrigere Arbeitslosigkeit auf als Länder, die die Inflation nicht in den Griff bekamen.

    Denn sobald die Inflation unter Kontrolle gebracht sei, erhole sich das Wachstum und es werden Arbeitsplätze geschaffen, so der IWF. Bleibe die Inflation hingegen unkontrolliert, entstünden "eigene Kosten in Form von makroökonomischer Instabilität und Ineffizienz". "Folglich überwiegen mittel- bis langfristig die kumulierten Wohlfahrtsverluste, die sich aus einer unbewältigten oder dauerhaft hohen Inflation ergeben", schließt der IWF. 

    Kurz: Länder, die eine anhaltende Inflation zulassen, zahlen letztlich einen höheren Preis.

    So appelliert der IWF dringlich an die Beharrlichkeit der Entscheider, diese müssten eine glaubwürdige und konsequente Politik verfolgen und dürften das Ziel nicht aus den Augen verlieren: Makroökonomische Stabilität und ein stärkeres Wachstum könne nur durch die Rückführung der Inflation auf das Zielniveau erreicht werden.

    "Wenn die Geschichte ein Wegweiser ist, könnte der jüngste Rückgang der Inflation ein nur vorübergehender sein. Die politischen Entscheidungsträger tun gut daran, sich nicht zu früh zu freuen", resümiert das Experten-Team der IWF-Studie.

    IWF-Fazit – Sieben Punkte, die die Geschichte der Inflation setzt:

    1. Inflation ist hartnäckig, vor allem nach einem "Terms-of-Trade"-Schock

    2. In den meisten ungelösten Inflationsphasen gab es "verfrühte Siegesfeiern"

    Und: Länder, welche die Inflation überwanden,

    3. …, setzten eine straffere Geldpolitik um

    4. …, setzten eine restriktivere Politik über längere Zeiträume ein

    5. …, erlebten eine nominale Wechselkursabwertung

    6. …, erlebten niedrigeres nominales Lohnwachstum

    7. …, erlebten kurzfristig ein niedrigeres Wachstum, erholten sich aber mittelfristig wieder

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    Kommentare

    Avatar
    17.12.23 21:21:44
    Mit Japan können wir uns nicht vergleichen, denn in Japan leben überwiegend fleißige Patrioten.

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