Wenn die Bilanzen tanzen
EODs – die neuen Sprengbomben
Immer muss ich an die Geschichte vom alten Kosto denken aus der Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie, in der der Firmeninhaber mit der eigenen Bilanz und der Mitteilung konfrontiert wird, das er nun Pleite sei. Daraufhin wirft er die Bilanz in den neben ihn knisternden Kamin und sagt dazu mit freundlichen Gesicht: „Sehen Sie, und jetzt bin ich nicht mehr Pleite.“
Heute hingegen scheinen sich die Dinge umgedreht zu haben. Heute sehen die Bilanzen wunderbar aus – und trotzdem ist man recht wirksam Pleite. Vorgeführt hat dies die Vorstandsprecherin der KFW, Ingrid Matthäus-Maier, diese Woche anhand von Verträgen der nur in letzter Minute vor der Insolvenz bewahrten IKB.
Hier handelt es sich um sogenannte EODs („Event of default trigger“). Dabei wurden den Käufern, die Wertpapiere von der IKB erworben hatten, ein Umtauschrecht in bessere Papiere zugesichert, sollte sich die Qualität der gekauften Papiere verschlechtern. Es handelt sich also um eine wirksame Absicherung, bei der die IKB die Verlustübernahme garantiert.
Nur waren die Risiken dieses Geschäfts jedoch für niemanden so recht erkennbar. Schließlich steckten sie im Kleingedruckten auf Seite 92 eines über 400-seitigen Vertrages. Die Aufsichtsgremien haben sie jedenfalls nicht erkannt – und es heißt, dass selbst Fachjuristen Schwierigkeiten hätten, die entsprechenden Passagen zu verstehen.
Vorbei sind also die Zeiten, in denen Bilanzen wenigstens näherungsweise aufschlussreich sind. Diese seligen Zeiten sind zunächst abgelöst worden von Zeiten, in denen die Risiken wenigstens noch unter dem Strich in der Bilanz zu erkennen waren. Und werden nunmehr gefolgt von Zeiten, in denen nicht einmal mehr diejenigen, die die Bilanzen anfertigen und unterschreiben, auch nur annäherungsweise wissen, welche Risiken sie letztlich eingegangen sind. Weil sich jede Fußnote letztlich zur Sprengbombe wandeln kann.