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     2051  0 Kommentare Ein trügerisches Gefühl

    Pessimismus wird falsch eingeschätzt

    Eigentlich muss man jetzt mit großer Macht in den Markt einsteigen, denke ich. Denn der Pessimismus am Markt ist sehr hoch, so heißt es, und das fühle ich auch, wenn ich so sehe, was derzeit über die Finanzmärkte berichtet wird.

    So weit das Gefühl. Der Verstand sagt jedoch sehr klar, dass so etwas nicht sein kann. Natürlich können die Medien, einige partielle Gruppen und sogar ein ganzes Land durchaus pessimistisch sein. Doch am Markt gibt es so etwas nicht. Am Markt ist die Stimmung zu jedem Zeitpunkt ausgeglichen. Das mag eine verblüffende Erkenntnis sein, tangiert deren Wahrheitsgehalt jedoch dadurch nicht.

    Nehmen wir eine normale Ausgangssituation. Was passiert nun, wenn der Pessimismus steigt? Dann werden diejenigen, die pessimistisch geworden sind, ihre Aktien verkaufen. Dadurch fallen die Kurse – und zwar so lange, bis die gefallenen Kurse manche Pessimisten wieder zu Optimisten werden lässt, so dass sie nun bereit sind, die von den Pessimisten abgegebenen Papiere aufzunehmen.

    Im Resultat hat dadurch der Kursrutsch den überschießenden Pessimismus abgebaut – exakt bis zu einem Punkt, an dem Optimismus und Pessimismus sich wieder ausglichen haben. Am Markt kann es also weder einen Überschuss des Pessimismus über den Optimismus geben noch die umgekehrte Situation. Die Kursveränderungen gleichen das sofort wieder aus, bis zwischen beiden Positionen der Gleichstand erreicht ist.

    Mein Gefühl trügt also. Ich lasse mich von Leuten einlullen, die selbst nicht handeln. Und das sollte man nie tun. Man sollte niemals auf solche Leute hören. Nun könnte man natürlich noch anführen, dass es selbstverständlich viele Pessimisten am Markt gibt, die ihre Aktien noch nicht verkauft haben. Ich halte das für durchaus möglich. Doch es ist eine schizophrene Strategie, anders zu reden als man handelt. Und auf Schizos sollte man nun erst recht niemals hören.

    Dem rationalen Investor versagt sich also, auf das Instrument einer vermeintlichen Marktstimmung zu hören. Viele Marktakteure, die sich selbst als rationale Marktteilnehmer sehen, agieren also in Wirklichkeit gar nicht rational. Weil sie auf Irrationalitäten bauen. Ein Glück daher, dass ich kein rationaler Investor bin, sondern ausschließlich emotional handele an den Börsen.


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
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