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     2777  0 Kommentare Amargi - die Geschichte der Verschuldung

    „Amargi“ – für den Anthropologen David Graeber ist das das erste, in irgendeiner Sprache überlieferte Wort für „Freiheit“, ein Wort für Schuldenfreiheit. Wörtlich übersetzt bedeutet es „Rückkehr zur Mutter“, nach Entlassung aus der Schulden-Knechtschaft konnten die ehemaligen Schuldner nach Hause gehen (neu anfangen).

    Der sich selbst als Anarchist bezeichnende Graeber ist Professor an der Universität von London. Er hat sich in seinem neuesten Buch „Debt: The First 5.000 Years“ mit der Geschichte der Schulden beschäftigt. Motivation war für ihn, dass die Verschuldung in der Zwischenzeit praktisch alle Bereiche des gesellschaftlichen und privaten Lebens durchdrungen hat, ihre Geschichte aber noch nicht umfassend dokumentiert wurde.

    Die ökonomischen Techniker von heute reduzieren den Begriff „Schulden“ auf eine einfache Berechnung von „Soll“ und „Haben“. Graeber zeigt, dass „Schulden“ viel mehr sind. Sie sind nicht nur eine geldliche Schuld, sondern auch eine moralische Kategorie, eine Verpflichtung. Wie jede Moral bietet sich auch bei den „Schulden“ ein Ansatzpunkt für gesellschaftliche Machtverhältnisse, für Beherrschung und Unterdrückung. So galten im alten Mesopotamien Schulden als ein Versprechen, das mit Gewalt durchgesetzt werden konnte. Schulden begründeten und begründen gesellschaftliche Abhängigkeiten.

    Graeber stellt klar, dass es das Phänomen der Verschuldung wenig mit dem Geldsystem zu tun hat. Schulden gab es schon vorher und unabhängig hiervon. Das ist auch einfach einzusehen. Da nicht jedes Mitglied einer Gesellschaft zu jedem Zeitpunkt über alle lebensnotwenigen Dinge verfügen konnte, musste es sich welche leihen, sich also verschulden, wenn der Gegenpart angebotene Dinge nicht benötigte. Dies sieht zwar aus wie ein Tauschhandel, den z.B. Adam Smith als Beginn des ökonomischen Handelns sieht. Aber in Wirklichkeit wurden hier, auf der Stufe der „menschlichen Ökonomie“, keine Waren getauscht, sondern Verpflichtungen. Das später aufkommende Geld diente zunächst auch nur dazu, das Werteverhältnis von Dingen zu dokumentieren.

    Mit der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft -Marx würde herausstellen, mit der Entwicklung ihrer Produktivität und damit der Vermehrung des gesellschaftlichen Mehrwerts-, verschärfte sich der Kampf um dessen Verteilung und damit um die Verteilung gesellschaftlicher Macht. Parallel dazu wurde Geld im Stadium der „kommerziellen Ökonomien" zur Sache, es gewann ein Eigenleben und entwickelte sich schließlich zu einer „creatio ex nihilo“, die Wert aus sich selber heraus schafft. Damit erst begann Geld selbst, soziale Beziehungen massiv zu beeinflussen.
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    Klaus Singer
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    Verfasst von Klaus Singer
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