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    Zum Scheitern verurteilt?  4583  0 Kommentare EZB als Gosplan – Sterilisierung und Neutralisierung

    Die EZB beschwichtigt die deutschen Inflationssorgen mit dem Hinweis, dass sie jede Liquidität abschöpfen werde, die durch Offenmarktgeschäfte in Form direkter Anleihenkäufe (Outright Monetary Transactions – OMT) ins System gegeben wird. Diesen Vorgang des Abschöpfens kennt man von Deviseninterventionen wie auch in jüngerer Vergangenheit im Zusammenhang mit dem nun beendeten Securities Market Programme (SMP) der EZB. Technisch sind die Absorptionsgeschäfte einfach erklärt: Die EZB bietet den Banken im Rahmen eines Refinanzierungsgeschäfts Zinsen für die Einlage eines Betrages in der Höhe des Volumens der von ihr getätigten Anleihekäufe. Dieses Angebot können die Banken annehmen oder auch nicht. Einige Aufregung gab es, als es der EZB im Rahmen des SMP im November des letzten Jahres nicht mehr gelang, die durch die Kaufprogramme zugefügte Liquidität zu sterilisieren. Die Banken nahmen das Angebot der EZB nicht mehr im vollen Umfang an. Doch das Problem war vorübergehend. Denn unmittelbar anschließend folgte der erste der beiden Dreijahrestender (LTRO), mit dem Banken rund 500 Milliarden Euro Liquidität zugeleitet wurde. Damit wurde die Präferenz der Banken nach Liquidität reichlich befriedigt und die EZB konnte ihre Sterilisierungsgeschäfte seitdem wieder ohne Probleme durchführen.
     
    Solange die Sterilisierung gut geht, haben die Anleihenkaufprogramme und verbundenen Sterilisierungsgeschäfte vor allem einen Effekt: Sie verteilen um. Das wird deutlich, wenn man sich eine Torte vorstellt, deren einzelne Stücke die verschiedenen Zwecke repräsentieren, auf die man Mittel verwenden kann. Wenn die EZB Staatsanleihen kauft, dann wird das Tortenstück für Staatsanleihen größer. Da der Kuchen gleich groß bleibt, müssen notwendigerweise die anderen Stücke kleiner werden. Wenn die EZB aktiv wird, dann wird sie zum Marktteilnehmer und entscheidet sich zum Kauf von Staatsanleihen, die sonst keiner gekauft hätte. Das Geld dafür entzieht sie mittels Neutralisierung den Inhabern von Staatsanleihen. Da diese ihr Geld nur einmal ausgeben können, leiden andere mögliche Verwendungsmöglichkeiten. Wenn die Banken ihre Liquidität bei der EZB parken, dann verzichten sie zum Beispiel darauf, Kredite an Unternehmen und Privatleute zu vergeben. Natürlich muss man auch sagen: In dem seltsamen Umfeld von heute verzichten sie wohl vor allem darauf, ihr Geld in einer anderen, unverzinsten Fazilität der EZB zu parken. Jedenfalls müssen die Banken auf ein anderes Geschäft verzichten, wenn sie der EZB bei der Neutralisierung helfen wollen. Die von den Banken eingestrichene Prämie für diesen Verzicht ist der Zins, den sie von der EZB für die Teilnahme an den Neutralisierungsgeschäften erhalten.
     
    Um den entscheidenden Punkt in Erinnerung zu rufen: Die Banken geben die Liquidität freiwillig zurück an die EZB. Die EZB ist also auf die Kooperation der Banken angewiesen. Die Banken werden nicht mehr kooperieren, sobald andere Geschäfte lohnender erscheinen. Das könnte sein, wenn Unternehmen und Privatleute nach mehr Kredit verlangen. Eine eventuelle deutsche Immobilienblase könnte die Nachfrage nach Kredit und die gebotenen Zinsen ansteigen lassen. Wächst der Zins ausreichend hoch, würden die Banken lieber das lukrativere Geschäft tätigen und die Kreditnachfrage befriedigen, anstatt ihre Gelder bei der EZB zu parken. Jede andere Art von wirtschaftlicher Belebung hätte einen ähnlichen Effekt.
     
    Problematisch ist ein weiterer Punkt, auf den Thorsten Polleit aufmerksam macht. Die EZB und die meisten Beobachter gehen davon aus, dass die Banken auch die Verkäufer von Staatsanleihen sind, sie dafür von der EZB den Kaufpreis, also zusätzliche Liquidität erhalten, welche dann wiederum von der EZB abgeschöpft werden kann. Die stillschweigende Voraussetzung ist: Die Geschäftspartner der EZB beim Ankauf von Staatsanleihen und bei der Durchführung der Neutralisierungsgeschäfte seien identisch. Das ist nicht so. Ein Großteil der Staatsschulden liegt bei institutionellen Anlegern, die Nicht-Banken sind. Wenn diese die Liquidität aus OMT erhalten, werden sie diese anderweitig investieren – der Kauf von Staatsanleihen aus Deutschland oder aus anderen „sicheren Häfen“ kommt in Frage. Doch die EZB kann mittels Refinanzierungsgeschäften nur bei Banken Liquidität abschöpfen. Das könnte ein schwieriges Unterfangen werden, weil sich die Liquiditätssituation der Banken nicht geändert hat, wenn sie nicht Verkäufer der Staatsanleihen sind. Denn dann wird den Banken keine Liquidität direkt zugeführt, während sich gleichzeitig nichts an ihrer hohen Liquiditätspräferenz verändert.
     
    Die Neutralisierung kann aber nicht nur an den Banken, sondern auch an der EZB selbst scheitern. Wie oben dargestellt, will die EZB die Größe der Tortenstücke verändern, nicht aber die Größe des Kuchens. Die überreichliche Kreditversorgung der Schuldenstaaten durch Staatsanleihenkäufe im Verbund mit Neutralisierungsgeschäften wird daher Auswirkungen auf die Kreditversorgung der Wirtschaft haben. Doch die EZB möchte die Wirtschaft nicht „abwürgen“. Insofern steht sie unter einem politischen Druck, eine wirtschaftliche Kontraktion zu verhindern. Es besteht die Gefahr, dass die EZB diese von ihr selbst bewirkten Engpässe in der Kreditversorgung aus politischen Gründen ausgleicht, indem sie den Kuchen vergrößert. Das formale Standardwerkzeug hierzu ist die Zinssenkung. Luft nach unten ist jedoch kaum vorhanden. Es steht daher zu erwarten, dass weitere ungewöhnliche Maßnahmen folgen, mit denen die EZB die Folgen ihrer eigenen Interventionen bekämpfen wird.
     
    Der bekannte Vermögensverwalter Jens Ehrhardt sagte neulich in einem Interview, es sei die schwierigste Börsenphase seines Lebens. Für die EZB wird es noch viel schwieriger als für die Anleger werden. Sie muss zukünftig die Größe der Torte und den Zuschnitt ihrer Stücke planen. Das ist eine Mammutaufgabe. Eine Aufgabe ähnlicher Größenordnung hatte Gosplan, die zentrale Planungsbehörde der Sowjetunion. Gosplan und die sowjetische Zentralverwaltungswirtschaft sind am Ende gescheitert.




    Frank Schäffler
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    Frank Schäffler (FDP) ist als klassischer Liberaler ein Kritiker der Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung und des geldpolitischen Kurses der EZB. Der Autor veröffentlicht wöchentlich seinen Weblog, den man hier auf seiner Homepage anfordern kann.
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    Verfasst von 2Frank Schäffler
    Zum Scheitern verurteilt? EZB als Gosplan – Sterilisierung und Neutralisierung Die EZB beschwichtigt die deutschen Inflationssorgen mit dem Hinweis, dass sie jede Liquidität abschöpfen werde. Die Neutralisierung kann jedoch scheitern - an der EZB selbst und an den Banken. Der politische Druck auf die EZB steigt, eine wirtschaftliche Kontraktion zu verhindern.

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