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    Neue Geldpolitik  3010  0 Kommentare Nominelle BIP-Steuerung als Wunderwaffe?

    Mark Carney, der designierte Präsident der Bank of England (BoE), stand letzte Woche im Rahmen seiner Ernennung dem Treasury Committee des englischen Parlaments Red und Antwort. Er tritt seine Stelle zwar erst im Juli 2013 an, trotzdem sind bereits alle Augen auf ihn gerichtet. Denn die Geldpolitik der BoE hinterlässt zurzeit Ratlosigkeit.
     
    Die englische Wirtschaft kann sich seit der Finanzkrise nicht aus ihrer Stagnation befreien, obschon die BoE ihre Bilanzsumme in den letzten Jahren vervierfacht hat. Carney hat in den letzten Monaten denn auch schon eine neue Idee in die geldpolitische Diskussion eingebracht: Nominal GDP Targeting oder auf Deutsch das Anpeilen eines nominalen Bruttoinlandprodukt (BIP)Ziels. Dieses neue Konzept wurde bereits schon von anderen renommierten Ökonomen wie Nobelpreisträger Paul Krugman angepriesen.
     
    Beim Nominal GDP Level Targeting versucht die Zentralbank ein von ihr definiteres nominales BIP-Ziel zu erreichen. Neu ist, dass die Zentralbank nicht mehr ein gewisses Wachstum des nominalen BIP anstrebt, sondern nun ein gewisses Niveau des nominalen BIP. Die Qualitäten des neuen Konzepts kommen zum Tragen, wenn die Leitzinsen aufgrund der Nulluntergrenze nicht mehr weiter gesenkt werden können und damit die Geldpolitik für den Zustand der Wirtschaft eigentlich zu restriktiv ist – wie das in den letzten Jahren der Fall war.
     
    Während heute die Zentralbank die Vergangenheit ruhen lässt und sich darauf konzentriert, in der Zukunft die geldpolitischen Ziele wieder zu erreichen, so würde eine Zentralbank unter dem Nominal GDP Level Targeting versuchen, die zu restriktive Geldpolitik der letzten Jahre mit einer extrem expansiven Geldpolitik in der Zukunft zu überkompensieren. Mit dieser starken Selbstverpflichtung dürfte es der Zentralbank besser gelingen, die Finanzmärkte von ihrer Bereitschaft für eine ultra-expansiven Geldpolitik zu überzeugen.
     
    Wenn dieses Konzept derart überzeugt, wieso wurde es bisher noch nicht angewendet? – Nominal GDP Level Targeting verfügt leider auch über Schwächen, insbesondere was die Praxistauglichkeit betrifft. Die Formulierung eines nominalen BIP-Zieles hängt entscheidend davon ab, wo eine Zentralbank das Potenzialwachstum in den nächsten Jahren sieht. Die Arbeitsproduktivität und damit das Potenzialwachstum in UK sind in den letzten Jahren dramatisch eingebrochen. Auch Mark Carney fand letzte Woche keine Antwort darauf, ob dieser Einbruch nur temporär ist oder ob das Potenzialwachstum in den nächsten Jahren signifikant tiefer liegt als vor der Finanzkrise. Das sind keine guten Voraussetzungen, um Nominal GDP Level Targeting einzuführen. Carney hat trotz aller Sympathie für das neue Konzept entsprechend festgestellt, dass im Moment «…die Latte für eine Veränderung [des geldpolitischen Konzeptes der BoE] sehr hoch liege». (Gastbeitrag von Dr. ALESSANDRO BEE, Ökonom bei der Bank Sarasin & Cie AG)




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    Alessandro Bee
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    Alessandro Bee promovierte am Wirtschaftswissenschaftlichen Institut der Universität Basel und absolvierte gleichzeitig mehrere Lehrgänge am Studienzentrum der Schweizerischen Nationalbank in Gerzensee. Im Jahr 2006 trat er in die Bank J. Safra Sarasin ein und ist als Ökonom und Fixed Income Strategist für Konjunktur- und Zinsprognosen verantwortlich. Im Jahr 2011 baute er für die Bank J. Safra Sarasin in Hongkong ein Economic Research auf.
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    Verfasst von 2Alessandro Bee
    Neue Geldpolitik Nominelle BIP-Steuerung als Wunderwaffe? Bereits vor Amtsantritt sind alle Augen auf Mark Carney, designierter Präsident der Bank of England, gerichtet. Seit der Finanzkrise kann sich die englische Wirtschaft nicht aus ihrer Stagnation befreien. Und: Die Geldpolitik der BoE hinterlässt zurzeit mehr als Ratlosigkeit.

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