Scope
Intransparenz bei Zertifikate-Preisen mindert Beratungsqualität
Kaum ein Kreditinstitut führt zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung einen systematischen Preisvergleich unter identisch bzw. ähnlich strukturierten Zertifikaten durch. Für Anleger führt dieses Versäumnis häufig zu hohen Renditeeinbußen.
Banken stehen in der Pflicht, Wertpapiergeschäfte für Kunden zu den bestmöglichen Konditionen durchzuführen. Ob diese Anforderung beim Verkauf von Anlagezertifikaten erfüllt wird, ist jedoch fraglich. Der Grund: Kaum ein Kreditinstitut führt zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung einen systematischen Preisvergleich unter identisch bzw. ähnlich strukturierten Zertifikaten durch. Für Anleger führt dieses Versäumnis häufig zu hohen Renditeeinbußen. Denn in der Regel erhält der Anleger ein Zertifikat, obwohl ein vergleichbares Produkt zu einem wesentlich günstigeren Preis verfügbar gewesen wäre. Auch die Finanzaufsicht hat dieses Problem erkannt: Erste regulatorische Vorstöße zielen auf die vollständige Offenlegung der Fair Values von sämtlichen strukturierten Papieren ab.
Dilemma des Beraters
Eine anleger- und objektgerechte Beratung beschränkt sich nicht nur darauf, Zertifikate zu empfehlen, die die Markterwartungen des Anlegers ideal abbilden und seinem Risikoprofil entsprechen.
Vielmehr müssen Berater sicherstellen, dass das Zertifikat zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung zu einem marktkonformen Preis angeboten wird. Die Marktkonformität ist aus Sicht von Scope gegeben,
wenn die Abweichung zwischen dem Kaufpreis und dem Fair Value im Peer Group Vergleich relativ gering ist. Das Problem: Berater können die Preise von Zertifikaten verschiedener Anbieter nicht
direkt miteinander vergleichen. Die Gründe dafür sind zum einen die unterschiedliche Bonität der Emittenten und zum anderem geringfügige Unterschiede der Vergleichsprodukte – zum Beispiel bei
Laufzeit, Barriere, Strike oder Bezugsverhältnis.
Für einen korrekten Preisvergleich, der die unterschiedliche Bonität der Anbieter und Unterschiede in der Ausgestaltung berücksichtigt, ist vielmehr eine Fair Value Analyse notwendig. Dabei werden Zertifikate in ihre Komponenten – also: Anleihe und Optionen – zerlegt und einzeln bewertet. Der Preis der Anleihe ergibt sich maßgeblich durch den CDS-Spread – also die Risikoprämie für die Bonität des Emittenten. Die Preise für die Optionen wiederum werden wesentlich durch den Preis und die implizite Volatilität des Basiswerts beeinflusst. Durch den Einsatz von mathematischen Modellen lässt sich der „faire“ Preis eines Zertifikats errechnen und im Anschluss mit dem vom Emittenten gestellten Preis vergleichen. Berater haben somit die Möglichkeit, das Zertifikat mit der geringsten Abweichung zu seinem fairen Wert auszuwählen. Eine vollständige Fair Value Analyse kann jedoch nicht vom Berater individuell geleistet werden. Vielmehr muss die Bank bzw. Vertriebsorganisation die technischen Voraussetzungen schaffen, um Preisvergleiche in Echtzeit vornehmen zu können.
Signifikante Unterschiede bei Zertifikate-Preisen
Wie stark die Preise für nahezu identisch strukturierte Zertifikate variieren, zeigt eine Auswertung von Scope. In der Tendenz gilt: Je komplexer ein Zertifikat, desto stärker weichen die
Emittenten-Preise von den Fair Values ab. Wie aber lassen sich diese zum Teil immensen Unterschiede zwischen den Emittenten erklären? Zum einen lassen sie sich auf Seiten der Anbieter auf
unterschiedliche Annahmen für künftige Volatilitäten und Dividenden oder verschiedene Bewertungsmodelle zurückführen. Zum anderen sind unterschiedliche Kostenstrukturen und Gewinnmargen für
die Preisunterschiede verantwortlich.
Offenlegung der Fair Values
Welche Gründe zu den Preisunterschieden führen, ist für Anleger im Endeffekt irrelevant. Anleger möchten für ein gegebenes Risiko die maximale Rendite erzielen. Derzeit ist es für Anleger jedoch
kaum möglich, sich unter Zertifikaten mit identischer Auszahlungsstruktur für das am besten gepreiste Produkt zu entscheiden. Diese Intransparenz im Zertifikate-Markt und die damit verbundenen
Nachteile für Anleger zwingen zunehmend Aufsichts- und Regulierungsorgane zum Handeln. Im April dieses Jahres hat die International Organization of Securities Commissions (IOSCO) eine
Veröffentlichungspflicht für die Fair Values sämtlicher strukturierter Produkte vorgeschlagen. Zuvor hatte bereits die US-amerikanische Finanzaufsicht SEC die größten Zertifikate-Anbieter zu mehr
Transparenz bei ihrer Preissetzung aufgefordert.
Die Offenlegung der air Values sämtlicher Zertifikate würde zu deutlich steigender Transparenz und öheren Renditen für Anleger führen. Investoren wären in der Lage, unter dentisch strukturierten Zertifikaten stets das am besten gepreiste auszuwählen. Für Berater und Banken wiederum würde die Offenlegung der Fair Values eine anleger- und objektgerechte Beratung ermöglichen. Auch die Emittenten selbst könnten profitieren, da langfristig durch den Zugewinn an Transparenz und Vertrauen eine Steigerung der Zertifikate- Umsätze erwartet werden kann.
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