Kritik an Stresstest

Ökonom Hellwig: "Nach den Regeln von Basel III wären etliche deutsche Banken durchgefallen"

Der Stresstest ist Vergangenheit, die Bankenunion Gegenwart. Doch: Wie erfolgreich war der Bankenstresstest wirklich? Befinden sich womöglich weitere Leichen in Banken-Kellern? Und was hilft im Kampf gegen die wirtschaftliche Stagnation: Sparen oder Schulden machen?

Zunächst die gute Nachricht. Der EZB-Bankentest sei nicht gänzlich für die Katz gewesen, meint der Ökonom Martin Hellwig in einem Interview mit der "faz". Zumindest habe die Bilanzprüfung dazu geführt, dass die Banken zusätzliche Abschreibungen und Rückstellungen von etwa 180 Milliarden Euro“ getätigt haben. Eine immense Summe. Dennoch: Ob sie ausreichend ist, sei nicht hinreichend zu beantworten. Es sei schließlich gut möglich, dass die Banken – ähnlich wie nach vergangenen Überprüfungen – „doch noch weitere Leichen im Keller“ haben.

Hellwig: Deutsche Bank hat kleinere Eigenkapitalquote als Lehman Brothers vor dem Konkurs

Und dennoch: Hellwig teilt die rosige Kommentierung des Stresstests nicht. Dafür sieht er zu viele Ecken und Kanten, an denen geschliffen wurde, um sie rund zu bekommen. Ein Beispiel ist die Kernkapitalquote. Zwar weise die Deutsche Bank im Krisenszenario des EZB-Bankentests eine Kernkapitalquote von 8,8 Prozent auf, doch beziehe diese „sich nur auf die sogenannten ‚risikogewichteten‘ Anlagen“, kritisiert der Volkswirt. Betrachte man die Gesamtanlagen der größten deutschen Bank, dann liege die Eigenkapitalquote bei nur noch 2,4 Prozent – und damit deutlich unter den Bestimmungen von ‚Basel III‘. Noch dazu: Selbst Lehman Brothers habe vor dem Konkurs einen höheren Wert ausgewiesen. In einem ist sich Hellwig deswegen sicher: „Hätte man den Stresstest nach den Regeln von Basel III durchgeführt, wären etliche deutsche Banken durchgefallen.“

Eine große Gefahr sieht der Ökonom in der Kreditvergabe der Banken. Mit Blick nach Japan warnt er vor sogennanten Zombie-Banken, deren Schulden deutlich größer sind als ihr Vermögen. Doch keine Bank hätte ihre eigene Misere einsehen wollen: „Die Banken haben Kredite der Problemschuldner fortgeschrieben und ihnen noch neue Kredite gegeben, um zu vermeiden, dass sie die Kredite abschreiben müssten, wodurch ihre eigene Insolvenz offenbart worden wäre.“ Das führe nicht nur zu einer Verschuldungsspirale, sondern auch zu weniger Wachstum. Denn: Das für marode Unternehmen bereitgestellte Geld, stehe „nicht für neue, innovative Unternehmen zur Verfügung“. Ein Problem, das die japanische Wirtschaft durchlebt habe und mit der Stagnation bitter bezahlen musste. Doch die Gefahr sei gar nicht so weit weg. Denn auch in Europa gelte, „dass die hohe Verschuldung von Banken, anderen Unternehmen, privaten Haushalten und Staaten die Wirtschaftstätigkeit in der Eurozone erheblich lähmt“.

Banken müssten „noch sehr viel stärker rekapitalisiert werden“

Welche Möglichkeiten hat die Euro-Zone überhaupt, das durch Japan personifizierte Schreckensgespenst der wirtschaftlichen Stagnation über Jahrzehnte an seinen Ungeheuern zu hindern? Sparen oder Schulden machen? Schon vorletzte Woche berichtete wallstreet:online über diese Gretchenfrage der Euro-Zone. Der Volkswirt Hellwig fordert „Mechanismen, um Überschuldung anzuerkennen und abzubauen, so wie das im Insolvenzverfahren geschieht“. Denn Schuldenabbau durch Sparen führe „allenfalls sehr langfristig“ zum Erfolg. Zielführender sei eine noch stärkere Rekapitalisierung der Banken. Denn Banken, die mit genügend Eigenkapital ausgestattet sind, seien „eher bereite, auch bei ihren Schuldnern einen Schuldenschnitt zu akzeptieren“, glaubt Hellwig.