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    Grexit-Talk bei Maybrit Illner  3245  1 Kommentar "Wenn es Solidarität gab, dann mit deutschen und französischen Banken!"

    Oh nein, nicht schon wieder Griechenland! Aber weit gefehlt. Die gestrige „Grexit-Show“, wie Maybrit Illner ihre Sendung nannte, hatte alles zu bieten, was man für gelungenes Entertainment braucht: gemolkene Kühe, tanzende Elefanten, verworrene Rasta-Zöpfe und inmitten all dessen ein bisschen Solidarität. Ein wahres Phrasen-Spektakel.

    Es gelte nun für die Oberen Europas, die griechische Kuh vom Eis zu schieben, sagte die Moderatorin zu Beginn der Sendung. Schließlich könne eine Kuh nur dann Milch geben, wenn sie etwas zu fressen habe. Diese Darstellung wollte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz aber so nicht ganz stehen lassen. Die Milch sei nicht von der Kuh, sondern von anderen Ländern nach Griechenland gekommen.

    Mit Milch meint Schulz natürlich die Hilfszahlungen, die zur Rettung nach Athen geflossen sind. Auch der slowakische Politiker und EU-Parlamentsmitglied der Euro-kritischen EKR-Fraktion, Richard Sulik, betonte, die Euro-Partner seien drei Jahre lang solidarisch gewesen und hätten „ein Haufen Geld nach Griechenland geschickt.“ Aber was habe diese Solidarität bewirkt? Griechenland gehe es heute schlechter als damals, sie seien inzwischen die Opfer des Spiels, so Sulik. „Wenn es Solidarität gab, dann mit deutschen und französischen Banken.“ Sein Parlamentskollege Schulz stimmte zu: „Die kleinen Bürger sind solidarisch. Wer sich aus der Solidarität stiehlt, sind die großen Kapitalbesitzer“, so Schulz, der deshalb „langsam die Faxen dicke“ hat.

    „Keine Kreditkarte, sondern Wachstum“

    Solche Aussagen sind Musik in den Ohren von Giorgos Chondros, Mitglied im Zentralkomitee der griechischen Syriza. Er pflichtete Sulik und Schulz bei: „Ihr Ziel war es nicht Griechenland zu retten, sondern den Kapitalmarkt.“ Die Hilfsprogramme hätten mehr geschadet als geholfen, so der Syriza-Politiker. Die Gläubiger spielten ein gefährliches Spiel, Griechenland sei mittlerweile ein kaputtgespartes Land und bräuchte eine politische Lösung in Form von Wachstum, denn „keiner kann ernsthaft behaupten, dass Griechenland seine Staatsschulden komplett bezahlen könnte.“

    Das klinge ja alles sehr schön, unterbricht ihn Sulik. „Aber im Grunde wollen Sie doch Geld, was wollen Sie sonst?“ Nein, beteuert Chondro, man wolle keine neuen Hilfsgelder, sondern raus aus dem Teufelskreis. Athen bräuchte keine Kreditkarte, sondern Wachstum, um der Schuldenfalle zu entkommen. Daraufhin Sulik: „Also doch Geld … für Wachstum.“

    „Varoufakis geht mir auf die Nerven“

    Schließlich meldete sich Wolfram Weimar zu Wort. Der Publizist und „Cicero“-Gründer bewunderte die Geduld der Gläubiger. Er sieht in Griechenland nämlich ebenfalls keine Milchkuh, sondern tanzende Elefanten. Genauer gesagt Sirtaki tanzende Elefanten. Varoufakis und Tsipras hätten sich aufgeführt wie „Sirtaki tanzende Elefanten im europäischen Porzellanladen“ und "diplomatisch alles falsch gemacht, was man so falsch machen kann", polterte Weimar. Man müsse sich fragen, wie hoch der Preis sei, Griechenland im Euro zu halten. „Wenn der Preis ist, dass ein unseriöser Staat von den Seriösen finanziert wird, (…) dass links- und rechtsextreme Parteien in Europa immer stärker werden, (...) dass Europa am Ende doch zerfällt, (…) dann ist er zu hoch.“

    „Wir sollten über das Gelingen reden, nicht über das Scheitern“, forderte dagegen Schulz und nahm dabei vor allem die griechische Regierung in die Pflicht. Diese gehe ihm nämlich „bisweilen gewaltig auf die Nerven, ob das jetzt ein Herr Varoufakis ist oder jemand anderes.“ Die Gläubiger hätten einen „sehr, sehr weitreichenden, entgegenkommenden Vorschlag“ gemacht. Jetzt müsse Athen „auch mal aufhören, ständig Grundsatzdebatten zu führen“. Es sei jetzt ihre Pflicht, dieses Angebot anzunehmen.

    Zwar betonte Schulz „zur Ehrenrettung“ der jetzigen Regierung, nicht sie, sondern die Vorgängerregierungen hätten die Probleme verursacht. Trotzdem müsse sie sich nun bewegen. „Wir haben die Verantwortung, das Land nicht pleitegehen zu lassen. Sie haben die Verantwortung, die Hand, die man ihnen reicht, endlich anzunehmen.“

    „Europa ist wie ein Rasta-Zopf“

    Die Rolle der mahnenden Expertin zwischen all den politischen Hitzköpfen wurde dieses Mal der Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot von der Denkfabrik „European Democracy Lab“ zuteil. Und sie machte ihre Sache gut. Immer wieder rief sie die anderen dazu auf, vor lauter Bäumen nicht den Blick auf den Wald zu verlieren. Es gehe um Europa und nicht die Interessen einzelner Staaten. „Wenn wir immer in nationalen Kriterien denken – die Griechen, die Deutschen, die Spanier, die Italiener – dann haben wir schon verloren, dann haben wir es vergeigt.“ Man müsse sich die Einsparungen, die Griechenland geleistet habe, einmal vergegenwärtigen. Hätte Deutschland derart drastisch den Haushalt gekürzt, „dann wäre hier eine Revolution losgebrochen.“

    Guérot warnte eindringlich vor einem „extrem einsturzgefährdeten“ europäischen Haus. Podemos in Spanien, Ukip in Großbritannien, Cameron mit seinem EU-Referendum … „da krachen die Balken aufeinander“ (siehe: Wenn der Protest zur Gefahr wird. Regiert in Europa bald das Chaos?). Dabei müssten die Europäer endlich anfangen, europäisch zu denken. „Das Land, in dem wir leben, heißt Euroland.“ Das sei „wie so ein Rastafari-Zopf, das kriegen Sie gar nicht mehr durchkämmt“, sagte die Politikwissenschaftlerin.





    wallstreetONLINE Redaktion
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