checkAd

    Halvers Woche  732  0 Kommentare "Die Disziplinlosigkeit gegenüber selbst aufgestellten Stabilitätsregeln ist das Urproblem der Eurozone" - Seite 2



    Eigentlich machte damals ein stabilitätspolitisch disziplinloses Deutschland den Regelverstoß hoffähig. Und aus dieser Mücke wurde zügig ein Elefant. Im Jahre 2004 wies das Europäische Amt für Statistik nach, dass die griechischen Angaben zu ihren Haushaltsdefiziten 1997 bis 2000 wie bei Grimms Märchen frei erfunden waren. Tatsächlich lagen sie erheblich über dem Euro-Konvergenzkriterium von „3 Prozent der Wirtschaftsleistung“, was Griechenlands Beitritt in die Eurozone vereitelt hätte. Dennoch wurde das Verfahren gegen den griechischen Schuldenlügner eingestellt. Ebenso „verständnisvoll“ reagierten die Euro-Politiker, als bekannt wurde, dass Athens Haushaltsdefizit für 2009 nicht bei 3,7, sondern mehr als viermal so hoch bei 12,7 Prozent lag. Und schon wieder keine Sanktion.

    2010 erhielt Griechenland aufgrund eines ansonsten drohenden Bankrotts ein Rettungspaket über 110 Milliarden Euro, obwohl zwischenstaatliche Kredithilfen in den EU-Verträgen ausdrücklich verboten sind. Und 2012 kam es zu einem mehr oder weniger erzwungenen Schuldenschnitt der privaten Gläubiger Griechenlands, bei dem Banken und Versicherer - und damit auch ihre Kunden - auf etwa 70 Prozent ihrer Forderungen verzichten mussten. Diese insofern künstlich verbesserte Bonität der griechischen Staatsfinanzen war aber Bedingung für die Vergabe eines zweiten Rettungspaktes über 130 Milliarden.

    In diesem Jahr feiert die stabilitätspolitische Disziplinlosigkeit ihren Höhepunkt. Der griechische Regierungschef spielte mit den Euro-Politikern und EZB-Direktoren Katz und Maus. Obwohl dieser die Reformen seiner Vorgänger rückgängig machte und die Gläubiger gemeinsam mit seinem spielfreudigen Finanzminister wie Gegner im Boxring behandelte, hatten die Gläubigervertreter - allen voran Herr Juncker - nichts Besseres zu tun, als das Matthäus-Evangelium anzuwenden: Wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die linke hin.

    Je größer die Athener Schulden, desto größer das griechische Erpressungspotenzial

    Offensichtlich geht die Politik davon aus, dass der Euro scheitert, wenn Griechenland geht. So konnten griechische Ideologen die Stabilitätsspielregeln ändern wie sie wollten und erhielten dennoch von Gläubigerseite nicht nur nicht die rote Karte. Im Gegenteil, zuletzt wurde Athen ein dramatisch großzügiges Angebot der Euro-Finanzgruppe unterbreitet, bei dem die Reformbedingungen erneut reduziert und die geldlichen Gegenleistungen erneut aufgestockt und auf zwei Jahre verlängert wurden. Damit hat Europa seine stabilitätspolitische Glaubwürdigkeit bereits schwer in Verruf gebracht. Man ist förmlich zu Kreuze gekrochen. Dennoch lehnte Herr Tsipras dieses Angebot als „Erpressung“ ab und nimmt damit sein Volk in Geiselhaft. Er will geldliche Leistung ohne reformistische Gegenleistung, am liebsten in Form eines dritten Hilfspakets, also neuen Schulden und einer schmerzlosen Restrukturierung, das heißt Schnitt der alten Schulden. Er weiß sehr wohl: Je größer die griechischen Schulden und je größer die Schulden der griechischen Banken bei der EZB, umso größer das systemische Erpressungspotenzial im Hinblick auf mögliche Kreditausfälle. Schon jetzt weiß ich nicht, wie griechische Banken ihre EZB-Hilfskredite von fast 90 Milliarden Euro jemals zurückzahlen wollen.

    Seite 2 von 4




    Börse Frankfurt
    0 Follower
    Autor folgen
    Verfasst von 2Börse Frankfurt
    Halvers Woche "Die Disziplinlosigkeit gegenüber selbst aufgestellten Stabilitätsregeln ist das Urproblem der Eurozone" - Seite 2 Halver 3. Juli 2015. MÜNCHEN (Baader Bank). Erinnern Sie sich noch an die Anfänge des Europäischen Gemeinschaftswerks? Die Zustimmung zur Wiedervereinigung machte unser linksrheinischer Nachbar damals davon abhängig, dass in Europa eine …

    Auch bei Lesern beliebt

    Schreibe Deinen Kommentar

    Disclaimer